Marion Mollenhauer + Ingrid Siano

3x4 Pfötchen und das Netz der weißen Spinne


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Aber jetzt komm, wir müssen zurück. Sonst fährt Papa ohne uns los.“ Gerade rechtzeitig waren sie wieder am Auto. Während Rolf Graf den Wagen startete, erzählte Mariella, was sie soeben gelernt hatte.

      Kaily rekelte sich vorsichtig, damit ihr Fell nicht in Unordnung geriet, und flötete: „Habt ihr gut zugehört? Ein Hauch von Luxus liegt über diesem Städtchen. Ich glaube, ich bin hier genau richtig.“ Olivia, die in der äußersten Ecke der bequemen Transportbox lag, um ja nicht eines von Kailys Haaren zu zerknittern, verdrehte die Augen. „Du lebst doch schon im Luxus“, erwiderte sie. „Du bist ein Showgirl, machst Urlaub im Süden, du hast ’ne tolle Familie, du wirst im Auto herumkutschiert, du hast Barny und mich – was willst du denn noch? Denk mal an den armen Nando, der meistens auf der Straße lebt.“ „Denk mal an Nando ...,“ äffte Kaily sie nach. „Es reicht ja wohl, wenn du an ihn denkst, oder?“

      „Du bist eingebildet und frech“, ereiferte sich Olly. „Barny, was sagst du dazu?“ „Vertragt euch, Mädels. Denkt dran, gleich ist Showtime“, versuchte Barny zu schlichten und fügte gelangweilt hinzu: „Dieser italienische Nando-Casanova ist doch total unwichtig.“

      „Find ich auch“, pflichtete Kaily ihm bei. Olly drehte ihnen beleidigt den Rücken zu und zischte: „Ich finde euch beide doof.“

      Inzwischen wendete die Fähre, um dann mit dem Heck voran in Bellagio anzulegen. So konnte das Auto der Grafs als erstes Fahrzeug vom Schiff rollen. Staunend betrachtete Mariella die prächtigen Fassaden der alten Hotels. Die meisten Geschäfte befanden sich in schattigen Laubengängen, vor denen altmodische, in Falten gelegte, bis auf den Boden reichende Stoffmarkisen angebracht waren. Rolf Graf fuhr die Uferstraße entlang, die von blühenden Oleanderbäumen und duftenden Blumenrabatten gesäumt wurde. Auf der anderen Straßenseite konnte man nun das ehemalige Grandhotel Britannia ganz aus der Nähe betrachten. „Jetzt sieht es doch ein bisschen unheimlich aus“, sagte Mariella. „Das passiert mit alten Häusern, wenn sie für längere Zeit unbewohnt sind“, entgegnete Lucie Graf. „Aber man sieht doch immer noch, dass es einmal ein sehr prachtvolles Gebäude war.“ Mariella nickte zustimmend und schaute weiter interessiert aus dem Fenster. „Seht mal, da sind ja schon ganz viele Leute mit ihren Hunden. Ich glaube, wir sind bald da“, rief sie. Herr Graf fuhr jetzt sehr langsam und vorsichtig, denn vor, hinter und neben ihnen strebten Hunde aller Rassen, zusammen mit ihren Besitzern, dem Ausstellungsgelände zu. Während das Auto geparkt wurde, machte Kaily in der Transportbox vorsichtig einige Aerobic-Übungen. „Heh, was hampelst du hier herum?“ Olivia, die ein kleines Nickerchen gemacht hatte, fühlte sich gestört. „Wir sind da, du alte Schlafmütze!“, klärte Kaily sie auf und machte unverdrossen weiter. „Ich hampel nicht, ich mache Lockerungsübungen. Schließlich muss ich mich nachher auf dem Catwalk graziös bewegen.“

      „Ach, und deshalb benimmst du dich jetzt wie ein Trampeltier“, schnaubte Olly. Kaily hörte auf der Stelle mit ihren Übungen auf und sah sie fassungslos an. „Sagtest du gerade Tram-pel-tier?“, fragte sie und betonte jede Silbe.

      „Ja-wohl!!!“, trumpfte Olivia auf. Wütend starrten sich die beiden an, und Kaily wollte gerade anfangen, Olly an den Haaren zu ziehen, als Barny, den das Gezanke nervte, dem Streit ein Ende machte. Ganz beiläufig bemerkte er „Cara mia, deine größte Konkurrentin, Pepita von Stolzenfels, ist auch hier – und sie sieht toll aus.“

      Kaily war sofort abgelenkt und setzte sich in Positur. „Toller als ich???“, fragte sie mit einem Unterton, der es nicht zuließ, dass man diese Frage mit „Ja“ beantwortete. Barny zog sich geschickt aus der Affäre: „Sie ist doch ein völlig anderer Typ als du, bellissima, das kann man gar nicht vergleichen.“

      „Außerdem weiß doch jeder von uns, dass du die Schönste bist“, fügte Olivia süffisant hinzu, was Kaily geflissentlich überhörte. Vorsichtig und ordentlich drapierte sie ihr Haarkleid um sich herum und seufzte: „Ach ja, aber hoffentlich wissen das auch die Preisrichter.“

