Reiner Kotulla

Marijana


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so eingerichtet, dass er beim Schreiben die Clusterwand im Blick hatte.

      „Da haben wir beide zum gleichen Zeitpunkt eine Idee gehabt“, sagte Volker Grün, als sie sich tags darauf bei Volker zu einem Kaffee getroffen hatten. Zuerst hatte Alexander erzählt, vom Traktor, dem Bauwagen und seiner Schreibidee. Die gefiel Volker besonders gut.

      „Und ich sage dir, Alexander, da hat Simones Filmerzählung doch einiges bewirkt.“ Nun stellte er seine Idee vor, und Alexander war sofort von ihr eingenommen.

      „Darüber müssen wir reden, Volker, und vielleicht sind Simone und Charlene ebenso davon angetan, wie wir beide.“

      Sie verabredeten sich für den Abend bei Volker und Charlene in deren Wohnung in der Obertorstraße. Volker wollte beim Wirt am Dom Pizza bestellen, und Alexander versprach, Wein mitzubringen.

      „Ich weiß, dass du lieber Bier magst, Alexander, aber das habe ich zu Hause.“

      Er ließ Simone über den Grund im unklaren, als er ihr sagte, dass Volker sie für den Abend eingeladen hätte.

      „Also, das ist so“, begann Volker, als sie gegessen hatten, „ihr erinnert euch doch an den Film, von dem Simone neulich erzählt hat?“

      „Und ob“, sagte Simone, die wohl kaum erinnert werden musste.

      „Alexander berichtete mir vor Kurzem von einer ähnlichen Idee, nur dass es hier um einen Traktor mit angehängtem Bauwagen ging.“

      „Davon hat er mir erzählt, Simone, doch ich habe da einen viel besseren Vorschlag.“

      „Nun spanne uns doch nicht so lange auf die Folter“, sagte Charlene, die bisher geschwiegen hatte.

      „Genau, Volker“, äußerte sich nun auch Simone etwas ungeduldig.

      „Also, das ist so ...“

      „Ja, das hast du ja schon gesagt.“

      „Ihr kennt doch die Lahn?“

      „Volker, es reicht jetzt, natürlich kennen wir die Lahn.“

      „Um es kurz zu machen, was haltet ihr von einer gemeinsamen Floßfahrt die Lahn abwärts bis nach Lahnstein?“

       Drei

      „Eh, ja“, Charlene war die Erste, die sich gefasst hatte, „was meinst du mit einer Floßfahrt?“

      „Wie der Name schon sagt, ein Floß, das sind aneinandergebundene Baumstämme, das mithilfe eines Ruders flussabwärts gelenkt wird.“

      „Alexander, ich weiß, was ein Floß ist, nehme aber an, dass du dieses traditionelle Wasserfahrzeug nicht meinst.“

      Alexander bemerkte den aufkommenden Ärger in Charlenes Stimme und lenkte ein. „Entschuldige, Charlene, so war das nicht gemeint, und du hast natürlich recht damit, dass ich ein solches Gefährt nicht gemeint habe.“

      Simone und Volker hatten sich entspannt zurückgelehnt, beobachteten wieder einmal belustigt die kleine Auseinandersetzung zwischen Alexander und Charlene. Gewollt oder ungewollt, sie wussten es nicht, gerieten Alexander und Charlene des Öfteren aneinander. Nicht ernsthaft, wie es sich beide hinterher einander versicherten. „Dann sag doch einfach, was du meinst, Alexander.“ Und da war es auch schon, das Lächeln, mit dem Charlene Alexander immer wieder zu besänftigen wusste.

      „Genau weiß ich das selbst noch nicht, ich denke an eine Plattform, auf leere Ölfässer montiert.“

      „Und damit willst du von hier aus bis zur Lahnmündung schippern?“

      Alexander glaubte, in Volkers Frage bereits einen Ton von Interesse zu erkennen. Das Kind im Manne, eine Eigenschaft, die er an seinem Geschlecht hoch einschätzte. So wie sich Frauen oft bis ins hohe Alter ein gewisses Maß von positiver Albernheit, wie er es nannte, bewahren können, geben Männer gerne einem Spieltrieb abenteuerlicher Art nach. „Kannst du das mit der positiven Albernheit bitte etwas näher erläutern?“

      Kaum dass er das gesagt hatte, reagierte nun auch Simone angriffslustig. Alexander konterte. „Jedes Ding hat zwei Seiten. Nehmen wir einmal die Faulheit ...

