Kuss auf die Wange drückt und zwei Stühle zurechtrückt. Ein sicheres Zeichen, dass sie sich hier niederlassen. Also tritt sie an den Tisch.
Der freundliche Gruß, den sie aussprechen will, bleibt ihr beinahe im Hals stecken. Schließlich bringt sie ein gepresstes „Hallo“ hervor und hofft, der eine der Männer erinnert sich nicht mehr an sie.
„Na, hallo, aber“, sagt da einer der Männer, bevor der andere den Mund überhaupt öffnen kann. „Und, alles klar mit dem Auto?“
Anne und der zweite fremde Mann schauen wie Fragezeichen auf Monika und den Menschen, der ihr damals das Rad gewechselt hat. Monika hatte es dienlich vermieden ihrer Freundin vom peinlichen Vorfall mit dem Radwechsel zu berichten.
Monika nickt und sagt nur: „Ja.“
„Ach, ihr kennt euch?“, kommt seitens der überraschten Anne.
„Nein“, antworten Monika und der Fremde wie aus der Pistole geschossen im Chor.
Anne und der zweite Mann schauen sich sichtlich erstaunt an.
Jetzt setzt der damalige private Automechaniker an: „Ich habe nur bei Nacht und Nebel einen platten Reifen gewechselt.“
„Bei Nacht und Nebel?“, wiederholt Anne ungläubig. Dann schüttelt sie den Kopf. „Ist ja auch egal. Darf ich dir Monika Zenert vorstellen. Herbert Schmid“, damit weist sie auf den anonymen Retter, der somit auch einen Namen hat.
Monika nickt Herbert dezent und verhalten zu.
„Was darf es sein?“, mischt sich der Kellner ein, der gerade an den Tisch tritt.
„Für mich einen Cappuccino“, sagt Monika schnell.
„Ja für mich auch.“
Die Männer fragt er nicht mehr, die haben bereits jeder eine Portion Kaffee vor sich stehen.
Anne, das weiß Monika schon jetzt, wird sie im Auto auf der Heimfahrt löchern. Da muss sie durch.
„Wenn wir schon bei der Vorstellungszeremonie sind“, Herbert weist auf seinen Begleiter. „Frank Neuner , Anne Michel.“
Die beiden reichen sich die Hand. Also macht Monika es ihnen nach.
Anne und Herbert unterhalten sich angeregt, während Frank und Monika nur Zuhörer sind und sich einen Schwank aus der Jugend der beiden anhören.
So bleibt Monika Zeit zu überlegen, was dieser Herbert wohl für ein Mensch ist. Offensichtlich kommen Anne und Herbert aus dem gleichen Ort, nämlich Fischen oder besser Umgebung.
Dieser Frank spricht Hochdeutsch. Vielleicht ein Urlauber, dem Herbert ein wenig vom Allgäu zeigen will. Alles in allem, uninteressant. Nicht wert, sich weiter den Kopf zu zerbrechen.
Die Herren haben ihren Kaffee bereits ausgetrunken. Herbert beordert den Kellner an den Tisch. Schon zückt er den Geldbeutel und hält dem Ober einen Geldschein hin.
„Das wollte ich bezahlen“, sagt Monika zaghaft.
Herbert grinst sie an: „Sie geben wohl nie auf?“
Monika, der wie üblich der passende Spruch fehlt, wird rot und starrt auf ihren Kaffee. Das Wort Idiot wagt sie nicht auszusprechen.
Dann erheben sich die Männer. Herbert klopft auf den Tisch und beide verabschieden sich mit einem „Man sieht sich.“
Schweigend schauen Anne und Monika den zwei davon schlendernden Männern nach. Sie trinken schnell ihren Cappuccino leer und wenden sich wieder der Fischerstraße zu.
„So, wir haben einiges getan“, stellt Anne nüchtern fest, „aber du hast noch nicht einen Schuh anprobiert und noch keine Hose gesehen.“
„Das machen wir jetzt“, schlägt Monika vor. „Was wolltest du denn sehen.“
„Nichts. Ich wollte dich einfach begleiten und bei schönem Wetter ein bisschen gute Musik hören.“
An und in verschiedenen Geschäften, die für eventuelle Käufe in Frage kommen, schauen die Freundinnen die Waren an den Ständern an. Doch nichts will ihnen gefallen.
