Michael Schenk

Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak


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machen.

      Der Boden bebte und schien sich aufzuwölben. Die Leiber der Männer wurden angehoben und wieder zu Boden geschmettert. Heißer Wind brauste über sie hinweg. Als der Ältere auf den Rücken geworfen wurde, sah er ein Hornvieh und den Teil einer Hauswand, die über ihm durch die Luft wirbelten. Er rollte sich auf den Bauch, krallte die Hände in den Boden und bat die Götter um Gnade.

      Ob sich ihm das Wohlwollen der Götter zuneigte oder es die schlichte Tatsache war, dass sich die Einschlagstelle jenseits des Hügels befand, ließ sich nicht ergründen. In jedem Fall überlebten beide Gehilfen, und während der jüngere Bruder noch immer die Grasbüschel umklammerte, richtete sich der Ältere auf und sah sich mit schreckgeweiteten Augen um.

      In der Senke der Nordweide glommen ein paar Grasbüschel, und er sah größere und kleinere Trümmer, die offensichtlich von den Gebäuden des Hofes stammten. In einiger Entfernung lag der reglose Kadaver des Hornviehs, welches zuvor über die Kuppe geflogen war.

      „Komm.“ Er packte den Bruder an der Schulter und rüttelte ihn. „Wir müssen nachsehen, was geschehen ist.“

      „Der Zorn der Götter“, stammelte der Jüngere. „Bei allen Abgründen der Finsternis, ein bösartiger Fluch hat uns getroffen. Wir sind des Todes. Des Todes, sage ich dir.“

      „Unsinn, wir leben noch“, stellte der Ältere fest und zerrte den Bruder auf die Füße. „Was es auch war, es hat uns verschont.“

      Sie taumelten den Hang des Hügels hinauf, auf dem der bescheidene Hof stand oder vielmehr gestanden hatte. Als sie sich der Kuppe näherten, wurde offensichtlich, dass sie wohl nur durch ein Wunder überlebt hatten.

      „Oh ihr Finsteren Abgründe“, ächzte der Jüngere und sank auf die Knie.

      Die drei Gebäude waren von großer Wucht getroffen worden. Keines von ihnen stand noch, von einigen wenigen Pfosten und Balken abgesehen. Überall lagen Trümmer und Teile der Einrichtungen sowie die Überreste der Habseligkeiten ihrer Bewohner. Rauch und Flammen erhoben sich gen Himmel, und der Ältere rannte instinktiv zu dem Ziehbrunnen hinüber, dessen gemauerte Einfassung das Debakel nahezu unbeschädigt überstanden hatte. Das hölzerne Schutzdach und die Winde waren verschwunden, aber neben dem Brunnen lag ein unversehrter Eimer.

      „Komm schon, verdammt, hilf mir endlich“, knurrte der Ältere. „Es brennt, und wir müssen löschen.“

      Der Jüngere sah ihn benommen an und ging dann an ihm vorbei zur anderen Seite des Hügels, die nach Süden wies. Der Ältere seufzte und ließ den Eimer stehen. Die meisten der Flammen fielen ohnehin schon wieder in sich zusammen.

      „Hemrenus“, murmelte der Jüngere. „Wo ist er?“

      Die Senke der südlichen Weide hatte sich auf dramatische Weise verändert.

      In ihrer Mitte war ein Krater zu sehen, kaum zwei Längen tief, aber wohl zwanzig im Durchmesser. Ein flacher Kegel, der sich in den Boden bohrte. Sein vorheriger Inhalt war herausgeschleudert worden und lag über die Weide verteilt. Vom Krater liefen Feuerspuren zu allen Seiten, doch auch hier erloschen die meisten Flammen bereits. Fettiger Qualm stieg auf und trieb mit dem Wind davon. Ein paar Stücke Hornvieh hatten überlebt und schrien in Schreck und Schmerz, denn ihre Leiber wiesen tiefe Wunden und Verbrennungen auf. Die meisten Tiere lagen tot auf dem Gras, und manche von ihnen schienen äußerlich vollkommen unversehrt.

      „Wo ist Hemrenus?“, fragte der Jüngere erneut. Er stand oben auf dem Hügel und scheute sichtlich davor zurück, sich dem Ort des Schreckens zu nähern. „Ihr Götter, was ist hier geschehen?“

      „Ich weiß es nicht.“ Der Ältere leckte sich über die Lippen. „Und ich weiß nicht, ob die Götter es wissen. Aber das dort vorne scheint Hemrenus zu sein. Und das dort, das gehört wohl auch zu ihm.“

      Der Jüngere folgte dem Älteren den Hügel hinab. Wahrscheinlich hatte er einfach Angst, alleine zurückzubleiben, und so gingen sie langsam über die Weide, die auf so furchtbare Weise verändert war. Das verzweifelte Schreien der verletzten Tiere drang an ihre Ohren.

