Michael Schenk

Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak


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Feuerball.“

      Dem Argument mochte sich keiner verschließen. Die Blicke der Gardisten glitten zu dem Einschlagskrater und verrieten ihr wachsendes Unbehagen. Der Offizier bemerkte dies und reckte sich im Sattel. „Vor vielen Jahreswenden ist schon einmal Feuer vom Himmel gefallen. Es geschah in der Nacht, und man konnte es in der Hafenstadt Gendaneris beobachten. Viele Flammenspuren, die über den Sternenhimmel zogen und dann im Meer versanken. Sie richteten keinen Schaden an.“

      „Dieser Feuerball hat Schaden angerichtet“, erwiderte der Ältere. „Er hat viel Hornvieh erschlagen.“

      „Und Hemrenus“, erinnerte der Jüngere.

      „Ja, den auch.“

      „Nun, ich vermag nicht zu sagen, was es war“, räumte der Hauptmann ein. „Aber ich weiß von Gelehrten aus der Hauptstadt Alneris, die den Himmel beobachten und gelegentlich von Feuerbällen berichten. Wie erwähnt, meist sind diese harmlos. Dass hier ein Feuerball das Land traf, war wohl ein ausgesprochen seltenes Unglück.“

      „Ein Fluch, sage ich Euch, guter Herr Hauptmann“, versicherte der Jüngere erneut.

      „Ein Feuerball fällt nicht ohne Grund aus dem Himmel“, ließ sich nun auch einer der Gardisten vernehmen, was ihm den scharfen Blick eines Unterführers eintrug.

      „Auf dem Ritt sahen wir einige Leute, die auf dem Weg hierher sind“, berichtete der Hauptmann. „Sie werden euch sicher helfen, den Herrn Hemrenus würdig zu bestatten, und euch beim Wiederaufbau des Hofes zur Hand gehen. Das verletzte Hornvieh werdet ihr wohl schlachten müssen. Das Fleisch könnt ihr verkaufen. Und neues Hornvieh, um die Zucht wiederaufzubauen, findet sich in dieser Gegend ja reichlich.“

      Die beiden Gehilfen sahen sich überrascht an. Von dieser Warte hatten sie das Ereignis noch nicht betrachtet.

      „Den Hof wieder aufbauen?“, überlegte der Ältere und strich sich über das Kinn. „Wahrhaftig, das ist vielleicht keine so schlechte Idee.“

      „Also, ich finde sie nicht so gut“, bekannte der Jüngere. „Der Fluch …“

      „Wie ich schon sagte, für den Fluch eines Magiers ist ein einfacher Hof zu unwichtig“, knurrte der Hauptmann. „Nichts für ungut und nichts gegen eure werten Personen, ihr Herren, doch ein mächtiger Zauberer würde sich ein lohnenderes Ziel suchen, nicht wahr? Es war ein Unglück, ein Himmelsblitz. Und ihr wisst ja, wie es mit den Himmelsblitzen von Gewitterstürmen ist … Sie schlagen niemals zweimal an derselben Stelle ein.“

      „Das ist wahr“, räumte der Jüngere zögernd ein.

      „Nun, wir müssen unsere Streife fortsetzen.“ Der Hauptmann lächelte freundlich. „Aber die Leute aus dem Dorf werden bald hier sein und euch zur Seite stehen.“

      Der Offizier gab seinen Männern ein Zeichen, und die kleine Schar trabte an. Langsam entfernte sie sich und ließ zwei Brüder zurück, die eine heftige Diskussion begannen. Als die Streife außer Sichtweite war, schloss der Unterführer der Schar zu seinem Hauptmann auf.

      „Ist es eines dieser geheimnisvollen Himmelsereignisse, auf die wir achten sollen, Hauptmann?“

      Der Offizier leckte sich über die Lippen und warf unwillkürlich einen Blick in jene Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. „Ich fürchte das ist es, und es erfüllt mich mit äußerstem Unbehagen. In der letzten Jahreswende muss es schon einige solche Feuerbälle gegeben haben. Die Gelehrten in Alneris sind überzeugt, dass die meisten unentdeckt blieben, weil sie nicht beobachtet wurden und keinen Schaden anrichteten. Aber einige wurden bemerkt, und niemand weiß, was es damit auf sich hat. Jedenfalls gibt es einen ständigen Befehl des Gardekommandeurs ta Enderos, die Sichtung von Feuerbällen sofort an den König in Alneris zu melden.“

      „Was meint Ihr, Hauptmann, handelt es sich tatsächlich um einen Fluch oder einen mächtigen Zauber?“

      Der Offizier zuckte hilflos mit den gepanzerten Schultern. „Wer sollte ein Interesse daran habe, einen einfachen Hornviehhof mit Feuer zu bewerfen? Nein, Unterführer, ich vermag nicht zu sagen, welche Bedeutung dies hat. Aber ich werde das Ereignis nach unserer Rückkehr an den König in Alneris und Kommandant ta Enderos melden. Was auch immer der Ursprung des Himmelsfeuers sein mag, ich weiß nicht, was es bezweckt und wie man sich dagegen schützen kann.“

      Sie waren Soldaten der Gardekavallerie des Reiches Alnoa und hatte an der Schlacht um die Festung Nerianet teilgenommen. Sie fürchteten keinen Feind, dem sie mit der Klinge begegnen konnten, doch nun betrachteten sie den Himmel mit zunehmender Sorge.

