J.L. Stone

Sieben Schwestern - Wolfsbande


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Knall. Vor Schreck hätte ich fast losgelassen und wäre in die Tiefe gestürzt. Im letzten Moment gelang es mir, mich zu halten.

      Erst danach erkannte ich, dass sich die Geräusche jetzt rasch von mir entfernten. Trotz meiner Erleichterung hielt ich weiter still, bis ich ein enttäuschtes Krächzen hörte, mit dem der Raubvogel seine Kapitulation signalisierte.

      Puuuh!, schoss es mir befreit durch den Kopf.

      Das war knapp gewesen.

      Trotzdem wagte es ich noch nicht, mein Versteck zu verlassen und sofort aufzubrechen. Zwar drängte es mich danach, nach meinen Begleiterinnen zu suchen, doch ich traute dem Ganzen nicht so richtig. Schwach glaubte ich mich daran zu erinnern, irgendwo gelesen zu haben, dass sich diese Raubvögel meistens noch für eine Weile gerne in der Nähe ihrer Opfer auf die Lauer legten und auf eine Regung von diesem warteten, um erneut zuzuschlagen.

      Ich hatte absolut nicht die Absicht, mich nochmals in Gefahr zu begeben und eine solche Jagd durchzustehen. Das könnte ich nicht noch einmal durchstehen – und um ehrlich zu sein, mir war auch die Lust darauf vergangen. Daher beschloss ich, noch einige Minuten am Stamm zu verharren, mich etwas von der Hatz zu erholen und erst dann den Versuch zu wagen, den Schutz der Sträucher zu verlassen.

      Doch mit der Zeit wurde ich immer unruhiger, da ich unbedingt wissen wollte, wie es Nathalie und ihren Schwestern ergangen war. Zudem würde es immer schwieriger werden, sie zu finden, je länger ich wartete.

      Gerade als ich mich dazu entschloss, das Wagnis einzugehen, erfasste mich ein unheimliches Gefühl, das mich weiterhin am Stamm verweilen ließ. Irgendetwas mit einer extrem bedrohlichen Ausstrahlung war soeben in die Buschgruppe eingedrungen und schlich darin umher.

      Verdammt! Kaum war ich den einen Jäger los, folgte ihm der Nächste auf dem Fuße. Das Empfinden einer tödlichen Gefahr wurde so intensiv, dass es mir fast die Luft abschnürte und mein kleines Herz schmerzhaft verkrampfen ließ.

      Der Nachtjäger konnte es definitiv nicht mehr sein, denn bei ihm hatte ich keine derartige Empathie verspürt. Somit musste sich etwas Neues an meine Fersen geheftet haben.

      Könnten es vielleicht Kampfgeister sein?

      Doch das konnte ich nach kurzer Überlegung ausschließen.

      Nur, was konnte es sonst sein?

      Kein Gedankenblitz erhellte meinen angsterfüllten Geist. Daher musste ich notgedrungen warten, bis sich der neue Gegner irgendwo zeigte.

      Um jeder möglichen Gefahr von vornherein aus dem Weg zu gehen, blieb mir nichts anderes übrig, als weiter regungslos auszuharren. Instinktiv drückte ich mich noch enger an die raue Rinde und wagte noch nicht einmal mehr, den kleinen Zeh zu bewegen. So konnte ich nur mit meinen empfindlichen Ohren in die Schwärze lauschen und hoffen, dass ich mit heiler Haut davon kam.

      Zudem hoffte ich inständig, dass es nicht zu einem Kampf kam, da ich mich von der langen Jagd noch ziemlich ausgepowert fühlte. Dennoch versuchte ich, mich auch auf diese Eventualität vorzubereiten, indem ich bemüht war, meine Wut anzufachen, sie in meinem Bauch zu sammeln und mir den Spruch immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.

      Dann war es soweit.

      Das unheimliche Wesen kam stetig näher. Das bedrohliche Gefühl steigerte sich immer mehr und drohte mich zu lähmen.

      Was oder wer verbreitete solch eine verstörende Aura?

      Bis jetzt war ich noch keiner derartigen Ausstrahlung begegnet. Daran hätte ich mich erinnert. Vielleicht habe ich sie aber auch nur nicht wahrgenommen.

      Egal, das hatte Zeit bis später, denn in diesem Moment erhaschte ich eine flüchtige Bewegung unter mir. Ein großer, länglicher Schatten schob sich dicht am Boden hinter dem Stamm auf die freie Fläche vor und erstarrte.

      Was es genau war, konnte ich jedoch beim besten Willen nicht ausmachen. Dafür war es einfach zu dunkel und mit meinem Sehvermögen stand es auch nicht zum Besten. Da hätte ich schon einen Laut von mir geben müssen, um dieses wettzumachen.

