Ilona Hoffmann

Urlaub mit Herz und Handschellen


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Gesicht.

      „Na, alter Junge. Wie geht’s dir denn so?“ begrüßte Marco seinen Bruder und schlug ihm freundschaftlich auf die Schultern, während er an Tobias vorbei ins Wohnzimmer schlenderte und sich in einen Sessel fallen ließ.

      Mit gerunzelter Stirn folgte sein Bruder ihm.

      „Diese verdammte Buchführung macht mich noch ganz fertig.“ stöhnte er und

      setzte sich wieder an seinen Schreibtisch.

      Er lehnte sich zurück und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar.

      „Ich werde dich erlösen und schlag dir eine Spritztour zum Wannsee vor. Und wenn wir zurückkommen helfe ich dir bei deiner Schreibarbeit. Bist du dabei?“

      Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken willigte Tobias ein. Kurze Zeit später heulten die Motoren der beiden schweren BMW Maschinen auf und beide lenkten ihre Motorräder auf die Straße stadtauswärts.

      4

      Seit zwei Tagen regnete es fast ununterbrochen. Der April war recht kühl gewesen doch jetzt Anfang Mai erhielt endlich die Sonne die Oberhand. An ihrem Geburtstag letztes Wochenende waren Sylvie und Lea schon früh mit dem Motorrad zu einer Spritztour aufgebrochen. Es war einfach herrlich bei strahlendem Sonnenschein, blühenden Apfelbäume am Straßenrand, und im Schatten des ersten zarten Grüns, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Abends hatte Sylvie sie in ein exquisites Fischrestaurant eingeladen und beide schlemmten sich stundenlang durch die Speisekarte. Zu später Stunde rundeten sie den herrlich Tag noch bei Lea mit einem guten Tropfen Wein ab. Die Nacht war mild und beide hatten bis spät in der Nacht gelacht und über Gott und die Welt philosophiert. Wie jedes Jahr färbte das neue Beginnen von Leben ein wenig auf Lea ab. So oft Ihre Arbeit es zuließ, fuhr oder lief sie stundenlang durch die erwachende Natur.Eines Abends stand sie völlig durchnässt vor der Haustür und konnte ihren Hausschlüssel nicht finden.

      Obwohl es nicht ihre Art war, fluchte sie nun laut vor sich hin.

      „Verdammt noch mal, wie kann man nur den Schlüssel vergessen.“

      Wieder einmal war sie sich Ihrer Schwäche bewusst, wie schusselig sie doch war. Es half nichts, der Schlüssel war nicht da. Kleine Regenbäche liefen über ihr Haar und langsam den Rücken herunter. Sie war spazieren gewesen und hatte natürlich auch keinen Regenschirm dabei. Sie hätte Sylvie anrufen können, doch warum sollte ihr Freundin immer für ihre Schusseligkeit hinhalten? Nein, diesmal musste sie da alleine durch, irgendwo hatte sie doch einen Ersatzschlüssel hinterlegt. Aber wo? Angestrengt überlegte sie, während der Regen unaufhörlich auf sie niederprasselte. Erst mal ins Trockene, war ihre nächste Überlegung. Langsam wurde es dunkel. Geduckt lief sie rüber zur alten Scheune, in der sie allerlei kaum gebrauchte Dinge untergestellt hatte. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, schrie sie laut auf. Mit einigen geschmeidigen Sprüngen landete Shiva direkt vor ihren Füssen. Sie beachtete Leas unschöne Verwünschungen überhaupt nicht und strich miauend um ihre Beine. Vom Vorbesitzer waren noch einige Ballen Heu übrig geblieben. Nachdem Lea die nassen Kleider ausgezogen und gegen ihre alte Gartenkleidung getauscht hatte, setzte sie sich frustriert auf einen Ballen Heu. Auf einem Querbalken lag ein Kofferradio und ihre schlechte Laune ließ

      etwas nach, nachdem eine beruhigende Musik erklang. Shiva sprang auf ihren Schoß und Lea kraulte gedankenverloren ihr Fell. Neben ihr lagen noch die Reste einer alten Zeitung, in der sie vor einigen Tagen junge Veilchen für ihre Freundin eingepackt hatte. Plötzlich hatte sie eine Idee. Eine Annonce, jawohl, sie würde eine Anzeige aufgeben. „Für eine abenteuerliche Reise durch Deutschland in einem Wohnmobil suche ich einen aufgeschlossenen, unverheirateten, gebildeten Herrn zwischen 30 – 35 Jahren. Bedingung: Selbstversorger, kein Schnarcher. Dauer der Reise: ca. 4 – 5 Wochen. Interessiert? Dann sende eine E-Mail an: Lea web.de Sie lehnte sich zurück und fingerte eine Zigarette aus ihrer Etui, zündete sie an und blies den Rauch gedankenverloren nach oben. Natürlich würde man sich erst mal kennen lernen müssen, immerhin waren ja noch einige Wochen Zeit bis zum Reisebeginn. Mit einem Ruck sprang sie auf und Shiva rutschte missmutig von ihrem Schoss. Im gleichen Moment fiel ihr auch wieder ein, wo sie ihren Ersatzschlüssel hatte. Sie fingerte ihn hinter einem losen Stein in der Scheunenwand hervor, lief rüber zum Haus, schloss die Haustür auf und ließ sofort heißes Badewasser ein. Im Schein der Kerzen, die sie im Bad aufgestellt hatte und der nostalgischen Musik nahmen ihre Pläne konkrete Züge an. Sie nippte an einem schweren Rotwein und schloss träge die Augen.