      ‚Faulheit jetzo will ich dir

       Auch ein kleines Loblied bringen. –

       O – wie – sau – er – wird es mir, –

       Dich – nach Würden – zu besingen!

       Doch, ich will mein Bestes tun,

       Nach der Arbeit ist gut ruhn.

       Höchstes Gut, wer Dich nur hat,

       Dessen ungestörtes Leben –

       Ach! – ich – gähn – ich – werde matt –

       Nun – so – magst du – mir’s vergeben,

       dass ich Dich nicht singen kann;

       Du verhinderst mich ja dran.‘“

      „Alexander, du brauchst mir jetzt nicht Lessings ‚Lob der Faulheit‘ zu erklären.“

      „Das wollte ich auch nicht, Simone, aber ich wusste gar nicht, dass ihr heute noch Gedichte auswendig lernen müsst. Es geht ja um Albernheit. Ich erinnere mich da an meine Schulzeit. Da kam es oft zu regelrechten Lachorgien, wenn zwei Mädchen sich gut verstanden, bedurfte es eines nichtigen Anlasses, und sie begannen zu lachen. Und gerade dann, wenn das Lachen unerwünscht war, zum Beispiel während des Unterrichts, konnten sie damit nicht aufhören. Nur unter dem Zwang, sich nicht anzuschauen, kamen sie zur Ruhe. Aber kaum, dass sich ihre Blicke trafen, begann ihr Gelache von Neuem. Ich denke heute, dass das ein Ausdruck von Lebensfreude und Unbekümmertheit war. Mit der Zeit, zur Frau geworden, diszipliniert, wird die Albernheit zur Ausnahme. Und doch, zum Glück, würde ich sagen, passiert es Freundinnen manchmal bis ins hohe Alter. Und was die Spiellust der Männer betrifft“, und dabei schaute er zu Volker hinüber, „wünschte ich mir noch für lange Zeit entsprechende Ideen.“

      „Mischt sich da nicht aber die Lust am Spiel mit der am Abenteuer?“

      „Ich denke schon.“

      Es entstand eine Pause, und Alexander hoffte, dass die anderen über seinen Vorschlag nachdachten. Er selbst entwickelte bereits gedanklich erste Planansätze. Die Plattform, auf die Fässer montiert, sollte so groß sein, dass ein Zelt und eine fest auf ihr installierte Sitzgruppe Platz fänden. Das Lenkruder sollte von ihr aus bedienbar sein. Auch ein kleiner Außenbordmotor war denkbar. Alexander bemerkte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Aus seinen Gedanken gerissen, schaute er sie der Reihe nach an. Keine Ablehnung nahm er in ihren Augen wahr. „So wie ihr mich anschaut, fasse ich das als eine Aufforderung auf, meine Idee näher zu erläutern?“

      „Ich denke schon.“

      Volker war der Erste, der sich äußerte. „In Ordnung, Alexander, lass hören.“ Das war Simone.

      „Ich will mich auch nicht verweigern“, schloss sich Charlene den anderen an.

      Und als ob er schon lange über das Projekt nachgedacht hätte, unterbreitete er ihnen nun seine ersten Vorstellungen.

      „Eine Reling darf natürlich nicht fehlen“, ergänzte Simone, als er geendet hatte. Kein Widerspruch von den anderen.

      „Dann fasse ich das als eine Art Zustimmung auf?“

      „Bei mir kannst du davon ausgehen.“

      „Bei mir auch.“

      „Ich bin dabei.“

      Das hatte er nicht erwartet. Um so mehr freute ihn ihr spontan geäußertes Einverständnis. „Na dann fangen wir doch am besten gleich mit dem Zeitplan an.“

      Als sich Simone und Alexander später