„Colleges“ in der Stadt. Alle meine Veranstaltungen finden nur innerhalb des Campus statt. Eine gerade noch zu bewältigende Aufgabe, die uns noch Zeit lassen wird für unsere Forschungsvorbereitung, das heißt Anschriften der Rückkehrer sammeln, „Samples“ ziehen, Termine machen, usw.
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Das indische Ausbildungssystem – ich vermeide den Ausdruck „Bildungssystem", denn die Vermittlung indischer Bildung findet nicht in den Institutionen des Ausbildungssystems statt – sieht „Primary Schools“ als die breite unterste Stufe für vier Jahre vor. Nach dem geltenden Gesetz soll jedes Kind die Möglichkeit haben, diese Primarstufe zu durchlaufen. Je entfernter ein Ort von der Bundeshauptstadt, von den Landeshauptstädten, von den Städten ist, um so stärker bleibt die Wirklichkeit hinter diesem Ziel zurück. In der Regel sind die Schulen auf der Primarstufe öffentliche Einrichtungen. In der Regel sind diese auch schlechter eingerichtet als die wenigen Privatschulen. Kindergärten als Regeleinrichtung sind nicht vorgesehen. In den Städten gibt es private Kindergärten. Diese sind teuer.
Der Primarstufe folgt die „Secondary School“ für weitere sechs bzw. sieben Jahre, mit Abschlüssen: „Matriculation“ oder „Higher Secondary“. „Higher Secondary“ ist in Indien die Eingangsqualifikation für „Colleges“, die zwischen der Schule und der Universität angesiedelt sind. Von „Matriculation“ aufwärts werden die Prüfungen zentral abgehalten. Klausuren in verschiedenen Fächern. Nicht landeseinheitlich zentral, sondern universitätseinheitlich. Die gesamte Republik ist in „States“, also Länder, und in die sogenannten „Union Territories“, d.h. zentral regierte Gebiete, aufgeteilt. Indien ist ein föderaler Bundesstaat mit kultureller Autonomie. Die Universitäten sind flächendeckend.
Die Zugangsvoraussetzung für die Universität wird erworben mit der „Graduation“. Ein Graduierter hat mindestens 14 Ausbildungsjahre hinter sich. Ein Graduierter wird auch „Bachelor“ genannt. In den Universitäten erwirbt man in zwei Jahren den „Degree“ eines „Post–Graduates“, der auch der Grad eines „Masters“ genannt wird, etwa vergleichbar mit der Magisterprüfung. Dieser Grad ist die Eingangsvoraussetzung für „Research Degrees“. Das Niveau der Universitäten ist unterschiedlich, funktioniert aber nach demselben Prinzip, also je entfernter von der Hauptstadt, um so niedriger ist das Niveau. Die Medizin– und Ingenieurausbildung sieht nach „Higher Secondary“ sechs Jahre für den „Bachelor Degree“ vor.
Die Fächer bilden die kleinste organisatorische Einheit. Jedes Fach hat mehrere Lehrende. „Professor“, „Reader“ und „Lecturer“ ist die hierarchische Ordnung, die zusammen ein Department bilden. Die Spitze, der „Head of the Department“, wird von der „Faculty“ und „Syndicate“ bestimmt, vergleichbar mit der Fakultät und dem Senat. Einige verwandte Fächer bilden eine Fakultät. Die Fakultäten sind unterteilt in „Science“ und „Humanities“, also Natur– und Geisteswissenschaften. Die Spitze der Fakultät, der „Dean“, wird durch das „Syndicate“ bestimmt. Die akademische Spitze innerhalb der Universität ist der „Vice Chancelor“, der formal einem „Chancellor“ unterstellt ist. Der Chancellor hat juristische Aufsicht und ist auch zuständig für die Repräsentation der Universität. Meist ist er der Gouverneur des Bundesstaates. Der Gouverneur eines Bundesstaates wird auf Vorschlag der Zentralregierung vom Staatspräsidenten ernannt. Das oberste Repräsentationsamt der Universitäten ist das Amt des „Visitors“. Der Visitor ist meist der Staatspräsident der Republik. Die Universitäten sollen nach den Buchstaben der Statuten autonom sein.
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Die ersten Tage in Jaipur sind ausgefüllt mit unserer Orientierung innerhalb und außerhalb des Campus, mit Begegnungen mit den „Deans of the Faculty“, mit dem Vice Chancellor und ähnlichem. Der Vice Chancellor heißt uns willkommen und sichert uns zu, daß wir bei der ersten sich bietenden Möglichkeit eine Wohnung oder ein Haus zugewiesen bekommen werden. Er, M. V. Mathur, ist seit dem 4. Januar 1966 im Amt. Als Universitätslehrer ohne einen Forschungsgrad, also ohne Promotion, war er „Head of the Department of Economics“ in der Universität Rajasthan und als Mitglied der „Education Commission“ der indischen Regierung wird Mathur zum Nachfolger von Dr. Mohan Sinha Metha ernannt.