      Eine wohlige Wärme umschloss sie und immer tiefer tauchte sie in ihre abenteuerlichen und romantischen Fantasien ein.

      5

      Weiße Schäfchenwolken zogen ihre Bahnen über einen strahlend blauen Himmel. Trotz des herrlichen Wetters wehte ein starker Wind am Ammersee. Es war Mitte Mai. Tobias und Marco hatten sich zum Wochenende im Blockhaus verabredet. Ein Wochenende zum Abschalten. Mal raus aus der Hektik des Alltags. Morgens um sieben waren sie zum Joggen aufgebrochen und nun liefen sie die letzten hundert Meter den leichten Berg zum See hinunter.

      „Auf drei: Endspurt?“ fragte Tobias neben Marco und sah ihn von der Seite an. „Okay.“ lachte Marco.

      „Drei!“

      Tobias spurtete los.

      Doch Marco kannte seinen Bruder und blieb ihm dicht auf den Fersen. Mit einem kleinen Vorsprung gewann Marco. Tobias gönnte seinem Bruder den Sieg, denn schon lange hatte er ihn nicht mehr so unbeschwert erlebt.

      „Geh du zuerst duschen, ich setze inzwischen den Kaffee auf.“

      Tobias wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn und ging in Richtung Küche. Die Blockhütte war einfach, aber geschmackvoll eingerichtet. Der untere Raum teilte sich in Wohnzimmer und Büro. Neben dem Büro befand sich die Küche und das Bad. Über eine steile Treppe gelangte man in den ersten Stock. Dort befanden sich zwei Schlafzimmer, eine Gästetoilette und eine kleine Bibliothek, das auch als Musikzimmer genutzt werden konnte.

      Durch die Balkontür hatte man einen herrlichen Blick auf den See und jetzt im Sommer konnte man herrlich auf der Terrasse grillen und zu später Stunde noch ein Glas Wein genießen. Von der Terrasse waren es nur fünfzig Meter zum Bootssteg, wo Tobias kleines Segelboot verträumt vor sich hinschaukelte. Etwas abseits lag das Bootshaus. Die Kaffeemaschine verrichtete monoton ihre Arbeit. Nebenan hörte Tobias das Plätschern des Wassers. Er schaltete den Computer ein und starrte gespannt auf den Monitor. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Bis jetzt hatte er seinem Bruder noch nichts von sich und Lea erzählt.

      Heute wollte er es ihm mitteilen. Ob sie wohl seine letzte E – Mail beantwortet hatte? Wie ein Schuljunge, so aufgeregt war er.

      „Eine neue E-Mail“ las er.

      Seine Hände wurden feucht vor Aufregung. Doch bevor er die E-Mail öffnen konnte kam Marco aus dem Bad. Um seine Hüften hing lässig ein Badehandtuch. Auf seiner sonnengebräunten Haut glitzerten noch einige Wassertropfen.

      „Na, alter Junge hast dich doch noch mit deinem Computer angefreundet?“

      Marco schaute verwundert zu seinem Bruder. Er ging zur Kaffeemaschine und goss sich eine Tasse Kaffee ein.

      „Auch eine?“

      „Nein, später, ich brauch jetzt auch erst mal eine Dusche.“

      Tobias sprang vom Schreibtischstuhl auf und flüchtete regelrecht ins Bad. Verständnislos schaute Marco ihm hinterher und hätte sich beinah am heißen Kaffee verbrannt. Als Tobias aus dem Bad kam, saß Marco auf der Terrasse und schaute den Enten am Ufer zu. Sie hatten ihre Jungen dabei und laut quäkend watschelten sie hin und her. Am Himmel zogen Schwalben ihre Bahnen und die Luft roch nach frisch gemähtem Gras. Marco genoss diese Stille und den weiten Blick über den See. Das Handtuch hatte er gegen einen bequemen Jogginganzug getauscht. Der warme Wind zerrte an seinen Haaren und er freute sich schon auf den

      bevorstehenden