Joy Dakinisun

Finde Aurora


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Nevio und damit eine enorme Leidenschaft, eine Ekstase, eine Liebe zu seiner Aufgabe. Aber er wusste auch zu gut, dass er sich selbst dabei nicht vergessen durfte. So holte er sich zuerst Hilfe in seiner Familie. Er wollte seine gute Ernährung sicherstellen, seine Meditationsphasen nicht vernachlässigen und seinen Körper immer wieder bewusst wahrnehmen, sei es im Wellness oder mit einer schönen Massage oder mit seinen Lieblingssportarten. Und er wollte seine Freunde, besonders Soena und Miro, und den Spass mit ihnen nicht vergessen. So riss er jeden Monat auch für diese Dinge wahrlos Seiten aus seiner Agenda heraus. Wie schön, das Mr. M. Riklin ihm diese Idee ans Herz gelegt hatte. Er beschriftete diese mit seinen Wünschen und übertrug diese Daten in seine elektronische Agenda und hielt diese Tage auch strickt ein. Falls mal etwas doch sehr dringend sein sollte, würde er sich darum kümmern, dass in seinem Team Transparenz herrschte und er Entscheidungskompetenz abgeben konnte.

      Eines Morgens sass er bei Kaffee, Obst und duftenden Backwaren und beobachtete Tara und seine Kinder, Barbara, 11 Jahre alt und Savio, 13 Jahre alt. Er begann in Tagträumen und Erinnerungen zu schwelgen. Jeden Tag gab es eine Zeit, in der die Kinder ihn und Tara für eine Stunde allein liessen, so dass er sich mit ihr über seine Arbeit austauschen konnte. Am Wochenende gab es Zeit für einen Austausch, was Familie und Kinder betraf. Der Austausch mit Tara war ihm sehr wichtig und selbstverständlich, da er sie als ein Teil von sich selbst empfand. Sie brachte ihm immer wieder den Bereich der Gefühle, der Innenwelt nahe, welcher in seiner beruflichen Welt zu dieser Zeit doch so schnell wieder verloren ging. Ohne Tara hätte er niemals das Mysterium der Weiblichkeit in sich selbst entdeckt und damit die Männlichkeit, die Stärke, Disziplin und natürliche Macht und Autorität, die seine Aufgabe nun von ihm verlangte. Tara und Nevio hatten ein sehr intensives Vorleben, bis sie sich trafen. Nun wollten sie gemeinsam an bewusst gewählten Herausforderungen wachsen. So beobachtete er die Menschen in seiner Familie und es kam ihm eine Idee. Er begann mit einfachen Worten etwas, das ihn bewegte, am morgendlichen Frühstückstisch zu erzählen. Seine Frage war: „Wie gebe ich Menschen etwas Schönes, dass sie aber heute leider noch nicht wertschätzen können, weil es noch zu negativ behaftet ist, für Machtspiele missbraucht wird, ihnen deshalb Angst macht? Ich weiss aber, dass sie nach einiger Zeit vertrauen werden, wenn sie die ersten Schritte damit gemacht haben. Barbara sagte gleich, dass es in einer schönen Verpackung sein müsste. Savio dachte laut, wenn die Menschen ihre Machtspiele erfolgreich machen wollen, tarnen sie es immer in etwas scheinbar Gutes. Da draussen wollen immer alle, dass wir für das, was wir geschenkt bekommen, als Gegenleistung etwas tun. Savio meinte: “Wenn die das so gewohnt sind, dann tarne doch das, was Du gut meinst, was für die anderen noch bedrohlich scheint, auch in etwas Gutes und lass sie dafür etwas machen, was ihnen selbst gut tun würde?“ Und sie riefen einstimmig: „Papa, sprich nicht immer so kompliziert bitte. Wir verstehen es zwar, aber einfach geht es doch auch, oder?“

      Savio holte ein Comic von Calvin und Hobbes aus seinem Zimmer und gab es Nevio. Der Verfasser, Bill Watterson, hatte dazu geschrieben: „Ich habe ein kunstkritisches Buch gelesen, das ein einziger Schwall von politisch korrektem, akademischem New-Age-Jargon und Kunst-Slang war. Der Schreibstil ist mir derart auf die Nerven gegangen, dass ich die schlimmsten Kauderwelschpassagen zur etwaigen späteren Verwendung unterstrichen habe; ich habe ihn in mehreren Strips einfliessen lassen. Calvin erfasst natürlich rasch den Zweck einer solchen Schreibweise.

      Cavin:

      „Ich habe Aufsätze immer gehasst, aber jetzt schreib ich sie gern. Mir ist klar geworden, dass der eigentliche Sinn des Schreibens darin liegt, schwache Ideen aufzublähen, mangelnde Logik zu verschleiern und Klarheit zu verhindern. Mit ein bisschen Übung kann Schreiben zu einem einschüchternden und undurchdringlichen Dunst werden! Willst Du meinen Buchbericht sehen?“

      Hobbes: „Die Dynamik von Interexistenz und monologischen Imperativen in Hans und Lotte: Eine Studie zu psychisch-transrelationalen Geschlechter-Modi.“

