Gerhard Freitag

Die Positiven


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haben den Tisch links von der Tanzfläche an der Längsseite des Hangars. Sobald du kannst, komm bitte her.“

      „Und ich nenne euch Eve und Toku, OK? Sobald der Tanz zu Ende ist, komme ich“.

      Am Ende der jazzigen Nummer begleitete Peter noch seine Partnerin zu deren Tisch und verabschiedete sich mit einer formvollendeten Verbeugung. Dann blickte er sich suchend nach dem beschriebenen Treffpunkt um.

      Eve meinte auf der Frequenz Tokus: „Das muss ein Engländer sein. Hat ja tolle Manieren. Nun, wir werden ja gleich hören.“

      Peter trat an den Tisch und sagte förmlich: „Verzeihung, ist an ihrem Tisch noch ein Platz frei?“

      „Gerne“, antwortete Eve, „Bitte nehmen sie doch Platz, Herr Kapitän.“

      Toku fügte hinzu: „Nun setzen wir uns alle Richtung Tanzfläche und tun so, als würden wir die Paare beobachten. Dabei können wir gut miteinander kommunizieren, ohne dass es auffällt, dass wir nichts miteinander reden.“

      Während Toku mit diesen Worten seinen Stuhl näher an Eve heranrückte und mit einer verliebten Geste seinen Arm um ihre Schultern legte, bestellte Peter Boid beim Kellner ein Glas Wein, rückte dann ebenfalls seinen Stuhl Richtung Tanzfläche und meinte telepathisch:

      „Das ist eine gute Idee. Niemand würde auf die Idee kommen, dass wir hier etwas anderes tun, als Leute beobachten.“

       „Wie geht’s denn Gerry?“

      „Gut, er ist inzwischen der Führer aller positiven Mutanten. Aber langsam und von vorne:

      „Gerry hat im letzten Jahr nicht nur seinen PSI-Tester weiterentwickelt und verfeinert, er hat auch weiter nach Mutanten gesucht und die Gefundenen ausgebildet. Außerdem hat er darüber nachgedacht, welche politischen Auswirkungen die positiven Mutationen haben könnten. Vor allem aber darüber, wie man die PM`s wieder in die Gesellschaft eingliedern könnte.“

      „PM´s?“

      „Ja. Wir haben formell eine Gruppe gegründet und nennen sie einfach PM, als Abkürzung für positive Mutanten. Diese Gruppe hat sich für die Zukunft verschiedene Aufgaben gestellt und Gerry zum Anführer ernannt. Inzwischen hat er die Eichung seines PSI-Testers einigermaßen geschafft und ich soll Toku ausrichten, dass er jedenfalls der stärkste Telekinet ist, den wir bisher gefunden haben. Auf seiner Skala hast du ca. 92%.“ Alle Mutanten haben telepathische Fähigkeiten zwischen 10% und 60%. Inzwischen haben wir einen Teleporter mit 50%, einen Telekineten mit 60%, zwei Hypnos mit 80%, einen Empathen mit 90%, einen Energieaufnehmer mit 70%, einen ….

      „Energieaufnehmer?“, unterbrach Eve. „Davon habe ich noch nie etwas gehört.“

      „Nun, Gerry ist auch nur durch Zufall draufgekommen. Der Kollege - er heißt übrigens Yokira Tamagoshi – fiel bei einem Hotelbrand durch die einstürzende Decke in das darunter liegende Stockwerk genau in die Flammen. Nach dem ersten Schock stellte er fest, dass seine Kleider vollständig verbrannt waren, seine Haut aber unversehrt war. Nackt flüchtete Tamagoshi über das Stiegenhaus ins Freie, entging dort irgendwie den Feuerwehrleuten, konnte in dem Chaos vor dem Hotel aus einer Tasche ein paar Kleidungsstücke stehlen und dadurch entkommen. In mehreren Selbstversuchen fand er dann heraus, dass ihm Feuer einfach nichts ausmachte. Seine Haut verbrannte nicht, verfärbte sich nicht einmal. Er verspürte auch keine Schmerzen.

       Nachdem er dann zu unserer Gruppe gestoßen war und Gerry ihn an den PSI-Tester angeschlossen hatte, stellte er fest, dass Tamagoshi 70% auf einer Frequenz aufwies, die ihm bisher noch nicht untergekommen war. Sie haben dann weitergetestet und inzwischen wissen wir, dass Tamagoshi nicht nur Feuerenergie, sondern auch elektrische Energie, kinetische Energie, und vermutlich noch anderes in sich aufnehmen kann, ohne dass er Schaden erleidet. Wofür man dass alles benützen kann, war ihnen selber noch nicht so klar.“

      „Eine tolle Entwicklung“, meinte Toku. „Bitte erzähle jetzt, was denn so wichtig ist, dass Gerry dich von der Erde bis zum Titan schickt.“

      „OK“, meinte Peter und nippte an seinem Glas, während er den Hals nach einer besonders eleganten Tänzerin reckte.