      Kapitel 4

      Das Land des Pferdevolkes bestand, wie auch das Reich von Alnoa, aus weiten Ebenen und Waldgebieten. Ein fruchtbares Land, in dem es reichlich Nahrung und Lebensraum gab. Im Norden, Osten und Westen ragten mächtige Gebirge auf, welche die Grenzen schützten und nur an wenigen Stellen passierbar waren. Der Süden öffnete sich zum Reich Alnoa, mit dem man in Waffenbruderschaft stand. Das Land war in Marken unterteilt, die von ihren jeweiligen Pferdefürsten regiert wurden, aber dem König in Enderonas verpflichtet waren.

      Die Hochmark des Pferdevolkes war eine Besonderheit, denn sie lag inmitten des mächtigen Gebirgszuges des Noren-Brak und bestand aus einer Reihe von Tälern, die sich zur Zucht von Schafen und Hornvieh eigneten, obwohl der Bewuchs in den Seitentälern oft nur spärlich war. Doch dort, wo sich der Quellweiler erhob, entsprang der Fluss Eten, und entlang seines Wasserlaufes erblühte die Mark. Im Tal von Eternas, wo sich die gleichnamige Stadt und die Festung erhoben, hatte der Eten bereits das Ausmaß eines kleinen Flusses angenommen. Von hier strömte er, teilweise unterirdisch, immer weiter nach Norden, wo er schließlich ins Meer mündete. Auf seinem Weg lagen zwei der unterirdischen Kristallstädte des Zwergenvolkes, die Öde des untergegangenen Reiches von Rushaan und das tropische Land von Julinaash, dessen heiße Quellen das Überleben inmitten ewigen Eises ermöglichten.

      Seit einigen Jahren lenkte ein Mann die Geschicke der Hochmark, der sich schon oft im Kampf bewährt hatte und dem, zumindest gelegentlich, der Griff zum Schwert weit lieber war als der zur Feder. Die Führung einer Mark erforderte bei Weitem nicht nur, ihre Kämpfer in die Schlacht zu führen, sondern bestand vielmehr in der Kunst, über das Wohl ihrer Bewohner zu wachen und es zu bewahren. Die Versorgung der Bevölkerung musste gewährleistet sein, das gesundheitliche Wohl beachtet und der Handel gelenkt werden, der den Wohlstand brachte. Eine Aufgabe, bei der es zwischen den Interessen vieler Gruppen abzuwägen galt und bei der ein Pferdefürst Fingerspitzengefühl aufweisen musste. Aufgaben, die zudem mit viel Schreibarbeit verbunden waren. Obwohl Nedeam zu jenen gehörte, die sich darauf verstanden, die Zeichen der Schrift zu setzen und auch zu deuten, gehörte der Umgang mit Feder und Schreibflüssigkeit nicht zu jenen Dingen, die er besonders schätzte.

      Nedeam war als Sohn eines Schafzüchters aufgewachsen und hatte das einfache und raue Leben jener Menschen kennengelernt, die das Rückgrat des Pferdevolkes bildeten. Sein Vater war ein Pferdelord gewesen und hatte den grünen Umhang der Kämpfer in Ehren gehalten. Das Pferdevolk unterhielt kein stehendes Heer, wie dies im Reich von Alnoa üblich war. Zwar standen bei den jeweiligen Pferdefürsten einige Beritte von gut ausgebildeten und ausgerüsteten Kämpfern bereit, die sogenannten Schwertmänner, doch ihre Zahl reichte nicht aus, große Schlachten zu schlagen. Die Aufgabe dieser Kämpfer bestand darin, die Grenzen und Marken zu bestreifen, Schutz vor Raubgesindel und gefährlichen Tieren zu gewähren, und die Grenzfesten zu bemannen. Die wahre Kampfkraft des Pferdevolkes basierte hingegen auf seinen freiwilligen Kriegern. Bestand Gefahr, so gab der Pferdefürst die Losung, und die dem Eid verpflichteten Männer der Gehöfte, Weiler und Städte legten den grünen Umhang der Pferdelords an. Sie nahmen Rundschild und Waffe, um sich unter dem Banner ihres Oberherrn zu sammeln. Die Pferdelords waren Freiwillige, und keiner von ihnen nahm es einem Mann übel, wenn er den grünen Umhang nicht tragen und den Eid der Pferdelords nicht ablegen wollte. Sie wussten genau, dass sie ihr Heim verließen, wenn sie in die Schlacht ritten, und dass die Zurückbleibenden, ob Mann oder Frau, dieses verteidigen mussten, wenn der Feind in die Marken vordrang.

      Nedeam stieß