      Calvin: „Akademische Welt, ich komme!“

      Nevio bekam den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zu. Er hatte schon so etwas geahnt. Das waren einfach andere Kinder. Es entsteht der Eindruck, als wären es schon kleine Erwachsene. Aber wo ist da schon der wirkliche Unterschied, solange wir das Kind, das Kindliche in uns erhalten. Er wusste, dass es viele Bücher über die Kinder der neuen Zeit gab, Indigo oder Kristall-Kinder, wie sie in spirituellen Kreisen genannt wurden. Mittlerweile gab es schon Bücher über Indigoerwachsene. Vieles, was dort geschrieben stand, konnte er im Zusammenhang mit seinen Kindern bestätigen. Dennoch sträubte Nevio sich etwas gegen diese Sprache in diesen Büchern. Sie waren einfach für „Otto Normal“ nicht verständlich geschrieben. Es war eine etwas abgehobene, langatmige, verblümte Sprache. So dachten Barbara und Savio wohl auch über seine eigene akademische Sprache. Nevio wünschte sich, dass es jemanden gab, der diese Sprache aus der geistigen Welt in klaren einfachen Sätzen wiedergab. Diese Bücher waren seiner Meinung nach leicht auf 1/3 der Seiten zu reduzieren. Das Buch über Indigo-Erwachsene hatte ihn fasziniert. Es war klar und einfach geschrieben. Doch hier hiess es wieder, was diese Erwachsenen-Typen auf Grund ihrer Andersartigkeit Alles zu lernen hätten im Leben. Nevio erkannte sich und Tara und viele seiner Freunde und Kinder in diesen Büchern wieder. War es denn wirklich neu, was hier geschrieben stand, oder war es einfach ein Wiedererkennen von Dingen, die auf unsere natürliche Evolution als Menschen hinwiesen?

      Tagebucheintragung Nevio: „Hört das denn nie auf? Gibt es denn nie eine Pause des immer wieder an sich arbeiten, lernen, sich entwickeln, dies erreichen, das erreichen, sowohl auf der irdischen, als auf der nicht greifbaren Ebene? Die Welt steht Kopf und in jedem Buch steht, was wir alle zu erledigen haben in unserem Leben, damit wir die Erleuchtung erlangen. Wie wäre es, wenn wir erst einmal die Voraussetzungen schaffen, im hier und jetzt einfach mal in Form eines bewussten, intensiven, genussvollen schönen Lebens zu profitieren? Das heisst, das Aussen muss der höchsten Bewusstseinsstufe, die Menschen heute erreicht haben, annähernd angepasst werden. Dann erst können wir alle in einer Art Gleichklang von Innen und Aussen weitergehen. Von mir aus können dann alle wieder Bücher lesen, die ihnen sagen, wo sie in den nächsten Jahren hinkommen werden.“ Nevio wollte einfach mal „Sein“ ermöglichen. „Momentan hatte das mittlerweile nicht mehr weg zu kontrollierende hohe Bewusstsein der Kinder keinen richtigen Platz in der Schulbildung. Sie lernen anders, sie leben anders, sie empfinden anders, sie passten nicht in dieses alte System und niemand von denen, die sich der neuen Zeit nicht wirklich öffnen wollen, versteht diese Kinder, geschweige denn werden sie von diesen Menschen gefördert. Sie wollen diese Kinder einfach schubladisieren, als nicht normal und hilfsbedürftig einstufen und eine Behandlungsform für sie finden, damit sie wieder normal werden. Dabei brauchen eher die anderen dringend Hilfe. Die wenigen Eltern, die ihre Kinder aus der öffentlichen Schule nehmen wollen und sie selbst unterrichten wollen oder die Kinder einfach in dem, was sie selbst wählen zu lernen unterstützen, werden von der jeweiligen Gemeinde verurteilt und erhalten teilweise sogar Anzeigen. Soviel wieder einmal zu Institutionen und Regierung, welche die Menschen eigentlich unterstützen sollten. Das ist eine verdammt grosse Herausforderung.“

      Für Nevio war klar, dass eine so hohe Spannung zwischen diesen unterschiedlich bewussten Menschen herrschte, das er keine Wahl hatte, als erst einmal etwas gänzlich Neues neben dem Alten entstehen zu lassen. Wie? Dazu kam, dass viele Eltern sich unter den Druck stellten, vor ihren Kindern Vorbildfunktion zu haben. Das ist ja eine ehrenwerte Einstellung. Jedoch setzten sie sich unter den Druck, gegenüber den Kindern mehr wissen zu müssen. Da geschah dann ab und zu mal eine Lüge, die da sagte: “ Jetzt nicht mit diesen Fragen - keine Zeit - später bitte.“ Nur um der Antwort, “Ich weiss es nicht“, schamhaft aus dem Weg zu gehen, als wäre es eine Schwäche. Kinder haben heute das Internet und Soena hatte ein Video gefunden, das einen kleinen Mann von ca.2 Jahren zeigte, der in seinem Kinderstuhl sass. Es gab etwas zu essen, er hatte seinen Teller vor sich stehen und er fragte seine Mutter, was das ist. Sie antwortete, dass es ein Fisch sei. Er wollte wissen, wo der Kopf sei. Es entstand eine Diskussion über Tiere. Er sagte, das sind alles Tiere und er möchte sie nicht essen. Sie sollen leben, Kühe, Schweine, Hühner, Fische. Seine Mutter hatte Tränen in den Augen vor Rührung und sagte, er müsse das nicht essen, er kann einfach die Kartoffeln und das Gemüse essen. Er schloss mit den Worten ab: „Ja, so mache ich es“. Das sind die Kinder von heute. Sie bringen schon viel mehr Weisheit mit auf die Welt. Eltern können also sehr von ihnen lernen, ohne dabei