Anna-Irene Spindler

Schwingen des Adlers


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      Anna-Irene Spindler

      Schwingen des Adlers

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       I.

       II.

       III.

       IV.

       V.

       VI.

       VII.

       VIII.

       IX.

       X.

       XI.

       XII.

       XIII.

       XIV.

       XV.

       XVI.

       XVII.

       XVIII.

       XIX.

       XX.

       XXI.

       XXII.

       XXIII.

       XXIV.

       XXV.

       XXVI.

       XXVII.

       XXVIII.

       XIX.

       Impressum neobooks

      I.

      Sophia blieb stehen und atmete tief durch. Sie war ein wenig außer Puste. Kondensierte Atemluft stieg aus ihrem Mund auf. Wie Wolken aus dem Schornstein einer alten Dampfeisenbahn. Neugierig folgten ihre Augen den weißen Wölkchen. Sie mischten sich mit den Schneeflocken und lösten sich dann auf. Schon seit Ewigkeiten hatte sie keinen so dichten Schneefall erlebt. Als sie durch den tiefen, weichen Neuschnee weiterstapfte, öffnete sie einer inneren Eingebung folgend den Mund, streckte die Zunge heraus und versuchte die dicksten Flocken zu fangen. So wie sie es als Kind immer getan hatte. Das kitzelte so herrlich und sie musste jedesmal kichern, wenn sie wieder eine erwischte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie albern sie sich benahm. Beinahe schuldbewusst sah sie sich um, ob sie keiner bei ihrem närrischen Treiben beobachtet hatte. Aber diese Sorge war wirklich vollkommen unbegründet. Soweit das Auge reichte war nirgends eine Menschenseele zu sehen. Sie war mutterseelenallein in dieser flauschigen, in Watte gepackten Welt. Sogar die Umrisse ihrer eigenen Fußspuren begannen schon wieder unter der weißen Pracht zu verschwinden. Zum Glück war der Wanderweg durch eingeschlagene Pfosten links und rechts gut markiert. Denn man konnte nicht mehr unterscheiden, wo der befestigte Weg aufhörte und die Wiese anfing. Der Schnee hatte alle Unebenheiten ausgeglichen. Es war wunderbar still und friedlich. Nur das Gluckern des Gebirgsbaches, der neben dem Wanderweg dahinplätscherte, war zu hören.

      Wieder blieb sie stehen. Das Wasser, das über die Steine plätscherte, faszinierte sie. An den Rändern des Baches hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet. Luftblasen wanderten unter dem Eis entlang. Manche waren kreisrund wie Seifenblasen. Andere wieder schief und verbeult wie die zerfließenden Uhren von Salvador Dali. Ihre Lebensdauer betrug nur wenige Augenblicke. Dann wurden sie von der Strömung unter dem Eis wieder weitergetragen und lösten sich im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auf.

      ‚Wie das Leben! Kaum bist du da, musst du schon wieder gehen!‘, ging es Sophia durch den Kopf.

      Da musste sie über sich selbst lachen. Was sollte dieser philosophische Quatsch? Sie war hier um Urlaub zu machen und nicht um schwermütigen Gedanken nachzuhängen. Die ersten längeren Ferien seit fünfzehn Jahren. Und es waren wundervolle Tage, die sie hier verbrachte. Ihr Blick schweifte zu den Bergen, die jetzt im dichten Schneefall nur schemenhaft zu erkennen waren.

      Es war die richtige Entscheidung gewesen hierher zu kommen und nicht, wie Katie es ihr geraten hatte, nach Tunesien zu fliegen.

      ‚Was willst du denn jetzt in dieser absolut toten Zeit in den Bergen? Die Wanderer und Moutainbiker sind schon fort und die Skifahrer noch nicht da. Du wirst dich zu Tode langweilen! In den Hotels in Tunesien ist immer was los. Die bieten rund um die Uhr Programm: Sport und Fitness, Abends Disco und Karaoke und am Nachmittag Bingo. Sei doch nicht so dumm!‘ Die Unkenrufe ihrer Tochter hallten Sophia noch immer in den Ohren.

      Aber die gruselige Vorstellung, ihre Abende mit unternehmungslustigen Rentnerehepaaren zu verbringen und sich jedesmal aufs Neue eine Entschuldigung ausdenken zu müssen, warum sie sich nicht auch auf die Bühne wagte und eine kleine Einlage zum Besten gäbe, hatte sie massiv abgeschreckt. Sie war auch nicht unbedingt der Typ, der sich gerne abends allein an die Bar setzte und genüßlich den Komplimenten trinkgeldheischender Barkeeper lauschte, die ihre Söhne sein könnten. Ja! Im Nachhinein war sie sehr froh, diesmal nicht auf ihre Tochter gehört zu haben. Die vergangenen zehn Tage waren großartig gewesen!

      Während der ersten Woche hatte die Sonne täglich von einem tief dunkelblauen Himmel gestrahlt, wie man ihn eigentlich nur von Postkarten kannte. Gleich am ersten Tag hatte sie sich eine Wanderkarte zugelegt und der Reihe nach jeden der bunt eingezeichneten Wege erkundet. Fest eingemummelt, wie anno dazumal Amundsen auf seinem Weg zum Südpol, zog sie jeden Tag los. Es lag zwar noch kein Schnee, aber es war so kalt, dass selbst mittags die Temperatur nicht über Null Grad anstieg. Das Strahlen und Glitzern der schneebedeckten Berge vor dem blauen Himmel war einfach überwältigend. Nachdem sie fünf, manchmal sogar sechs Stunden durch die Kälte