ein Haus miefte, das schon lange nicht mehr bewohnt war.
Laura sah sich um. Die Diele war groß, der Teppich von den Motten zerfressen.
Sie lief weiter zum Wohnzimmer, sah hinein. An der einen Wand stand eine alte Standuhr. Laura lächelte. Sie stellte sich vor, wie es gewesen sein musste, als die Uhr noch zu jeder Stunde ihren lauten Glockenschlag hatte ertönen lassen.
Sie lief die Treppe zum nächsten Stockwerk hoch. Wieder knarrten die Stufen unter ihren Schritten.
Eine Tür schlug laut zu. Laura erschrak. Sie verlangsamte ihren Schritt. Am Ende der Treppe angekommen, sah sie sich um. Am Flurende stand ein Fenster offen und kalter, eisiger Wind drang herein.
„Da haben wir den Grund fürs Türzuschlagen“, sagte sie erleichtert zu Vivaldi. „Wie konnte ich nur auf den Gedanken kommen, dass, außer uns beiden, hier noch jemand ist.“ Sie ging auf die Tür zu, die sich ihr am nächsten befand. Langsam öffnete sie sie. Feiner Geruch nach Wäschestärke erfüllte den Raum. Das Zimmer sah aus, als wäre es gerade gesäubert worden. Kein Staubkörnchen war zu sehen.
Auf einem kleinen runden Tisch lag ein aufgeschlagenes Buch. Laura lief darauf zu. Die aufgeschlagene Seite war handbeschrieben. Eine steile Schrift, die auf einen erfolgsorientierten Menschen schließen ließ, füllte die Seiten aus. Laura blätterte darin. Nirgends stand ein Name des Verfassers. Laura war sich nicht sicher, ob es sich bei dem Buch um ein Tagebuch oder ein handgeschriebenes Manuskript handelte. Kurzentschlossen steckte sie es in ihre Tasche. Sie war sich sicher, dass niemand das Buch jemals vermissen würde.
Danach verließ sie das Haus wieder. Auch dieses Mal sah sie nicht, wie im oberen Stockwerk, in dem Zimmer, in welchem das Buch gelegen hatte, sich die Gardine aufs Neue bewegte.
„Jetzt endlich bekomme ich die Möglichkeit …“, stöhnte eine geisterhafte Stimme, in der Erleichterung mitschwang.
Augen, die Laura nicht sah, und ihr dennoch erneut das Gefühl gaben, beobachtet zu werden, sahen ihr zu, wie sie davonlief, durch all die Straßen, bis hin zu ihrem Wagen. Beobachteten, wie sie das Buch in ihren Jeep legte, um gleich darauf mit ihm davonzufahren.
Augen, die so weit sehen konnten, sehr viel weiter als das menschliche Auge in der Lage war.
3 Schneegestöber
Der Sturm wurde heftiger und heftiger, und Laura wusste, nicht mehr lange und sie wäre gezwungen anzuhalten und eine Übernachtungsmöglichkeit für sich und Vivaldi zu suchen.
Als sie, trotz hochtourig kreisenden Scheibenwischern, kaum noch etwas sah, hielt sie am Straßenrand an. Sie stieg aus, hatte dabei allerdings große Mühe, die Tür zu öffnen. Schneeflocken trieben ihr in die Augen, fielen auf ihre Jacke. Suchend sah sie sich um. In der Mitte der Straße blinkte ein rotes Transparent, dessen Buchstaben zum Teil ausgefallen waren. Zusammen mit Vivaldi lief sie darauf zu. Sie öffnete kurz entschlossen die Tür und ging hinein.
Eine ältere Frau kam ihr entgegen. Als sie Laura sah, schlug sie die Hände zusammen. „Mein Gott, was treibt Sie denn hierher? Und“, sie schluckte, „diese Ähnlichkeit …“
„Wie bitte?“, fragte Laura und blickte verwundert zu der alten Frau hin.
„Nichts. Es ist nichts. Nehmen Sie es meiner Frau nicht übel. Sie glaubt immer wieder, Menschen zu sehen, die ihr vor langer Zeit einmal, begegnet sind.“ Der ältere Mann, der ebenfalls den Laden betreten hatte, legte der Frau den Arm um die Schultern. „Wahrscheinlich erinnern Sie sie an jemanden. Es ist ein Teil ihrer Krankheit. Unheilbar.“
„Oh. Das tut mir leid“, antwortete Laura.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, fragte er, während er nochmals zur Tür lief, sie öffnete und hinaussah. „Sie sollten nicht mehr allzu lange unterwegs sein; der Sturm wird immer heftiger. In den Nachrichten haben sie sogar schon davon gesprochen, dass es sein kann, dass heute Nacht der Strom ausfällt.“ Er sah sie mit betrübtem Blick an.