      „Bei seiner Suche fand Gerry in der Südsee eine Mutantin. Diese war leider nur eine relativ schwache Telepathin und konnte sich nicht gut zur Wehr setzen. Sie wurde von der Polizei erwischt und festgenommen. Nachdem sie einige Tage abgängig war, begann Gerry nach ihr zu suchen, fand sie aber nicht mehr. Schließlich bekam er heraus, dass die USA einen positiven Mutanten dazu benutzt hatten, andere Mutanten aufzuspüren. Wir wissen nicht, wer dieser Mensch ist, warum er der Regierungsbehörde half und was deren Ziele sind. Es besteht aber die Möglichkeit, dass die Behörden inzwischen gezielt versuchen, uns aufzuspüren. Sobald ihr nächstes Monat zur Erde zurückkehrt, sollt ihr - neben allen anderen selbstverständlichen Vorsichtsmaßnahmen - auch daran denken, dass ihr es mit einem euch feindlich gesinnten Mutanten zu tun haben könntet.“

      Eve und Toku schwiegen einen Augenblick, um das Gehörte zu verarbeiten.

      „Ihr werdet ja nach eurer Rückkehr ausgiebig medizinisch untersucht und müsst bei allen möglichen Kommissionen über eure Forschungsergebnisse berichten“, setzte Peter noch hinzu, „dabei gibt es sicher Möglichkeiten, wie man euch auf die Schliche kommen könnte.“

      „Jetzt, wo wir vorgewarnt sind, werden wir den ganzen Tag nur mit hoher Bewußtseinsblockbildung herumlaufen“, meinte Toku. Eve fügte hinzu: „Und noch vorsichtiger sein, als sonst.“

      „Genau das ist der Sinn der Warnung.

       Ich werde ich mich jetzt wieder einer schönen Tänzerin widmen. Am besten ist es, dass wir hier in Ticity nicht mehr zusammen gesehen werden. Außerdem müsst ihr, glaube ich, wieder einmal laut sprechen, sonst fällt es auf, dass ihr hier nur wortlos herumsitzt.“

      „Danke für alles. Wann fliegst du denn zurück?“

      „Morgen Abend, 19:30 Uhr Standard. Vorher muss ich natürlich noch alle Checks machen. Das bedeutet, dass ich schon ab Mittag auf den obersten Ebenen zu tun habe.“

      „Wir wünschen dir einen guten Rückflug. Grüße Gerry von uns. Wir werden uns melden, sobald wir auf der Erde sind und Gelegenheit haben, uns unauffällig von der Company zu entfernen.“

      „Wahrscheinlich können wir auch schon berichten, dass wir Mona Myers gefunden haben und dass sie bei uns mitmacht“, hoffte Eve, stand auf und forderte Toku auf, mit ihr den nächsten Tanz aktiv zu gestalten.

      Sie drehten sich auf dem parkettähnlichen Bodenbelag, der in Wirklichkeit natürlich aus programmiertem Nanoplast bestand und machten ein fröhliches Gesicht.

      Der 31.12.2099, 24:00 Uhr konnte kommen.

      Am nächsten Vormittag erwachten Eve und Toku fast gleichzeitig aus einem eng umschlungenen Schlaf. „Guten Morgen, Schatz“, raunte Eve und dreht sich zu Ihrem Partner hin.

      „Auch guten Morgen!“, gähnte dieser zurück. „Ist ja klar, dass wir heute länger geschlafen haben. Übrigens: Prosit Neujahr. Wir haben das 22. Jahrhundert.“

      „Auch Prosit“, tönte es leise zurück und Eve kuschelte sich noch ein bisschen fester an ihn.

      Nach einigen Minuten des zufriedenen Weiterdösens fragte Eve:

      „Hast du in letzter Zeit die Holo-Berichte über den letzten Jahrhundertwechsel mitbekommen?“ fragte Eve. „Die hatten doch tatsächlich Probleme mit den Datumsformaten bei der IT. Stell dir vor, damals gab es zwar schon das WWW, aber trotzdem hatten die Leute noch kein COM, die Firmen eine unvernetzte IT, man musste Daten händisch eingeben und wenn sie der Nächste brauchte, musste er das selbe nochmals erfassen, und lauter solche Sachen brachten sie im Holo.

      „Ein paar solche Sendungen habe ich auch gesehen“, meinte Toku. „Wirklich vorstellen kann ich es mir aber nicht.“

      „Ich