Anne Schröter

Herausforderung des Schicksals


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überschlugen sich. Sollte sie es wagen, diese Einladung anzunehmen? Oder besser nicht? Gleichzeitig sagte sie sich: Was kann mir schon passieren? Er will doch nur mit mir Essen gehen, was ist denn schon dabei?

      Christina entschied schließlich, Robertos Einladung anzunehmen. Nur so konnte sich alles aufklären.

      Etwas Ruhe und ein bisschen Schlaf würden mir jetzt sicherlich gut tun, stellte sie fest. Deshalb legte sie sich etwas hin. Ihre Gedanken an Roberto begleiteten sie in den Schlaf.

      Kapitel II

      Als sie dann später unter der Dusche stand und sich zum Abendessen umzog, ging ihr ein seltsamer Traum, den sie gerade gehabt hatte, nicht aus dem Kopf: Sie sah Robertos Mutter, eine typische stolze Italienerin, weinend und betend mit einem Rosenkranz in der Hand. Sie strafte Christina mit einem eisigen, verachtenden Blick. Überall brannten Kerzen, ringsherum lagen weiße Kamelien.

      So ein Unsinn, dachte Christina. Ein Psychologe würde diesen Traum sicherlich auseinander pflücken und ihr raten, diese alte Liebe zu vergessen. Aber konnte sie Roberto wirklich einfach aus ihrem Gedächtnis löschen? Ihr Verstand sagte ihr: Ja, denn es ist lange vorbei. Schließlich hatte sie einen tollen Beruf als Immobilienkauffrau und außerdem gab es Volker, der ihr Sicherheit und Geborgenheit gab. Ja, sie konnte mit ihrem Leben zufrieden sein. Aber hatte sie nicht insgeheim sogar gehofft, Roberto hier wiederzutreffen? Christina war ehrlich genug, um sich einzugestehen, dass sie mit sich selber ins Reine kommen musste. Denn wenn sie Volker heiratete, sollte das Kapitel Roberto ein für alle Mal erledigt sein.

      Der Wagen, der sie abholen sollte, war rechtzeitig vor der Eingangstür des Hotels vorgefahren. Im Restaurant angekommen, führte man sie zu einem reservierten Tisch, an dem sie Roberto schon erwartete. In dem türkisfarbenen trägerlosen Kleid, für das sie sich entschieden hatte, kam Christinas makellose Figur besonders gut zur Geltung. Ihre dunklen Haare fielen leicht gewellt auf ihre gebräunten Schultern. Nicht nur Roberto, sondern auch die anderen Gäste wurden durch ihre elegante Erscheinung auf sie aufmerksam. Christina sah einfach zauberhaft aus. Ihre leichte Nervosität und ihre Unsicherheit konnte sie geschickt verbergen. Voller Stolz begrüßte Roberto sie mit einem formvollendeten Handkuss.

      Er ließ zur Begrüßung Champagner bringen. Christina bedankte sich erst einmal für die wunderschönen Kamelien, die sie von ihm bekommen hatte. Es entging ihr nicht, dass auf dem Tisch, an dem sie Platz nahm, wieder ein kleines weißes Kameliengesteck stand. Er hatte es also nicht vergessen, dass es ihre Lieblingsblumen waren, und es war nicht nur Zufall mit den Blumen im Hotelzimmer gewesen. Christina wunderte sich über die ausgesprochene Aufmerksamkeit der Bedienung.

      Roberto erwähnte währenddessen kurz, dass seine Urgroßeltern väterlicherseits aus Deutschland stammten.

      Christina unterbrach ihn, „Jetzt weiß ich auch, warum du so gut Deutsch sprichst.“

      „Ich dachte, ich hätte dir das bereits erzählt?“

      „Nein davon hatte ich keine Ahnung.“

      Im Laufe des Abends erfuhr sie zudem, dass Roberto inzwischen der Besitzer dieses Hotels war. Während des Essens sprachen sie darüber, wie übel man ihnen damals mitgespielt hatte. Roberto war sehr enttäuscht von seinen Eltern. Solche Intrigen hätte er ihnen nie zugetraut. Er versprach ihr, seine Eltern in den nächsten Tagen diesbezüglich zur Rede zu stellen. Dann wechselten sie das Thema und beide bemühten sich, die Vergangenheit nicht mehr zu erwähnen. Christina berichtete, wie sie so lebte, und erzählte von ihrem Beruf. Ihre Schwester und Stefan erwähnte sie ebenfalls. Ja, sogar von Volker erzählte sie. Auch, dass sie vorhätten, in Kürze zu heiraten, verschwieg sie ihm nicht. Bildete sie sich das nun ein oder schaute er sie plötzlich irgendwie prüfender an? Sie sprach auch davon, dass ihre Eltern beide nicht mehr lebten.

