Gerhard Freitag

Die Positiven


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und kein Hypno. Du weißt ja, ein Hypno kann einen posthypnotischen Block setzen, die Beeinflussung eines Suggestors reicht nur für den Augenblick und während des Kontakts. Dafür wirkt sie schneller.“

      „OK, aber hast du einen besseren Vorschlag?“

       „Ich denke, wenn wir etwas über seine Auftraggeber herausfinden würden, wäre den PM´s am Meisten geholfen.“

      „Versuchen wir doch beides!“

       „Wir haben wohl nicht viele Alternativen.“

      Als sie ihre Wohnbox erreicht hatten, fragte Toku: „Wo fangen wir an zu suchen?“

      „Dasselbe habe ich auch gerade überlegt. Wenn er jemand wäre, der auf Dauer hier stationiert wäre, dann würde er systematisch vorgehen, da er ja mehr Zeit hätte, War´s ein Zufall?“

       „Ich glaube nicht. Also doch systematisch?“

      „Wenn ja, dann versucht er vielleicht der Einfachheit halber, jeweils die Abreisenden zu espern. Wer kann über diese Gruppe Bescheid wissen?“

       „Viele Leute. Am ehesten die Personalstelle.“

      „Kennst du da jemand?“

      „Vermutlich nur die Gleichen wie du.“

      „Also, die, welche für An- und Abmeldung sorgen, die Wohneinheiten einteilen, das Gehalt berechnen, den Kontakt mit den Transporteinheiten halten, und so weiter.“

       „Oder direkt die Transportleute.“

      „Oder diese. Fangen wir halt einmal bei der Personalstelle an. Da müssen wir ohnehin morgen hin. Wir könnten also schon jetzt hinfahren und im Zweifel sagen, wir hätten was verwechselt.“

       „OK, dann beginnen wir gleich. Personal ist auf 16 Grün.“

      Die Vakbahn brachte Sie von den Zentralliften der Ebene 20 in den Sektor Grün, von wo sie in die Ebene 16 wechselten.

      Eve und Toku gingen ein paar Schritte von den Rolltreppen zum Eingang der Personalstelle, und bereits unterwegs versuchten sie zu espern.

      „Nichts!“, sendete Toku nach kurzer Zeit.

       „Bei mir auch nicht. Alle denken an ihre Arbeit, niemand an feindliche Mutanten, oder so ähnlich.“

      „Er muss aber keineswegs gerade Dienst haben. Schließlich war er noch vor zwei Stunden in einem Büro, wo er absolut nichts zu suchen hatte.“

       „Versuchen wir´s bei Transport?“

      „Nein. Zuerst besorgen wir uns hier eine Liste der Mitarbeiter und deren Wohnblocks.

       „OK, ich gehe rein und stell mich dumm an. Du findest einstweilen heraus, wer so eine Liste hat und wie wir erfahren können, wer heute dienstfrei ist.“

      „Einverstanden.“

      Eve betrat den Büroblock und sprach das Net an: „Net, wo finde ich den Zuständigen für das Personal, das hier arbeitet?“

      Das Net antwortete prompt: „Bitte begib dich auf Gang 3, Zimmer 328 und wende dich an Mrs. Murray.“ Eve wendete sich zur Gabelung der Gänge in der Nähe des Eingangs, Net ließ einen Hinweispfeil bei Gang 3 aufblitzen, der verlosch, als Eve in den richtigen Gang abbog. Nach wenigen Schritten hatte sie Zimmer 328 erreicht, klopfte und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Das war ja viel einfacher gewesen, als sie sich das vorgestellt hatten. Offenbar waren hier die Sicherheitsmechanismen nicht ganz so streng, wie sie es auf Terra gewesen wären.

      Eve erblickte eine ältere Frau, im Einheitsgraublau des Titans, die Brillengläser trug. So etwas hatte sie im Zeitalter der sich automatisch anpassenden Biookulare schon lange nicht mehr gesehen. Ein Schild auf ihrem Schreibtisch wies sie als Mrs. Murray aus, so dass sich sogar weitere Fragen erübrigten.

      „GIB MIR EINE LISTE MIT NAMEN UND ADRESSEN JENER PERSONEN, DIE HIER ARBEITEN, ABER HEUTE NICHT ANWESEND SIND!“, kreischte die Suggestorstimme mit einer gedanklichen Wucht, die Mrs. Murray keine Zehntelsekunde an Gegenwehr denken ließ.