       Carlotta bietet jeden Preis

       Mittlerweile hatte Familie Graf den Campingtisch, die Stühle, den Picknickkorb und Kailys Kosmetikköfferchen aus dem Auto geladen und imSchatten eines Baumes abgestellt. Während Lucie Graf auf die Sachen aufpasste, holte Mariella zusammen mit ihrem Vater die Vierbeiner aus dem Auto. „Schau nur, unsere beiden Prinzessinnen liegen wie hingegossen auf ihrem Seidenkissen und sind ganz brav“, lobte Mariellas Vater die beiden Yorkie-Mädchen. „Barny hat sich während der Fahrt aber auch vorbildlich benommen“, sagte Mariella. Sie legte Barny eine rote Leine an, was dieser sich leise grummelnd gefallen ließ. Er war ja schon froh, dass nicht auch noch Strasssteine an seinem Halsband funkelten. Die Glitzerhalsbänder waren, Gott sei Dank, den beiden Mädchen vorbehalten. Während Olivia und Kaily, die ihren Streit schon vergessen hatten, mit ihrem Seidenkissen auf dem Tisch liegen durften, machte Barny es sich auf Mariellas Schoß bequem. Zufrieden sahen die drei sich um. Die Hundeausstellung fand in dem märchenhaften Park einer alten Villa statt. Rosen, Hortensien, Oleander und Jasmin blühten und dufteten um die Wette. Uralte Bäume spendeten Mensch und Tier genügend Schatten und man hatte einen phantastischen Blick auf den See, die Berge und die malerischen Städtchen an beiden Seeufern.

      Plötzlich störte eine schrille Stimme diese Idylle: „Buongiorno, was kostet der schöne kleine Hund dort auf dem Kissen?“ Die Stimme gehörte einer schlanken platinblonden Frau, die trotz des schönen Wetters eine Pelzstola trug. Auf ihren hohen, bleistiftdünnen Absätzen stöckelte sie um den Tisch herum und berührte mit ihren langen, rot lackierten Fingernägeln Kailys Haarkleid. Kaily quietschte erschrocken auf und wich zurück, Olivia fletschte böse die Zähne, Mariella und ihre Eltern sahen die auffallende Person erstaunt an und Barny sprang hastig von Mariellas Schoß herunter. Grimmig knurrte er ein paar zweifarbige Schuhe an, in denen ein großer Mann mit fettigen Haaren, einer dunklen Spiegelglas-Sonnenbrille und einem Diamantring steckte. Auf dem Arm trug er einen kleinen weißen, traurig aussehenden Pudel. „Das sind die Leute aus der Protz-Limousine“, flüsterte Mariella ihrer Mutter ins Ohr. Rolf Graf erholte sich als Erster von dem überraschenden Auftritt der beiden und sagte: „Scusi, Signora, ich glaube, ich habe Sie nicht richtig verstanden.“ Hochnäsig blickte die Platinblonde auf Barny herab: „Kein Wunder, bei dem ungezogenen Geknurre. Ich fragte, was der kleine Hund dort kostet!“ Während sie sprach, versuchte sie, Kaily auf den Arm zu nehmen. Aber Lucie Graf, die sich jetzt auch gefasst hatte, war schneller und setzte Kaily auf ihren Schoß. „Es tut mir Leid, keiner unserer Hunde ist zu verkaufen! Außerdem möchte ich Sie bitten, die Tiere nicht anzufassen!“, sagte sie sehr bestimmt und warf der erschrockenen Mariella einen beruhigenden Blick zu. Doch die Frau aus der Limousine ließ nicht locker: „Ach, kommen Sie! Alles ist käuflich! Das ist nur eine Frage des Preises.“ Sie schnippte mit den Fingern. „Giovanni, das Scheckbuch!“ Während Giovanni Grasso, dessen fettige Haare seinem Namen alle Ehre machten, ein Scheckbuch aus der Innentasche seiner Chauffeurs-Uniform hervornestelte, griff sie in ihre Handtasche und zog ein dickes Bündel Geldscheine heraus. „Oder möchten Sie lieber cash? Wenn Sie wollen, zahle ich auch bar. Nennen Sie mir eine Summe.“ Ihre Stimme wurde immer eindringlicher. „Ich muss Ihren Hund haben! Es ist das schönste Exemplar auf der ganzen Ausstellung.“ Das war zuviel für Mariella. „Das sind unsere Lieblinge und meine besten Freunde. Das sind keine Exemplare!“, rief sie und drückte Olivia liebevoll an sich. „Papperlapp, sei nicht so vorlaut! Deine Eltern werden sich mein Angebot schon noch überlegen.“ Abermals schnippte die unangenehme Besucherin mit den Fingern: „Giovanni, meine Visitenkarte!“ Der Chauffeur beeilte sich, dem Befehl nachzukommen. „Unter dieser Nummer können Sie mich jederzeit erreichen. Mein Name ist Carlotta Dubiosa.“ Sie legte die Karte auf den Tisch und beugte sich zu Kaily hinunter, die sich auf Lucie Grafs Schoß zusammenrollte. „Wir sehen uns wieder, kleine Schönheit“, versprach sie. Dann blickte sie noch einmal hochmütig in die Runde und stöckelte so schnell von dannen, dass ihr Begleiter kaum Schritt halten konnte. Der kleine traurige Pudel auf Giovanni Grassos Arm blickte sehnsüchtig zur Familie Graf und ihren Vierbeinern zurück.

      Am Campingtisch der Grafs war es einen Moment lang mäuschenstill. Schließlich sagte Mariella mit leiser Stimme: „Ihr müsst mir versprechen, dass ihr Kaily nie, nie verkauft. Und Olivia und Barny auch nicht, ganz egal wie viel Geld ihr dafür