      „Die Immobilienfirma, die meine Eltern meiner Schwester und mir hinterlassen haben, führen wir nun gemeinsam weiter. Mit Stefans Hilfe kommen wir ganz gut zurecht. Sonst wären wir zwei aber auch ziemlich aufgeschmissen.“

      Christina musste selber darüber lachen. Mittlerweile verschwanden ihre Unsicherheit und ihre Angst, sie unterhielten sich wie alte Freunde. Ja, sie lachten und scherzten sogar miteinander, es war genau wie früher. Nach dem Essen lud Roberto sie zu einer kleinen Hotelbesichtigung ein. Christina war angenehm überrascht. Voller Bewunderung stellte sie fest, mit wie viel Geschmack und Sinn für vornehme Eleganz das ganze Hotel eingerichtet war. Die absolute Krönung waren die Suiten.

      Nachdem sie diese begutachtet hatten, begaben sie sich in einen ganz anderen Trakt. Roberto öffnete die Tür. Christina vermutete, dass sie sich hier in der sogenannten Luxussuite befinden müssten. Die Einrichtung war sehr elegant. Überall brannten Kerzen. Es sah einfach traumhaft schön aus, Romantik pur. Die ganze Einrichtung war mehr oder weniger im englischen Stil gehalten, die Möbel aus Mahagoni und mit Messing beschlagen. Die weiße Polstergarnitur kam besonders gut zur Geltung. Rechts und links befanden sich kleine Glastische mit großen Porzellanlampen. Auf dem großen Glastisch stand ein wunderschönes Gesteck aus Seidenblumen. Die Seidenvorhänge, auf denen pastellfarbene Kamelien waren, gaben dem Ganzen eine warme Gemütlichkeit. Der große Kamin lud zum Träumen ein.

      Roberto sah ihren fragenden Blick und sagte: „Das hier ist mein ganz privater Bereich. Hier wohne ich. Du hast doch sicherlich Verständnis dafür, wenn wir uns hier weiter unterhalten? Unter den Augen des Personals fühlt man sich dann doch nicht so wohl.“

      Als Roberto ihr erneut ein Glas Champagner reichte, überfielen sie wieder diese Angst und Unsicherheit, die sie schon fast vergessen hatte. Sicherlich kam er jetzt darauf zu sprechen und wollte vielleicht wissen, weshalb sie ausgerechnet hier ihren Urlaub verbrachte? Was sollte sie ihm bloß antworten? Ihr Herz schlug plötzlich schneller. Ihre Knie fingen an zu zittern. Dann prostete er ihr zu, und als sie das Glas an ihre Lippen führte, hatte sie Mühe, ihre Hände ruhig zu halten.

      Natürlich bemerkte Roberto ihre Nervosität. Er nahm ihr ganz behutsam das Glas aus der Hand, schaute ihr tief in die Augen und flüsterte: „Hab keine Angst, kleine Christina, ich liebe dich immer noch. Ich habe nie aufgehört, an dich zu denken.“ Dann schloss er sie in seine Arme und küsste sie voller Leidenschaft.

      All ihre guten Vorsätze waren dahin. Ein Schauer voller Leidenschaft und Zuneigung durchzuckte ihren Körper. Christina hatte nicht die Kraft, sich dagegen zu wehren. Es war aussichtslos — die Angst und ihre Unsicherheit wichen einem Gefühl der zärtlichen und glühenden Erregung. Sie wurden von der gleichen Leidenschaft erfasst, die ihre Körper damals zum Schmelzen gebracht hatte. Christina konnte und wollte sich nicht dagegen wehren: Sie liebte Roberto immer noch; das wusste sie jetzt. Darum ließ sie sich einfach von ihren Gefühlen davontragen. Beide wurden von einer Leidenschaft erfasst, die sie erschauern ließ. Erst gegen Morgen schlummerten beide, eng umschlungen, vor Erschöpfung ein. Dieses Mal schworen sie sich: Keine Macht der Welt soll uns jemals wieder trennen können.

      Roberto erzählte ihr später, was er damals durchgemacht hatte, als sie einfach abgereist war und er von niemandem erfuhr, was tatsächlich vorgefallen war. Er gestand ihr, dass er Maria nie geliebt hatte. Es machte Maria auch nichts aus, da sie ihre Ehe sowieso nicht ernst genommen habe. Maria war ein fröhlicher Mensch, sie wollte immer nur lustig sein.

      Laut dachte Roberto nach: „Gab es überhaupt etwas, was Maria ernst nahm in ihrem Leben? Nein, auf eine ganz besondere Art genoss sie das Leben in vollen Zügen. So haben wir damals ein Abkommen getroffen und nur geheiratet, weil unsere Eltern es so wollten. Maria wusste, dass ich dich nicht vergessen konnte. Es gab eine Zeit, da redeten wir uns ein, wenn wir erst einmal Kinder hätten, würden wir lernen, uns zu lieben. Aber das war aussichtslos. So wurden wir sehr gute Freunde und konnten uns aufeinander verlassen.“

      „Warum habt ihr euch dann nicht getrennt?“ Christina wollte alles ganz genau wissen.

      „Marias Krankheit hat all das dann verhindert. Es wäre nicht fair von mir gewesen, sie ausgerechnet dann im Stich zu lassen, als sie mich am meisten brauchte.“ Sein Gesicht wirkte bei diesen Worten etwas nachdenklich und zugleich traurig.

      Christina