      „Wir können froh sein, dass wir noch nicht Hochsommer haben“, brummte der Ältere. „Jetzt ist das Frühlingsgras noch saftig und brennt nur schlecht.“

      „Wie kannst du jetzt nur von Gras reden?“, ächzte der andere. „Denk an das arme Hornvieh und den armen Herrn Hemrenus.“

      „Der hat es hinter sich“, stellte der Ältere ohne großes Mitgefühl fest. „Aber du hast recht, wir können das arme Vieh nicht so leiden lassen. Wir müssen eine Axt suchen, damit wir es erlösen können.“ Er spuckte aus. „Wenigstens sind wir nicht vom Feuer bedroht, aber Arbeit und Unterkunft sind wir wohl los.“

      „Die Finsternis hat sich auf unser Land gesenkt. Ein böser Fluch hat uns getroffen.“

      „Die Sonne scheint und das bisschen Rauch wird den Himmel nicht verdunkeln.“ Der Ältere spuckte erneut aus. „Ich hoffe, dass man ihn im Dorf sieht und ein paar Leute kommen, um zu helfen.“

      „Denkst du denn gar nicht an den armen Herrn Hemrenus?“

      „Den Beutelklammerer plage keine Sorgen mehr, uns hingegen schon“, knurrte der Ältere. „Der hat sich immer nur um die Zahl der goldenen Schüsselchen in seinem Beutel gesorgt und sich kaum um uns gekümmert.“ Er strich sich über das Kinn. „Wir sollten nach seinem Beutel suchen.“

      „Du willst den toten Herrn berauben?“

      „Er braucht keine goldenen Schüsselchen mehr. Wir schon.“ Der ältere Gehilfe packte den anderen an den Schultern und drehte ihn herum, sodass er den Hügel hinaufsah. „Unser Heim ist weg, so armselig es auch war, und der gute Herr Hemrenus schuldet uns ohnehin noch etwas Lohn. Er wird ihn uns wohl kaum selbst aushändigen können, und so müssen wir nehmen, was uns zusteht.“ Er leckte sich erneut über die Lippen. „Und für die restlichen Schüsselchen hat er auch keine Verwendung mehr. Für uns sind sie hingegen von Nutzen.“

      Sie hörten metallisches Klirren und den Hufschlag von Pferden jenseits des Hügels.

      Auf der Kuppe erschienen Reiter.

      Es waren sieben Männer, welche die Vollrüstung der Gardekavallerie des Reiches trugen. Der Wind bewegte die einzelne gelbe Feder, die über jedem der Helme aufragte. Einer der Reiter trug einen kurzen grauen Schulterumhang und zwei Federn am Kopfschutz, er war unzweifelhaft der Anführer der Schar.

      Die beiden Gehilfen warteten, während die Streife den Hang heruntertrabte. Die Betroffenheit in den Gesichtern der Soldaten war deutlich zu erkennen, als sie sich umsahen. Der Anführer ließ den Blick ebenso aufmerksam schweifen, stützte dann die Hände auf den Sattelknauf und musterte die beiden Brüder. „Seid ihr verletzt, ihr guten Herren?“

      „Wir hatten Glück“, erwiderte der Ältere.

      „Der Fluch der Finsternis hat uns verschont“, fügte der Jüngere hastig hinzu. Der Anblick der Gardisten beunruhigte ihn. Vor allem nach den Worten, die sein Bruder gesprochen hatte. Ob die Soldaten von der Absicht gehört hatten, den toten Hemrenus zu berauben? Wohl kaum, sie waren zu weit entfernt gewesen.

      „Ich bin Hauptmann ta Gelmart und führe diese Streife aus Nerianet“, erklärte der Scharführer. Erneut schweifte sein Blick über die Südweide und glitt dann zum Hügel zurück. „Wir sahen den Feuerball am Himmel und hörten den Donner, mit dem er sich hier in die Erde grub. Wir sind so schnell gekommen, wie es uns möglich war.“

      „Ein mächtiger Zauberer muss ihn auf uns geworfen haben“, versicherte der jüngere Gehilfe.

      Der Offizier strich sich über den sorgfältig gestutzten Oberlippenbart, der bei der Garde so beliebt war, und schüttelte dann nachdenklich den Kopf. „Nun, guter Herr, ich denke nicht, dass dies von einem mächtigen Zauberer verursacht wurde. Warum sollte ein solches Wesen seine Magie ausgerechnet auf euren Hof richten?“

      „Der Hauptmann hat recht“, stimmte der Ältere zu und sah seinen Bruder scharf an. „Hör auf mit deinem Gerede von einem Zauberer oder einem Fluch.