Gerhard Freitag

Die Positiven


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und nützten alle Möglichkeiten der persönlichen Aufrüstung mit einem Advanced Brain Chip – kurz: ABC. Dann meinte Nigel Manston: „Ich schlage vor, dass wir die beiden ersten Punkte der Tagesordnung nun vertagen. Es war sehr interessant, die verschiedenen Standpunkte zu hören, die ja alle wohlbegründet vorgetragen wurden. Wahrscheinlich werden wir im Laufe des nächsten Jahres zu einer weiteren Konferenz zusammentreffen, um die Frage nach Macht, Regeln und Einfluss außerhalb dieses Planeten näher zu diskutieren.“

      Nachdem Manston im Chatroom 5 zustimmende Meinungen abgefragt hatte, setzte er fort: „Nun zur Frage der Finanzierung und des Baues eines überlichtschnellen Raumschiffs.

      Ich darf gleich einmal den Standpunkt der USA festhalten: Die USA meinen, dass das ein Thema ist, dass man weder Einzelstaaten, oder Staatenbünden überlassen sollte, noch Konzernen, oder Konzernzusammenschlüssen. Wir stellen uns eine gemeinsame Plattform vor. Z.B. so etwas, wie die ISS im 20. Jahrhundert.“

      Wu En Mai hakte sofort ein: „Soeben haben wir fast eine Stunde über eine Instanz gesprochen, welche Verhaltensnormen für außerhalb der Erde erarbeiten und durchsetzen soll. Der Bau so eines Schiffes berührt aber praktisch das gleiche Thema.“

      Robert Seidner meinte: „Das war doch von vornherein klar, dass die drei Tagesordnungspunkte etwas miteinander zu tun haben. Da Naomi M´Butu sicher ist, im Lauf der nächsten Monate, einen Prototyp konstruieren zu können, besteht auch die Gefahr, dass sie die Erfindung an den Bestbieter verkauft. Was hat dann die Menschheit davon?“

      „Ja, eben“, schloss sich Akira Samakito an und Steve Jefferson nickte zustimmend. „Vielleicht können wir eine Gesellschaft gründen, an der alle anderen beteiligt sind? Diese könnte dann die Forschung und Entwicklung eines ÜL-Antriebs betreiben.“

      Joao Barbarez war da nicht sicher: „Ich glaube nicht, dass sich die Staatenbünde so einfach an einer Gesellschaft beteiligen können, auf die sie dann nur ein Sechstel Einfluss haben!“

      Auf diese Weise wurde auch der dritte Punkt der Tagesordnung in allen Einzelheiten analysiert, bis Nigel Manston abschließend erinnerte: „Meine Herren, dass Bankett beginnt um 23:00 Uhr, das Riesenfeuerwerk über dem Potomac River können wir von einem Gleiter aus beobachten, wenn wir wollen.

      Wenn ich zum Schluss den Stand der Diskussion zusammenfassen darf:

      Wir sind uns einig, dass die Rechtsgrundlagen für die Existenz der Menschen außerhalb des Planeten Erde bisher nicht, oder nur sehr mangelhaft existieren, diese jedoch immer notwendiger erscheinen.

      Weiters sind wir übereingekommen, dass es politischer und finanzieller Kraftanstrengungen bedarf, um ein Raumschiff zu finanzieren, zu entwickeln und dann zu bauen, welches in der Lage sein soll, unser Sonnensystem mit Überlichtgeschwindigkeit zu verlassen und auch wieder zurückzukehren.

      Ob die solaren Raumschiffe bewaffnet werden sollen - und das trifft dann natürlich auch auf ein außersolares Raumschiff zu – konnte in keiner Weise geklärt werden. Die Standpunkte waren hier extrem unterschiedlich.

      Stellt diese Zusammenfassung den Stand der Diskutanten dar?“

      Nigel Manston konnte wiederum fünf Zustimmungen registrieren und setzte dann fort:

      „Dann danke ich ihnen, dass sie meiner Einladung gefolgt sind und nehme an, dass sie ihr Kommen nicht bereut haben. Ab nun verlassen wir den virtuellen Chatroom und ich bin sicher, dass auch sie sich jetzt auf die Feier zum Jahrhundertwechsel freuen.“

      Mit diesen Gedanken schaltete er den Modus des ABC herunter, so dass er die Atmosphäre des eleganten Speisesaales wieder besser wahrnehmen konnte und stellte fest, dass die anderen es ihm gleichtaten.

      Immerhin hatten sie sich jetzt persönlich kennen gelernt und das war bereits mehr, als man vorher hätte sagen können.

      Neugierig näherten sich die Delegationsleiter wieder dem Konferenztisch und der Erfahrungsaustausch über so eine Art der Konferenz begann.