„Bloß nicht. So viele Kerzen habe ich gar nicht, wie ich dann bräuchte“, erschrak sich die alte Frau, und schaute sich, wie suchend, im Laden um.
„Deswegen bin ich hier. Ich muss für heute Nacht für mich und meinen Hund eine Übernachtungsmöglichkeit finden. Der Sturm ist in der letzten Stunde immer schlimmer geworden, der viele Schnee, so dass die Straßen schon fast nicht mehr passierbar sind.“ Laura streifte die Handschuhe ab, während sie fragend zu dem Mann hinblickte.
Stirnrunzelnd warf er nochmals einen Blick hinaus auf die Straße, sah den dahinfegenden Schneesturm, und nickte. „Ja, allerhöchste Eisenbahn, dass Sie von der Straße runterkommen.“ Sein Blick war auf sie gerichtet. „Nun, Zimmer habe ich keine. Seit meine Frau krank ist, seit der Zeit vermieten wir nicht mehr. Das Einzige, was ich Ihnen anbieten kann, ist das einsame Haus am Villageende. Nur, ich sage Ihnen gleich, es ist lange nicht mehr bewohnt worden, von daher, Sie müssten bestimmt erst einmal sauber machen, lüften und all das.“
„Das stört mich nicht weiter. Verfügt das Haus auch über Strom?“
„Es verfügt über alles, was man braucht.“ Er ging und holte den Schlüssel für das Haus. … und über vieles mehr, dachte er, und betrachtete Laura dabei nachdenklich.
„Was soll es kosten?“, erkundigte Laura sich.
Er winkte ab. „Machen Sie sich darüber vorerst keine Sorgen. Wichtig ist, dass Sie, während der Zeit dieses höllischen Schneetreibens, sicher unter sind.“
Er händigte Laura den Schlüssel aus, und Laura fuhr im Schritttempo, an die von ihm beschriebene Stelle. Dabei sah sie die bunten Lichter, die hinter einigen Fenstern brannten und Weihnachten ankündigten.
Sie parkte ihr Auto vor dem Haus, dessen Fassade sie kaum noch sehen konnte, dermaßen hatte der Schneesturm an Kraft zugenommen, geradeso, als wollte er, dass sie nicht weiter als bis zu diesem Haus gelangte.
Sie holte eilig ihren Koffer aus dem Wagen, und kämpfte, zusammen mit Vivaldi, gegen den Schneesturm an, um die wenigen Stufen zum Haus hochzugehen.
Entgegen den Vorwarnungen des alten Mannes, roch es in dem alten Haus weder abgestanden noch muffig. Eher so, als wäre jeden Tag jemand zum Lüften gekommen.
Lauras Finger suchten im Dunkeln nach dem Lichtschalter. Es flackerte kurz, gleich danach war die Diele in ein spärliches Licht gehüllt. Doch Laura reichte es, um etwas zu sehen.
Gemeinsam mit ihrem Husky ging sie durchs ganze Haus, machte überall Licht an, und sah sich um.
In der oberen Etage gab es ein Schlafzimmer; sie vermutete, dass es einst, als Gästezimmer genutzt worden war. Dennoch war es nichts weiter, als einfach nur eine Ahnung von ihr.
In diesem Zimmer wollte sie die Nacht verbringen. Morgen, bei Tage, würde sie sich dann endgültig für eins der Zimmer entscheiden.
Laura zog die Schultern zusammen. Ihr war kalt. Sie suchte die Tür zum Keller und entfachte das Kellerlicht. Anschließend stieg sie die Stufen hinunter, um auch noch die Heizung in Betrieb zu setzen.
Der Keller roch modrig, der Boden war wie von Ruß übersät. Doch Laura brauchte nicht lange, und sie fand, was sie suchte. Nach einigen Versuchen sprang der Heizkessel an. Er dröhnte und rumorte, als wollte er seiner neuerlichen Inbetriebnahme, widersprechen.
Laura verließ den Keller wieder, schloss die Kellertür hinter sich und suchte gleich darauf, die Küche auf. Sie öffnete den Kühlschrank, der ebenfalls wie frisch gesäubert roch. Wer immer hier als Letzter gewohnt haben mochte, es musste ein reinlicher Mensch gewesen sein, denn nichts wies auf ein länger leergestandenes Haus hin, eher so, als hätte der Bewohner das Haus gerade erst verlassen.
Sie nahm die Packung Eier und den Toast, die ihr der Ladenbesitzer mitgegeben hatte, suchte den Toaster in der Vorratskammer und buk für sich und Vivaldi Rühreier mit Speck auf Toast. Dazu trank sie Instantkaffee, den sie ebenfalls von dem alten Mann bekommen hatte.
Nach