      Jetzt aber kam es darauf an, ob mich die Kreatur entdeckte und ich mich zum Kampf stellen musste oder nicht. Angespannt verfolgte ich, wie der längliche Schatten unter mir langsam vorbei glitt und war bestrebt, weiterhin in der kohlrabenschwarzen Finsternis etwas zu erkennen. Es wäre schon gut gewesen zu wissen, mit was ich es zu tun bekommen könnte.

      Es wurde eine kaum auszuhaltende Geduldsprobe. Im Schneckentempo, als hätte sie alle Zeit der Welt, schob sich die Gestalt durch die Schwärze. Die ganze Zeit über zwang ich mich dazu, reglos abzuwarten, wobei mir mein ruheloses Gehirn die wildesten Fantasien vorgaukelte.

      Mein Herz pochte so laut in meinen Ohren, dass ich glaubte, es müsse in einem weiten Umkreis zu hören sein. Zum Glück war das nur Einbildung, denn der Jäger zeigte mit keiner Regung, dass er etwas bemerkt hatte. Noch immer konnte ich mir keinen Reim auf den verschwommenen Schatten machen. Da hätte ich schon viel näher dran sein müssen.

      Es schienen Ewigkeiten zu vergehen, bis er mein Versteck komplett passiert hatte und mit dem dichten Gewirr des Nachbarbusches verschmolz. Da erst erlaubte ich mir, leise Hoffnung zu schöpfen. Das intensive Gefühl der Bedrohung in meinem Bauch ließ mit jeder Sekunde nach, die verstrich.

      Daher beschloss ich, noch ein paar Minuten länger zu verweilen, ehe ich mich auf die Suche nach Nathalie und ihren Schwestern machte. Die fragten sich bestimmt schon, wo ich steckte oder ob mich der Raubvogel doch noch erwischt hatte.

      Ich hoffte nur, dass sie sich irgendwo in der Nähe aufhielten. Ansonsten hatte ich verdammt schlechte Karten, sie zu finden, zumal ich ja auch keine Ahnung davon hatte, wo ihr Ziel lag.

      Nachdem nach meinem Gefühl genügend Zeit verstrichen war und ich lange genug Toter Mann gespielt hatte, machte ich mich bereit, mein Versteck zu verlassen. Das dachte ich wenigstens.

      Denn kaum hatte ich den Halt meiner Schwingen etwas gelockert, da schlug das bedrohliche Gefühl mit einer solchen Wucht über mir zusammen, dass ich erschrocken zusammenzuckte und fast den Halt verloren hätte. Panik machte sich in mir breit, als ich den heran rasenden Schatten bemerkte, der unter den Büschen hervor schoss.

      Unwillkürlich stieß ich einen spitzen Laut aus und die Echos enthüllten eine riesige, kräftige Echse, die mit mächtigen Sprüngen näher kam und zu einem gewaltigen Satz ansetzte. Im letzten Moment gelang es mir, die lähmende Starre abzuschütteln, die mich erfasst hatte und mich mit einem befreienden Schrei auf sie zu stürzen.

      »Abrakadabra! Simsalabim! Dreimal schwarzer Kater – und alles ist hin!«

      Sofort wurde die Echse von dem Energieschleier umhüllt. Grell loderte eine Feuerlohe auf, die mir sogar leicht das Fell versengte, als ich daran vorbei sauste. Dann ertönte ein gewaltiges Donnern hinter mir. Blattfetzen und kleine Bruchstücke von Zweigen regneten auf mich herab, als die Explosion die Sträucher um mich herum zerfetzte.

      Nur mit größter Mühe konnte ich verhindern, dass ich von den größeren Brocken getroffen und zu Boden geschleudert wurde. Mit solch einem Ergebnis hatte ich nicht gerechnet. Aber ich hatte erreicht, was ich wollte.

      Denn das Wesen in Echsengestalt konnte sich nicht weiter mit mir beschäftigen. Es hatte genug mit sich selbst zu tun. Kreischend jagte es durch das Unterholz davon und hinterließ eine feurige Spur.

      Erleichtert flatterte ich jubelnd um den Explosionsherd herum und stieß immer wieder freudige Schreie des Triumphs aus. Ich hatte es unleugbar geschafft – entgegen aller Erwartung.

      Dank meiner spontanen Aktion war es mir gelungen, meinen Verfolger, wer immer es auch gewesen war, in die Flucht zu schlagen. Andererseits hatte es auch zur Folge, dass immer mehr vom Gebüsch in Flammen aufging. Knisternd und fauchend griff das Feuer immer weiter um sich und zwang mich schließlich dazu, das Weite zu suchen.

      Doch das kümmerte mich diesem Augenblick wenig. Alles was für mich zählte, was, dass mich mein Gegner nicht weiter behelligen und ich wieder meiner Wege ziehen konnte. So zog ich mich hastig von dem prasselnden Brand zurück, verließ schnellstens die Buschgruppe, die mir Schutz geboten hatte,