J.L. Stone

Sieben Schwestern - Wolfsbande


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ich es in die entsprechende Richtung.

      Seit wann konnte ich denn das?

      »Jürgen?« drang es da ganz leise durch meine aufgeregten Gedanken.

      Wie? Wo? Was?

      »Jürgen?«

      »Ja?« war ich bestrebt zu antworten, doch nur ein eigenartiges Zirpen entfleuchte meinem Mund, der sich zudem seltsam verformt anfühlte.

      Erschrocken hielt ich inne. Das war nie und nimmer meine Stimme.

      »Nur die Ruhe«, forderte mich die gleiche Stimme leise auf. »Du gewöhnst dich gleich daran.«

      An was sollte ich mich denn gewöhnen?

      Das half mir nun gar nicht. Es verwirrte mich eher noch mehr.

      »Er muss einen Schock erlitten haben, als er so unbedacht in unser Schutzfeld sprang«, mischte sich eine zweite Stimme ein.

      »Möglich«, meinte die Erste verhalten. »Aber nicht sehr wahrscheinlich. Ich glaube eher, dass er sich erst noch an seine neue Gestalt gewöhnen muss.«

      Von was redeten die denn da?

      Neue Gestalt?

      Oh, nein!, fuhr es mir durch den Kopf, als mir schlagartig wieder einiges einfiel.

      Nathalie und ihre Schwestern hatten doch wohl nicht schon wieder einen Zauber unter dem Schutzfeld gewirkt, um sich zu verwandeln?

      So langsam hatte ich die Schnauze gestrichen voll davon – obwohl, als Falke würde ich gerne nochmals so ungebunden durch die Lüfte sausen. Das hatte total Spaß gemacht.

      Da erst bemerkte ich, dass ich ganz schwach meine Umgebung wahrnehmen konnte. Dicht vor mir erkannte ich drei gedrungene Gestalten, die auf dem Boden kauerten. Mit ihren kleinen, schwarzen Knopfaugen fixierten sie mich gespannt.

      Verflixt und zugenäht!, schimpfte ich lautlos. Nicht schon wieder Mäuse!

      Das hatte mir schon beim ersten Mal nicht so besonders gefallen. Aber halt. Da konnte was nicht stimmen. Erstens waren ihre Ohren riesig. Zweitens war es um meine Sehfähigkeit nicht besonders gut bestellt und drittens hatte ich damals keine solch überlangen Finger.

      »Von was redet ihr da?« erkundigte ich mich vorsichtig.

      »Davon, dass es keine so gute Idee von dir war, sich so unüberlegt unserem Zauber auszusetzen. Durch die schon eingeleitete Verwandlung hast du, wie es scheint, einen Schock erlitten«, erklärte die zweite Stimme, in der ich Neve zu erkennen glaubte.

      »Tu so etwas nie, nie wieder!« herrschte mich da Nathalie aufgebracht an und schob sich ganz dich an mich heran, bis sich unsere Nasenspitzen fast berührten. »Du hättest dabei drauf gehen können.«

      Obwohl ich sie nicht sehr gut erkennen konnte, war ich mir sicher, dass sie mich bebend anstarrte – nicht wissend, ob sie mich küssen oder schlagen sollte. Doch es zeigte mir, dass sie mich trotz ihrer Enttäuschung noch immer mochte.

      »'tschuldigung«, murmelte ich zirpend.

      Was war nur mit meiner Stimme los?

      Als Maus hatten wir uns doch viel besser unterhalten können.

      Hatten sie etwa beim Zauber geschlampt?

      Das glaubte ich nun wirklich nicht.

      »Ist ja schon gut«, mischte sich Neve beruhigend ein. »Du konntest ja nicht wissen, wie gefährlich es ist, sich so unvermittelt einem beginnenden Zauber auszusetzen. Jetzt weißt du es.«

      »Bin ich etwa …?« hauchte ich erschrocken.

      »Nein, nein«, wehrte Nell ab. »Der Zauber hat auch bei dir genauso gut funktioniert wie bei uns. Du hast Glück gehabt. Er war noch nicht soweit fortgeschritten, als du das Feld durchdrungen hast.«

      »Puh!« stieß ich erleichtert hervor.