Am Freudenberg stehen sie an der Ampel und warten auf das grüne Männchen um die Straße zu überqueren, als Anne ihre Neugierde nicht mehr zügeln kann.
„Sag mal, was hat Herbert denn eigentlich damit gemeint, dass er bei Nacht und Nebel dein Rad gewechselt hat? Und dann noch, ihr kennt euch nicht. Das ist doch ausgemachter Quatsch.“
„Na ja, er hat übertrieben. Als ich zum Geburtstag meiner Mutter gefahren bin, habe ich am Alpsee meinen Reifen platt gefahren. Nachmittags um zwei wohl gemerkt! Es war kalt und hat genieselt. Ich war etwas überfordert. Tja, und da hat der Mensch mir geholfen. Aber ich habe ihn wirklich nicht gekannt. Wir haben uns nicht vorgestellt. Mir war es schrecklich peinlich, weil sein Hemd verdreckt war. Von den Händen gar nicht zu reden. Bevor ich mich richtig bedanken konnte, war er dann schon weg.“
Anne schüttelt ungläubig den Kopf. „Herbert als Samariter. Ich glaub es nicht. Es geschehen noch Zeiten und Wunder. Ich hätte ihm noch nicht einmal zugetraut, dass er in der Lage ist, ein Rad zu wechseln.“
„Ist er“, versichert Monika nun. „Er hat mir sogar noch Erklärungen abgegeben, wie man das machen muss.“
Immer noch schüttelt Anne den Kopf. Sie überqueren die Straße und gehen die Bahnhofstraße hoch. Bei C & A wird Monika fündig. Zumindest für Hose und T-Shirt. Die Schuhe müssen eben noch warten.
Es ist schon beinahe ein Muss. Auf dem Rückweg spazieren sie durch das Forum. Im zweiten Stock bei der Buchhandlung Hugendubel spielt ein Pianist leichte Musik. Anne und Monika setzen sich auf ein Bänkchen und lauschen der Musik ein wenig.
Nach einer Weile erheben sie sich und kehren zu Parkplatz und Auto zurück.
Während der Rückfahrt wird Monika neugierig. „Woher kennst du eigentlich diesen Herbert?“
„Ganz einfach“, erklärt Anne, „der ist mit meinem Bruder in die Volksschule und aufs Gymi gegangen.“
„Ach ja?“, sagt Monika desinteressiert.
Anne fährt fort: „Herbert setzt sich ins gemachte Nest. Der Vater hat ein Hotel.“
Monika muss laut lachen. Nach einiger Zeit, die Monika schweigend neben ihr sitzt, sagt sie: „Dann war das mit dem verdreckten Hemd ja gar nicht so schlimm. Er hatte bestimmt einen Hiwi, der ihm den Dreck herausgeschrubbt hat.“
Jetzt lacht auch Anne. „Und du hattest ein schlechtes Gewissen.“
Dann endlich erzählt Anne von dem Ärger, den sie morgens mit dem Sohn Markus gehabt hat. Monika versucht Ratschläge zu geben, obwohl sie weiß, dass sie nur Kennerin für Kinder im Kindergartenalter ist.
Schließlich kommen sie gegen sechs Uhr in Immenstadt an. Anne liefert die Freundin auf dem Viehmarktplatz ab. Sie verabschieden sich herzlich.
Dann steigt Monika in ihr Auto und fährt nach Hause. Sie freut sich auf einen ruhigen Abend und eine Radtour am Sonntag.
Kapitel 3
Das Wetter ist die nächste Zeit nicht mehr so schön und für die Jahreszeit zu kalt, doch das hindert Monika nicht daran, ihren sportlichen Aktivitäten nachzugehen. Zwar ist nicht daran zu denken eine Bergtour in höheren Lagen zu machen, da dort oben immer noch Schnee liegt, aber radeln und joggen ist immer möglich.
Als ab Mitte Juni endlich sommerliche Zeiten anbrechen, ist Monika im siebten Himmel.
Wie jedes Jahr lässt sie sich auch jetzt gerne wieder für ein Wochenende von Annes Bruder Peter zum Einbringen der Heuernte einspannen.
Schon seit ihrer Realschulzeit hat es sich eingebürgert, dass die Freundinnen des Öfteren die Wochenenden auf dem Bauernhof von Annes Eltern verbringen. Diese Tradition haben die zwei Frauen auch später beibehalten.
Wieder