Eric Bonse

Wir retten die Falschen


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- der Marktwert der griechischen Anleihen wäre noch niedriger gewesen.

      Die privaten Gläubiger, die laut Schäuble mithaften sollen, werden von diesem Deal in Wahrheit massiv begünstigt. Zudem können sie sicher sein, dass das Geld aus Griechenland beständig weiter fließt - egal, wie die im April geplanten Wahlen in Athen ausgehen. Dafür soll das neue Sperrkonto sorgen, von dem aus der Schuldendienst abgewickelt wird.

      Das ist ein schönes Geschäft für die Gläubiger, und ein ganz schlechtes für Europa. Ein Land wurde um den Preis der Selbstbestimmung und der Demokratie vor einer Pleite bewahrt, die nach Ansicht der meisten Experten früher oder später ohnehin kommt.

      Denn das ist die zweite bittere Lektion dieser heillosen „Rettung“. Zu einem nachhaltigen Abbau der Schulden trägt sie nicht bei, wie aus einem geleakten Memorandum der Troika hervorgeht. Im schlimmsten Fall wird der Schuldenstand 2020 genauso hoch sein wie heute - Griechenland bleibt ein hoffnungsloser Fall.

      Banken vor Staaten

      28. Februar 2012 - Geldschwemme für Finanzinstitute

      Die Eurokrise geht in eine neue, kritische Phase. Für die bisher geübte Politik der milliardenschweren Bailouts gibt es kaum noch eine Mehrheit, wie der Verlust der Kanzlermehrheit im Bundestag über das neue Griechenland-Paket zeigt. Erstaunlich ist dies nicht, schließlich ist diese Politik in Athen weitgehend gescheitert. Erstaunlich ist allerdings, dass die Abgeordneten gegen Bailouts für Staaten aufmucken – aber wegschauen, wenn die Banken mit Geld geflutet werden.

      Man stelle sich einmal vor, die überschuldeten EU-Staaten könnten heimlich, still und leise bei einem nicht öffentlich tagenden, niemandem Rechenschaft pflichtigen Gremium ihren Finanzbedarf anmelden. Am nächsten Tag würde das Geld nicht nur ausgezahlt, sondern auch noch mit einem Diskountzins und der ausdrücklichen Aufforderung versehen, es „arbeiten“ zu lassen – also gegen satte Aufschläge an andere Interessenten weiter zu verleihen.

      Unvorstellbar? Doch genau das passiert gerade in der EZB – allerdings nicht mit den überschuldeten EU-Staaten, sondern mit den ausgetrockneten Banken im Eurosystem. Nachdem die EZB die Banken im Dezember mit fast 500 Mrd. Euro geflutet hat, bereitet sie nun schon wieder ein zweites Geldgeschenk vor – diesmal könnte es auf die Billion zugehen. Der „Free lunch“ verhilft den Instituten zu saftigen Profiten, wie der Blicklog erklärt:

      Banken profitieren, wenn sie das billige EZB-Geld in höher verzinste Staatsanleihen beispielsweise aus Italien oder Spanien investieren. Alleine die Banken dieser beiden Staaten könnten ihre Gewinne aus dem „Free lunch” in diesem Jahr um zehn Prozent steigern, schätzen die vom „Handelsblatt“ zitierten Analysten der US-Bank Morgan Stanley.

      Während die Banken profitieren, müssen die von Bailouts betroffenen Staaten den Gürtel enger schnallen, was die Schuldenkrise weiter verschärft – siehe Griechenland. Die Geldschwemme aus Frankfurt kommt, wenn überhaupt, nur jenen Ländern zugute, die sich noch am Markt refinanzieren können – also vor allem Italien und Spanien. Eine Überwachung findet nicht statt, Auflagen müssen die Banken auch keine erfüllen.

      Was für ein Kontrast zu den drastischen Auflagen für Griechenland! Und welch Unterschied in der politischen Debatte! Während Kanzlerin Merkel, Finanzminister Schäuble und viele Abgeordnete fast täglich über die Konditionen für das Bailout plaudern, verlieren sie über das „Free lunch” für die Banken kein Wort. Dabei ist es die Kehrseite derselben Medaille.

      Doch diese Kehrseite sieht man nicht. Der politische Diskurs wird systematisch beschränkt und verkürzt – übrigens nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel. Wenn das so weiter geht, wird Griechenland die Währungsunion verlassen (einen dritten Bailout wird es nicht geben, W. Münchau empfiehlt Athen bereits, sich auf einen Austritt vorzubereiten), während die Banken wieder satte Profite einfahren.

      Vielleicht war das ja auch das eigentliche Ziel der ganzen Übung?

      Und nun eine Bankenunion?