      Inzwischen konnte ich mehr erkennen. Daher nahm ich die drei Schwestern in dem vom Tor ausgehenden Leuchten etwas genauer in Augenschein. Dabei stellte ich fest, dass sie ihre spitzen Ohren unaufhörlich in alle Richtungen drehten, während sie mit der, mit gefährlich aussehenden Zähnen bestückten, spitzen Schnauze hohe Töne ausstießen.

      Vielleicht sollte ich das auch mal ausprobieren, obwohl ich meine Zweifel hegte, welchen Zweck das haben sollte. Noch etwas zögerlich öffnete ich die für mich noch ungewohnte Schnauze und stieß ebenfalls ein paar hohe Probetöne aus.

      Fast automatisch drehte ich daraufhin meine Ohren hin und her. Überrascht bemerkte ich fast sofort, wie ich damit deren Reflexionen auffing und sich in meinem Kopf daraus langsam ein wesentlich deutlicheres Bild formte.

      Es war sogar so gut, dass ich erkennen konnte, dass ihre kurzen Körper von einem dichten Flaum überzogen waren. An ihren schmalen Schultern ragten lange, dünne Gliedmaßen hervor, zwischen denen sich eine lederartige Membran spannte, mit denen sie sich zwischen den langen Grashalmen abstützten. So langsam dämmerte es mir.

      »Bin ich etwa auch …?«

      »Natürlich«, lachte Nell. »Was glaubst du denn? Wir sind alle Fledermäuse!«

      Das erinnerte mich daran, dass diese Tierchen sich ja mittels Ultraschall orientierten. Dann waren das eben auch derartige Laute gewesen, die ich ausgestoßen hatte. Unglaublich!

      Diese Fähigkeit versetzte die Fledermäuse in die Lage, sich bei absoluter Dunkelheit zurecht zu finden. Ich hoffte nur, dass dies auf einer instinktiven Basis erfolgte, denn ansonsten wüsste ich nicht, wie ich dies bewerkstelligen sollte.

      »Nachdem wir das endlich geklärt haben«, mischte sich Nathalie ungeduldig ein, »könnten wir dann vielleicht mal los? Die Nacht währt nicht ewig und wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«

      »Wo soll's denn hingehen?« konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen.

      »Das wirst du sehen, wenn wir dort sind«, versetzte Nathalie zischend und drehte sich weg.

      Sie war anscheinend immer noch sauer auf mich, trotz ihrer Fürsorge vorhin.

      In Ordnung. Damit konnte ich umgehen, solange sie mich nicht daran hinderte, sie zu begleiten. Von mir aus konnte sie ruhig noch eine Weile vor sich hin schmollen. Es war mir unterdessen egal.

      Irgendwann würde sie sich wieder beruhigen oder ein anderes Ziel für ihre Wut finden – das dann hoffentlich nicht schon wieder ich war.

      »Nur mit der Ruhe, Nathalie«, beschwichtigte Neve und stupste sie leicht mit einem Flügel an. »Wir sollten nichts überstürzen.«

      »Das sagst du so leicht«, maulte Nathalie. »Du musstest ja schließlich nicht dabei hilflos zusehen, wie eine nach der anderen von euch spurlos verschwand.«

      »Oh, Süße«, wisperte Neve und rückte noch dichter an ihre Schwester heran.

      »Ihr habt mich und Mom mit tausend Fragen zurück gelassen«, schniefte Nathalie weiter. »Wir waren voller Sorgen, ob wir euch jemals wiedersehen würden.«

      »Schon gut, Schwesterherz«, bemühte sich Neve sie zu trösten. »Lass jetzt bitte nicht den Kopf hängen. Wir werden die anderen schon noch finden und sie aus ihrem Gefängnis befreien. Da bin ich mir ganz sicher.«

      »Okay«, fiepte Nathalie leise.

      »Darauf kannst du Gift nehmen«, ließ sich Nell vernehmen. »Wir werden Serana so was von kräftig in die Suppe spuken.«

      »Okay«, wiederholte Nathalie und wischte sich mit einem Flügel verstohlen über die Augen.

      Am liebsten wäre ich zu ihr gekrochen und hätte sie mit meinen Flügeln eng umschlungen, um sie zu trösten. Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, zeigte sie eine Schwäche. Sie musste sich in den letzten Wochen ziemlich einsam gefühlt haben als eine Schwester nach der anderen sich in Luft auflöste.

      Doch ich hielt mich zurück, da ich mir nicht sicher war, wie sie auf eine solche Annäherung reagieren würde. Ich bezweifelte,