Stefan Mosak traf während der Besprechung ein, stellte ein paar Fragen, entfernte sich mit Dr. Dallinger für ein paar Minuten zu einem Vieraugengespräch und verabschiedete sich dann relativ schnell wieder.
Nachdem sich Weissacher von Ilona telefonisch hatte informieren lassen, was in seinem Büro an Anfragen oder Post im Laufe des Nachmittags eingegangen war, schickte er Ilona nach Hause und gesellte sich zu der Konferenz der Consulting-Support- und Nasdal-Leute mit Ron Sturiak. Er fühlte sich ziemlich müde, da jetzt auch die Spannung, die dieser Tag mit sich gebracht hatte, allmählich von ihm wich. Vielleicht lag es auch daran, dass er die Wortgeplänkel zwischen diesen Leuten nicht verstand, vor allem wenn sie sich technischer Abkürzungen bedienten, die ihm fremd waren.
Daher beschloss Weissacher, seine Ermittlungen am nächsten Tag fortzusetzen. Er verabschiedete sich, wobei er gleichzeitig alle Anwesenden bat, sich morgen für ein weiteres Gespräch bereitzuhalten. Dr. Dallinger verlieh dieser Bitte, die eigentlich eine Aufforderung sein sollte, Nachdruck, nachdem dieser ebenso wie Weissacher bemerkt haben dürfte, dass man ihn, Weissacher, nicht für kompetent und autorisiert genug betrachtete, in der Angelegenheit weiter herumzuschnüffeln. Wer war er denn schon für diese hohen Experten? Ein kleiner Möchtegern-Inspektor, ein Kleinunternehmer, der sich glücklich schätzen sollte, ab und zu von ihren Firmen einen bescheidenen Auftrag zu erhalten. Er verstand das, denn als Vertriebsleiter hatte er früher auch mit solchen Leuten zu tun gehabt, die sich manchmal einen Auftrag geradezu von ihm erbettelten und sich nur mühsam über Wasser halten konnten. Weissacher war daher für die Stärkung seiner Rolle durch Dr. Dallinger sehr dankbar. Er verließ das Betriebsgebäude von Nasdal, versicherte sich der Aufmerksamkeit der Austrian-Security-Leute, die auch die Nacht über das Gebäude im Auge behalten sollten, und stieg in das herbeigerufene Taxi, das ihn wohlbehalten nach Hause brachte.
Wenig später entfernte sich auch Ron Sturiak aus der Runde und begab sich in einen Nebenraum. Er nahm die ihm zugeteilte Workstation in Betrieb und begann seine Überprüfungen, indem er einen Test nach dem anderen aktivierte. Er hielt zwei Fehlerkategorien für möglich: Entweder der Algorithmus des Datenanalyseprogramms war gestört oder die Software hatte einen technischen Fehler. Ein Hardwareproblem konnte er sehr bald ausschließen. Aufgrund der Komplexität sowohl der mathematisch-statistischen Grundlagen als auch der Architektur des Programms selbst war ihm unklar, wie lange seine Tests dauern konnten. Da er in zwei Tagen wieder in der Zentrale in London erwartet wurde, würde er wohl auch die Nacht opfern müssen, um nicht kostbare Zeit zu verlieren.
Die Konferenz nebenan ging mittlerweile noch weiter. Sie interessierte ihn allerdings nicht mehr, störte ihn aber auch nicht. Er war froh, dass er hier in einem Betriebsgebäude weit außerhalb des Stadtzentrums, umgeben von parkähnlichen Vorgärten und anderen Firmenstandorten, die er aus seinem Fenster in der Dunkelheit ausnehmen konnte und die nun verlassen schienen, nicht allein zurückgelassen war. Er erinnerte sich, dass er kurz vor Erreichen der Nasdal an einer Kreuzung die Bezeichnung „Richard-Strauss-Straße“ gelesen hatte. Er nahm dies als gutes Omen für seine Mission, da ihm ja dieser Komponist heute schon einmal zu Hilfe gekommen war.
Sturiaks erste Versuche in dieser Nacht, in der Software der Consulting Support Vienna Fehler zu entdecken, blieben ohne Erfolg. Es war bereits 2 Uhr früh, als er sich aus dem Arbeitszimmer in das Gästezimmer zurückzog, das ihm von Nasdal zur Verfügung gestellt wurde. Glücklicherweise gab es dieses Gästezimmer, sodass er das Gebäude nicht verlassen musste. Der Haupteingang wurde von einem Portierdienst, in dem sich zwei Leute während der Nacht abwechselten, gesichert. Dazu kam das Duo vom Sicherheitsdienst, das auch die anderen Gebäudeteile beobachtete. Das Haus hatte außerdem eine Alarmanlage, an der man heute auch den Bewegungsmelder scharf stellte, der sonst in der Regel ausgeschaltet war, weil es oft vorkam, dass sich auch in der Nacht Mitarbeiter im Gebäude, vor allem in den Forschungslabors, aufhielten. Sturiak konnte sich also sicher fühlen.
Trotz dieses Gefühls und der Müdigkeit fand er lange keinen Schlaf. Er musste immer wieder daran denken, dass ihn jemand aus dem Verkehr ziehen wollte. Und dann war da noch das fachliche Problem der Fehlersuche. Er erinnerte sich, dass ihm ein Kollege bei seinem letzten Aufenthalt in der Londoner Zentrale von einem Fall erzählt hatte, der gewisse Ähnlichkeiten mit der Situation hatte, die er hier vorfand. Der Kollege hieß Erik Lundström und befasste sich mit dynamischen Programmstukturen. Er war eben aus den USA gekommen, wo er die EDV-Software einer kleinen, aber sehr renommierten Privatuniversität, die auf Meteorologie spezialisiert war, zu überprüfen hatte. Leider hatte sich Sturiak keine Details gemerkt, denn er war damals während des Gesprächs von Rose abgelenkt worden, deren Figur ihn elektrisierte. Rose war eine junge Dame von wenig mehr als zwanzig Jahren, die in der G.C.S.-Zentrale ein Praktikum machte und offenbar für einige Zeit Erik Lundström zugeteilt war. Diese Erinnerung aufnehmend stellte er sich nun vor, mit Rose auf die Südseeinsel zu fahren, von der er schon beim Anflug auf Wien geträumt hatte. Das Bild von Rose nährte in ihm die Stimmung, dass die Welt noch anderes als knifflige, unter Zeitdruck zu lösende Softwareprobleme für ihn bereithielte. Wenn er eines Tages nicht mehr wollte, würde er einfach aussteigen und ein anderes Leben beginnen, vielleicht irgendwo auf dem Land oder auf einer Insel, fernab dieser hektischen Städte mit ihren EDV-Zentralen, vielleicht zusammen mit Rose. Die Erscheinung von Rose als Bäuerin war allerdings bereits so absurd, wie es erste Anflüge von Träumen sind, die im Übergang in den Schlafzustand auftauchen. Sturiak war eingeschlafen.
Die Nacht verlief für alle beteiligten Personen ohne besondere Vorkommnisse. Fast schien es, dass der Morgen des neuen Tages die Geschehnisse des Vortags wie Albträume nach dem Erwachen vertreiben könnte. Denn die Wetterfront, welche die beiden letzten Tage bewölkt und regnerisch gestaltet hatte, war vorübergezogen und machte einem freundlichen Sonnenaufgang Platz. Doch waren immer noch alle Probleme von gestern ungelöst.
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