      „Net“, sagte Mrs. Murray in jenem Tonfall, der das Net zum Befehlsempfang und zur Kontrolle der Autorisation veranlasste. „Gib mir die Namen und Adressen unserer Mitarbeiter, die heute keinen Dienst haben, auf den Schirm.“

      Ein Signalton ertönte vom Bildschirm, um anzuzeigen, dass Net die Daten auf den Schirm geladen hatte.

      „AUSDRUCKEN UND DIESES GESPRÄCH UND MICH VOLLKOMMEN VERGESSEN!“, befahl Eve und die befehlende Stimme der Kreissäge fraß sich in die Gedanken der unschuldigen Mrs. Murray. Hoffentlich klappt das, dachte Eve, denn das kommt einem Posthypnoseblock schon sehr nahe. Ich weiß ja, dass das bei Hypnos funktioniert, bei Suggestoren aber nicht.

      Sie griff nach dem Blatt im Drucker und wiederholte sicherheitshalber so stark sie konnte: „DU VERGISST JETZT MICH, DIESES GESPRÄCH UND LÖSCHT DIE ANZEIGE AUF DEM SCHIRM. SOBALD ICH DEN RAUM VERLASSEN HABE, KANNST DU DICH AN NICHTS MEHR ERINNERN, WAS MIT MIR IM ZUSAMMENHANG STEHT.“

      Eve ging hinaus und Mrs. Murray drückte sofort die Löschtaste. Eve verfolgte telepathisch die Gedanken Mrs. Murrays.

      „Kopfweh….muss Harry anrufen…morgen Zusammenkunft mit Transport um 11:00 Standard… Kopfweh ..jetzt weiter …“

      Erleichterung bei Eve und Toku, der natürlich von außen die ganze Szene mitverfolgt hatte, während er das Umfeld schützend esperte.

      Eve kam heraus und meinte auf die Liste deutend: „Wir haben Glück. Das sind nämlich nur 12 Leute insgesamt. Da habe ich viel mehr befürchtet.“

      „Ja schon, aber hast du auch die Adressen gesehen?“

      „Shit“, kam die telepathische Antwort. „Viel weiter hätten die gar nicht auseinander wohnen können. Von 7 Rot bis 186 Gelb ist da alles vertreten.“

       „Wie auch immer. Lass uns die Leute abklappern.“

      Eve und Toku fuhren mit einem Zentrallift nach 186 Gelb, um sich von unten nach oben voranzuarbeiten. Als sie die angegebene Wohneinheit erreichten, gingen sie vorsichtig daran vorbei und esperten. Sie empfingen die Gedanken eines Mannes, der offenbar krank im Bett lag und mit dem Gesuchten nichts zu tun hatte.

      Möglichst unauffällig kehrten sie um und hakten die erste Adresse gedanklich ab.

      Bei der nächsten und übernächsten Adresse erging es ihnen ähnlich. Die Bewohner waren zwar zu Hause, kamen aber nicht als Attentäter in Frage.

      Beim vierten Versuch in 139 Rot, ganz außen am Ende des Sektors, war in der fraglichen Wohneinheit gar niemand anwesend. Sie untersuchten daher die Gedanken der Personen in den umliegenden Wohnboxen.

      „Kannst du etwas feststellen, Eve?“, fragte Toku.

      „Vermutlich das Gleiche, wie du.“, antwortete Eve. „Keiner der Nachbarn denkt bewusst an den Bewohner der leeren Wohnbox. Wir müssten schon einen Nachbarn danach fragen, damit er uns entweder antwortet, oder wir die Antwort aus seinen Gedanken lesen könnten.“

      In diesem Moment kam ein etwa 10 Jahre altes Mädchen um die Ecke, erblickte das fremde Paar und fragte höflich: „Kann ich ihnen helfen? Wen suchen sie denn?“

      „Wir wollten dem Bewohner der Box 139 Rot 216 eine persönliche Einladung zu einer Geburtstagsfeier bringen, aber leider ist niemand zu Hause.“, antwortete Toku geistesgegenwärtig.

      „Ooch, da wohnt eine alte Frau.“, meinte das Mädchen. „Wahrscheinlich macht sie gerade Besorgungen.“

      „Danke für deine Hilfe“, versetzte Eve. „Das war sehr nett. Wir werden es einfach in einer Stunde oder so noch mal versuchen.“

      Eve