Unnithan möchte uns auch dem ausgeschiedenen Vice Chancellor, Mohan Sinha Metha, vorstellen, weil Metha die Einladung an mich auf den Weg gebracht hatte, eine Prozedur, die in den Statuten der Universität nicht vorgesehen ist. Aber Metha sei eine sehr dynamische Persönlichkeit gewesen. Eigentlich habe die Universität – gegründet nach der Unabhängigkeit Indiens am 15. August 1947 – vor Methas Zeit fast nur auf dem Papier bestanden. Der Campus ist sein Werk. Alles, was wir heute sehen, ist während seiner 6jährigen Amtszeit entstanden. Metha hätte sich für mich eingesetzt in der Hoffnung, daß ich der Universität Rajasthan eventuell länger erhalten bleiben könnte.
Mohan Sinha Metha hatte vor seiner Ernennung zum Vice Chancellor der Universität wenig mit Universitäten zu tun. Er war nicht, wie sein Nachfolger Mathur, Universitätsprofessor, nein, er war Botschafter Indiens in den Niederlanden, ein Diplomat und promovierter Jurist (Ph. D., Bar-at-Law). Vor der Unabhängigkeit war Metha Minister in einem „Princely State“.
Das weitaus größte Gebiet in Britisch–Indien vor 1947 wurde von der britischen Krone direkt verwaltet, durch einen Vizekönig. Daneben existierten die „Princely States“, Fürsten– bzw. Königtümer, ca. 680 an der Zahl, die auf Papier Autonomie genossen. Diese Fürsten bzw. Könige hatten für die britische Krone Verdienste erworben. Nicht immer waren sie Nachfahren tradierter Herrscherhäuser. Die Kolonialverwaltung pflegte auch besondere Verdienste durch solche Benennungen zu belohnen. Jenes Gesetz im britischen Parlament, das die Kolonisation Indiens beenden sollte, sah eine Teilung des Landes ebenso vor wie die Unabhängigkeit dieser „Princely States“, obwohl die meisten von ihnen weder wirtschaftlich noch politisch lebensfähig gewesen wären. Das Gesetz sah deshalb auch vor, daß alle diese „Staaten“ die Option hatten, sich Indien oder Pakistan anzuschließen. Das Gesetz legte keinerlei Kriterien für die Option fest. Allerdings hatte das Volk keine Option, sondern nur die Herrscher dieser Staaten.
Nach der Unabhängigkeit ging die Eingliederung nach den jeweils erfolgten Optionen der „Princely States" reibungslos vonstatten. Abgesehen von zwei „States". Der Nizam von Hydrabad, ein muslimischer Herrscher im Süden Indiens, wollte für das ferne muslimische Pakistan optieren. Indien widersetzte sich dieser Intention des Nizams, entmachtete ihn und gliederte den „Staat“ in die „indische Union“ ein. Der hinduistische Maharaja von Kaschmir optierte für Indien, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind. Nach dem Text des Gesetzes war das in Ordnung. Aber nicht nach dem Gesetz der Macht. Pakistan mischte sich ein und besetzte einen Teil dieses „Staates“ mit der Begründung, daß das Teilungsprinzip Britisch–Indiens die Religion gewesen sei. Deshalb dürfte der hinduistische Maharaja von Kaschmir die mehrheitlich muslimische Bevölkerung nicht zu Indien führen. Damit war jene Saat des britischen Gesetzes aufgegangen, die von vielen Briten so charakterisiert wurde: „Wir gehen, um zu bleiben.“ Wegen Kaschmir haben diese beiden Nachfolgestaaten bereits drei Kriege geführt. Diese hörten jeweils dann auf, nachdem die meist importierten Waffensysteme auf beiden Seiten verbraucht waren. Kein schlechtes Geschäft für die waffenexportierenden Länder.
Der heutige Bundesstaat Rajasthan ist ein Zusammenschluß von zahlreichen „Princely States“ der Rajputs, eines stolzen Kriegervolkes. Einem dieser Staaten im Nordwesten, Udaipur, nah an der pakistanischen Grenze, hatte Metha gedient. Nach der Unabhängigkeit betätigte sich Metha mit Erfolg als Politiker und ging dann zum diplomatischen Dienst. Bereits vor seiner Pensionierung als Botschafter in Den Haag hatte er die Ernennung zum Vice Chancellor der Universität Rajasthan in der Tasche. Im Januar 1960 trat er das Amt an. Für drei Jahre. Seine Amtszeit wurde für weitere drei Jahre, die maximale Zeit, verlängert. Er hatte sich für das Erziehungswesen in Rajasthan einen Namen gemacht.
Metha hat leichtes Fieber als wir ihn in Begleitung des Head of the Department der Zoologie und der beiden Unnithans besuchen. Metha begrüßt uns freundlich und führt eine Konversation, die nicht nur seine Bildung, sondern auch seine Souveränität in Erziehungsfragen zum Ausdruck bringt. Anders als bei seinem Nachfolger im Amt. Uns gefällt die devote Art der anderen beiden Herren nicht. Gerda Unnithan, wie schon erwähnt, eine Niederländerin