Reinhold Vollbom

Grüße von Charon


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Stellung in einer anderen Firma besorgt. Ich hatte gehofft, dass er sich damit abfinden würde. Dann bat ich ihn sein Arbeitszimmer, im ersten Stock hier im Haus, kurzfristig zu räumen. Da er nicht reagierte, habe ich ihm den heutigen Tag als letzten Termin genannt, sonst würde ich alles entsorgen lassen.«

      »Und ich bin gekommen«, ergänzte Simon Burgund, »weil Lothar mit seinen Äußerungen Eva Angst einjagte.«

      »Angst?«, wiederholte Kröger.

      »Er machte Eva gegenüber immer wieder seltsame Bemerkungen wie: … ohne Dich kann ich nicht leben … das Leben ist sinnlos ohne Dich …, und … ich werde nicht zulassen, dass Du mit einem anderen glücklich werden willst … Das gab schließlich den Ausschlag, dass ich heute dabei sein wollte, wenn er kommt. Für eine Anzeige bei der Polizei hätten seine Äußerungen sicherlich nicht gereicht.«

      Kommissar Steffen hatte sich alles schweigend angehört. Nun fragte er die beiden: »Besitzt jemand von Ihnen eine Pistole?«

      »Denken Sie, ich habe ihn erschossen?«, wollte Eva Phalides gereizt wissen. »Ja, ich besitze so ein kleines Ding. Da passt nur ein Projektil rein. Benutzt habe ich die Pistole noch nie. Sie hat mir ein sicheres Gefühl gegeben, als ich noch allein hier wohnte. – Ich hole sie Ihnen. Sie ist im Schlafzimmer versteckt.«

      »Wer weiß von der Pistole und dem Versteck?«, hakte der Kommissar nach.

      »Nur Lothar, Simon und ich.« Gleich darauf begab sie sich ins Schlafzimmer, um die Waffe zu holen. Mit einem Mal stürmte sie ins Kaminzimmer zurück. »Die Pistole ist nicht mehr da!«, krächzte sie bestürzt.

      Kommissar Steffen hob die Augenbrauen an. »Wo waren Sie beide, als Lothar Hartung erschossen wurde?«

      »Eva und ich haben uns im Kaminzimmer aufgehalten, als Lothar hier war. Er sagte, er müsse auch die Sachen aus dem Schuppen hinter dem Haus mitnehmen. Dann ging er hinaus. Nach einiger Zeit sah Eva mich nachdenklich an. Ich weiß gar nicht, was er für Sachen meint, sagte sie.«

      »Dann habe ich Simon gebeten in sein Arbeitszimmer zu gehen«, sprach Eva Phalides. »Das Fenster zeigt nach hinten raus, mit Blick auf den Schuppen.«

      »Nachdem ich im ersten Stock am geöffneten Fenster stand, hat mich Lothar eine Zeit lang wortlos angesehen. Dann sagte er: Komm hilf mir, die Sachen zu tragen.« Ich nickte und schloss das Fenster.

      »Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie dann bei ihm am Schuppen waren?«, hakte Kommissar Steffen nach.

      »Keine Ahnung?! Zwei, drei Minuten. Nachdem ich die Treppe herunterkam, habe ich kurz mit Eva gesprochen.«

      »Und als Sie hinter dem Haus ankamen, lag er tot vor Ihnen, nicht wahr?« Kommissar Steffen sah ihn durchdringend an.

      »Richtig!«

      »Aber dann müsste Ihnen doch der Mörder entgegengekommen sein.«

      »Vielleicht ist er um die andere Seite des Hauses gelaufen? Und einen Schuss habe ich auch nicht gehört.«

      »Der Schuss ist vielleicht gefallen, als Sie noch im Haus waren. Hmm …«, murmelte Kommissar Steffen, »ich habe da eine Terrassentür hinten am Haus gesehen.«

      »Die ist mit einem Stangenschloss besonders gegen Einbruch gesichert und deshalb ein wenig umständlich zu öffnen. Das letzte Mal habe ich die Tür vor einem Monat auf gehabt.«

      Kommissar Steffen sah die beiden fragend an. »Wenn der Obduktionsbericht bestätigt, dass die Tatwaffe ein Deringer ist, gibt es hier einiges zu klären. Beispielsweise, wer hat die Tat ausgeführt und wo ist die Waffe jetzt.« Bei diesen Worten fielen dem Kriminalbeamten die vielen Bilder an der Wand auf. Sie zeigten nahezu die gleichen Motive.