      Beim anschließenden Bankett wurden die leckersten Gerichte und exklusivsten Getränke serviert. Die livrierten Kellner mit ihren weißen Handschuhen wurden nicht nur als Anachronismus empfunden, sie waren auch als solcher gedacht. Wer weiß, ob es so etwas beim nächsten Jahrhundertwechsel noch geben würde?

      Kurz vor Mitternacht bestiegen dann alle Teilnehmer ihre Gleiter, um das Riesensylvesterfeuerwerk über dem Potomac River zu bewundern.

      3

      Die Atmosphäre enthielt jede Menge Giftgase. Vorherrschend waren Schwefeldioxid und andere Schwefelverbindungen. Die Pflanzenwelt hatte sich in hunderttausenden von Jahren an diese Luftzusammensetzung angepasst. Zwar stieg der Sauerstoffanteil in den letzten paar tausend Jahren, doch die vielen tätigen Vulkane spien unaufhörlich neue Schwefelwolken und Giftgase aus dem Inneren von Sirius 4.

      Die Fauna des Planeten hatte dieser Entwicklung Tribut gezollt und nur wenige Arten hatten sich an Land entwickelt. Die vorherrschende Art waren die Formicidenvölker, die in unablässiger Folge versuchten, ihr Brutgebiet auszudehnen.

      In den Ozeanen lebten vorwiegend Einzeller, Algen und vereinzelte Arten von Kopffüßlern.

      Dichter Dschungel bedeckte die Landmassen von Sirius 4, als das Unglück begann.

      Vor Millionen von Jahren war ein Komet in eine exzentrische Umlaufbahn um den Gravitationsmittelpunkt von Sirius A und Sirius B geschleudert worden, auf welcher er in einem immer flacher werden Winkel zur Ekliptik der Planetenebene von Sirius A kreiste.

      Nun aber begann die Gravitation von Sirius A an seiner Bahn zu knabbern.

      Noch einige Umläufe, und der Komet würde in den Sog des blauweißen Riesensterns gelangen.

      Hunderte Jahre später hatte Sirius A den Kometen aus seiner Bahn gerissen und dieser flog mit wachsender Geschwindigkeit auf die Hauptsonne zu.

      Im Konzert der Sterne der Milchstraße nur ein kleines Ereignis, war doch das Eindringen des Kometen in die Ekliptik von Sirius A ein Naturschauspiel, das einen geduldigen Beobachter zu neuen Erkenntnissen in Astrophysik gebracht hätte.

      Der Komet begann unter den neuen Gravitationsverhältnissen zu taumeln und immer größere Stück wurden aus seiner Oberfläche herausgerissen und bildeten einen immer helleren, leuchtenden Schweif. Dann geriet er auch noch in das Gravitationsfeld des noch jungen, eben erst Leben entwickelnden vierten Planeten der heißen Riesensonne und wich abermals einige Grade von seiner bisherigen Bahn ab.

      Einige Jahre später war es dann soweit: Der Komet hatte auf Sirius 4 eingeschwenkt und ein entsprechend entwickeltes Intelligenzwesen hätte berechnen können, wann es zur Kollision kommen würde.

      Der Komet wurde von Sirius A und dessen vierten Planeten immer mehr beschleunigt und drang schließlich in die Atmosphäre des Planeten ein. Der Kometenkopf zerbrach beim Aufprall auf die ersten Luftschichten in mehrere Teile. Die kleineren davon glühten unter der enormen Reibungshitze auf und vergasten. Größere Teile krachten als weißglühende Meteoritentrümmer auf die Oberfläche. Die Hauptmasse aber war viel zu groß, als dass sie in der kurzen Zeit zwischen dem Anprall an die Lufthülle des Planeten und dem Einschlag auf der Oberfläche noch allzu viel an Masse hätte verlieren können. Die Wirkung des Einschlags war die von vielen, gleichzeitig gezündeten Atombomben.

      Der Einschlagswinkel war relativ flach, so dass der Kometenkopf den flüssigen Magmakern nicht erreichte. Aber auch so war die Wirkung eine verheerende. Der Komet verschmolz mit der Kruste, warf den vierten Planeten durch die kinetische Energie um einige Grade aus seiner Bahn, erhitzte die Atmosphäre und wirbelte Megatonnen von Gestein, Pflanzenteilen, Wasser und anderen Bestandteilen der Oberfläche über den Planeten. Die entstandenen Stürme, die Hitze und die folgenden Beben, sowie die Aktivitäten der Vulkane machten die Planetenoberfläche in wenigen Augenblicken lebensfeindlich. Die meisten Pflanzen und Tiere überlebten den Einschlag des Kometen nur um Sekunden oder Minuten.

      Die Materiemassen verteilten sich in den nächsten Stunden