      24. Mai 2012 - Der Fiskalpakt soll ergänzt werden

      Beim EU-Gipfel wurde auch über eine koordinierte Stützung der europäischen Banken geredet. Nach einem Bericht der FTD sprachen Hollande, Merkel & Co. über mehrere Modelle, eine gemeinsame Einlagensicherung gehört auch dazu. Bisher gibt sich die Bundesregierung zugeknöpft, sie bevorzugt nationale Rettungsmaßnahmen à la Hypo Real Estate. Doch wie bei den Eurobonds ist sie in der Defensive.

      In der Fachwelt wird die Forderung nach einer Finanz- oder Bankenunion nämlich immer lauter. Angesichts des drohenden Runs auf die Banken in Griechenland und der undurchsichtigen Lage der Geldhäuser in Spanien braucht die Eurozone dringend ein neues, schlagkräftiges Instrument, um die Finanzbranche zu stabilisieren, die Bürger zu beruhigen und die drohende Panik zu verhindern.

      Nationale Stützungsmaßnahmen, wie in Deutschland üblich, kann sich Spanien nicht leisten: Dann wäre es über Nacht genauso pleite wie Irland und müsste sich unter den Euro-Rettungsschirm flüchten - ein Worst Case-Szenario, das sogar den Euro gefährden könnte. Deshalb beraten Experten der EZB und der EU-Kommission hinter den Kulissen bereits darüber, wie sie spanischen und anderen Banken helfen können.

      Als einfachste Lösung gelten direkte Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds - doch Merkel ist dagegen. Daher kommen nun neue Varianten ins Spiel, wie eine gemeinsame Einlagensicherung oder ein EU-Modell für die Abwicklung angeschlagener Institute und die Gründung einer Bad Bank. Nach einem Bericht von Reuters arbeitet die EU-Kommission bereits an einem Vorschlag, der im Juni stehen soll.

      Viele Experten fordern jedoch, noch weiter zu gehen und die Fiskalunion um eine Bankenunion zu ergänzen. Nur so könne die gefährliche Wechselwirkung zwischen strauchelnden Banken und überschuldeten Staaten beendet werden, schreibt N. Veron vom Brüsseler Thinktank Bruegel. Das „Wall Street Journal“ greift den Vorschlag bereits auf und fordert eine echte Finanzunion. Auch W. Münchau hat sich für eine engere Zusammenarbeit ausgesprochen.

      In deutschen Ohren mag dies suspekt klingen - nach dem Motto: jetzt sollen wir auch noch für spanische Pleitebanken haften. Doch letztlich ist es nur konsequent: Wer wie Merkel eine Fiskalunion mit gemeinsamer Budgetdisziplin fordert, muss auch alles dafür tun, dass sie funktioniert. Dazu gehört eine gemeinsame Sicherung für die Banken - denn sonst kann jede nationale Bankenkrise das gesamte Kartenhaus ins Wanken bringen. Spanien ist auf dem „besten“ Weg dahin.

      In letzter Konsequenz braucht eine Fiskalunion übrigens auch Eurobonds. Auch da sind sich die Experten einig - siehe die jüngsten OECD- und IWF-Berichte. Gestern hat Merkel mal wieder Nein gesagt, aber die Debatte ist eröffnet, die Zeit der Denkverbote ist vorbei...

      Spanien zahlt dreifach

      12. Juli 2012 - Die Bankenrettung wird teuer

      Man lässt sich nicht ungestraft unter den Euro-Rettungsschirm zwingen. Diese bittere Lektion muss nach Griechenland, Irland und Portugal nun auch Spanien lernen. Wochenlang hatte Berlin die angeblich befreundete Regierung Rajoy in Madrid bedrängt, Hilfe für die maroden Banken zu beantragen - unter Bruch der eigenen Regeln. Jetzt kommt die Rechnung: Spanien muss die Hilfe, die noch nicht einmal erfolgt ist, doppelt und dreifach bezahlen.

      Zuerst zahlt, wie immer unter diesem absurden Euro-Sparregime, die Bevölkerung. Obwohl der Schuldenberg in Spanien niedriger ist als in Deutschland und obwohl die Eurogruppe gerade beschlossen hat, Madrid mehr Zeit für die Senkung des Budgetdefizits zu gewähren, müssen die Bürger die Zeche zahlen. Die Mehrwertsteuer wird erhöht, die Arbeitslosenhilfe gesenkt, im öffentlichen Dienst gibt es weniger Geld etc. Offenbar eifert Rajoy Griechenland nach...

      Danach zahlen die Kleinanleger. Sie sollen für die „Bankenrettung“ bluten, für die die Euroländer bis zu 100 Mrd. Euro bereitstellen sollen, davon 30 Mrd. Euro noch im Juli. Zwar ist bisher noch kein Cent geflossen. Doch das „Memorandum of understanding" hat schon die Opfer identifiziert. Vor allem spanische Kleinanleger sollen auf ihre Ansprüche verzichten, während ausländische Großinvestoren - z.B. deutsche