      Eva Phalides bemerkte den Blick vom Kommissar. »Ist was mit den Bildern? Einmal jährlich veranstalte ich ein Sommerfest, für die Kinder meiner Mitarbeiter, bei mir im Garten. Animateure unterhalten die Kleinen. Es gibt zu essen, viel zu spielen, für jeden einen riesengroßen bunten Luftballon und eben alles, was ein Kinderherz höher schlagen lässt. Und von jedem Sommerfest wird ein Bild gemacht und hier an die Wand gehängt.«

      Kommissar Steffen schmunzelte. »Mir ist nur die eine Fotografie mit dem weinenden Kind aufgefallen, das traurig in den Himmel schaut.« Nach einer kurzen Pause sprach er weiter. »Mein Kollege Kröger und ich kommen nachher noch einmal bei Ihnen vorbei.«

      Auf dem Weg zum Wagen sprach sein Assistent: »Einer von beiden muss es gewesen sein. Oder sie haben gemeinsame Sache gemacht. Wir benötigen unbedingt die Tatwaffe …«

      »Richtig, Kröger! Ich meine, dass wir unbedingt die Tatwaffe brauchen. Und mit etwas Glück besorgen wir die uns jetzt.«

      »Aha! Und wo fahren wir hin?«

      Kommissar Steffen sinnierte einen kurzen Augenblick, bevor er antwortete. »In nordöstliche Richtung.«

      Krögers Gesicht verzog sich zu einer fragenden Grimasse. »Ich soll einfach in … in nordöstliche Richtung fahren?«, stutzte er.

      »Nachdem ich das weinende Kind auf dem Foto sah, hat es Pling bei mir gemacht.« Kommissar Steffen schmunzelte. »Nun fahr schon, bevor andere uns zuvorkommen.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Die Lösung wird uns auf dem Tablett serviert und wir überlegen noch lange … tss … tss.«

      Nach einiger Zeit stellte Kröger knurrend fest: »Links und rechts nur Acker.«

      »Siehst du die vier Kinder dahinten links auf dem Feld? Da müssen wir hin.«

      »Mit dem Wagen auf den Feldweg?«

      »Ja, Kröger. Noch stehen die Kinder nur im Kreis. Noch bückt sich keines. Da, – jetzt haben sie uns bemerkt. Mal sehen wie sie sich verhalten. Aha, sie haben Bammel.«

      Die knapp zehn Jahre alten Kinder flüchteten quer über den Acker in den Wald. Kurz darauf trafen die beiden Kriminalbeamten an der Stelle ein, an der zuvor die Kinder standen.

      »Was ist denn das, – ein geplatzter Luftballon?!«, beantwortete Kröger seine eigene Frage. »Mein Gott und da ist mit einem Bindfaden eine Pistole dran befestigt. Ein Deringer mit perlmuttfarbenen Griff.«

      »Vorsichtig! Denke an die Fingerabdrücke.«

      »Welche werden drauf sein, die von Simon Burgund oder die von Eva Phalides?«

      Kommissar Steffen schmunzelte. »Weder noch. Die hätten Lothar Hartung töten und seine Fingerabdrücke auf den Griff drücken können. Das wäre wahrscheinlich als Suizid durchgegangen. Nein, die Fingerabdrücke auf der Waffe durfte niemand untersuchen. Lothar Hartung hat doch Eva Phalides erklärt, dass es ein Leben ohne sie für ihn nicht gibt. Und ein anderer sollte sie auch nicht haben. Das konnte er nur umsetzen, wenn Simon Burgund oder Eva Phalides – oder beide – eingebuchtet werden. Deshalb sein Suizid.«

      Kröger atmete einmal lautstark durch.

      »Lothar Hartung befestigte die Pistole an einem mit Helium aufgeblasenen Luftballon. Er erschoss sich und der Ballon trug die Tatwaffe davon. Das weinende Kind auf dem Foto, hat mich auf die Idee gebracht. Es weinte, weil ihm der Luftballon davonflog.«

      »Aber woher wussten Sie, dass der Ballon hier landen würde?«

      Kommissar Steffen antwortete mit gemächlicher Stimme. »Von der Windrichtung habe ich heute Morgen im Wetterbericht gehört. Je nachdem wie voll der Luftballon aufgeblasen wird, platzt er in maximal sechs Kilometer Höhe. Oben wird die Luft dünner und der Ballon dehnt sich immer weiter aus, bis er platzt. Sollte er noch höher steigen, platzt er durch die Kälte.«

      Die Qual der Wahl

      Auf der Sommernachts-Party, in der Vorortvilla, herrschte ein reges Treiben. Marlen Neumaier, die brünette Gastgeberin mit dem unscheinbaren Aussehen, sah ihren Gesprächspartner fragend an. »Martin, hast du vielleicht Udo gesehen?«

      »Mir ist dein Gatte schon seit einer halben Stunde nicht mehr über