Gerhard Freitag

Die Positiven


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alte Frauen gibt es auf dem Titan gar nicht.“

      „Für eine Zehnjährige ist vermutlich alles alt, was älter als Zwanzig ist“, schmunzelte Toku. „Versuchen wir es an der nächsten Adresse.“

      An der elften Adresse hatten sie schließlich Glück. Sie esperten einen Mann, dessen Gedankengut unter einem ziemlich dünnen Block verborgen war. Aufgrund ihrer bewussten Konzentration und Suche, wäre es kein großes Problem gewesen, den Block zu überwinden. Allerdings hätte der Mann das sofort bemerkt.

      Sie zogen sich einige Schritte zurück, sahen sich um, ob sie in dieser fremden Gegend auffallen würden und berieten dann so gedanklich >leise<, wie möglich:

      „Ich denke, wir gehen hinein und überwältigen ihn ganz einfach.“, meinte Toku.

       „Und dann?“

      „Dann wissen wir, wer seine Auftraggeber sind und was er eigentlich hier wollte.“

       „Und dann?“

      „Hmh…., na ja, nun ist klar, dass er in der Personalstelle arbeitet. Er wird also wissen, dass wir den Titan übermorgen verlassen. Vermutlich wird er seine Auftraggeber über uns informieren, wenn er das nicht ohnehin schon gemacht hat. Nachdem wir ihn jetzt verhört haben, sehe ich keine Möglichkeit, ihn weiter festzuhalten, oder ihn daran zu hindern, mit Terra Kontakt aufzunehmen.“

       „Und wenn wir versuchen, ihn umzudrehen?“

      „Wie willst du das denn hinkriegen?“

       „Keine Ahnung. Aber das ist jedenfalls ein besseres Konzept, als einfach wieder nach Hause gehen.“

      Sehr skeptisch meinte Toku: „Nun gut. Versuchen können wir es ja. Typische Frauenidee.“

       „Hallo Toku!“ kam prompt die Antwort und erst im letzten Moment hatte Eve sich daran erinnert, wie das telepathische Äquivalent von >leise< aussah. „Wir versuchen es und du hattest überhaupt keinen zielführenden Vorschlag. OK?“

      Sie gingen wieder zurück zur Adresse 104 Grün 44, stellten sich vor die Eingangstür und konzentrierten sich gemeinsam auf den Fremden.

      „KOMM ZUR TÜR UND ÖFFNE!“ Die Suggestorstimme hatte einen gedanklichen Klang, wie wenn eine laufende Kreissäge unter eine Straßenbaumaschine gerät. Gleichzeitig warf Toku seine telepathischen Energien gegen den Block des Mannes.

      Diesem gemeinsamen und unerwarteten Angriff hatte der Block nichts entgegenzusetzen. Er brach zusammen und die Gedanken des Mannes lagen frei vor ihnen. Er setzte sich zur Tür in Bewegung und nach einigen Schritten schwankten seine Gedanken in Verteidigungshaltung um. Bevor der Gedanke auch nur zu Ende gedacht war, wurde er von der Suggestorstimme abermals unter ihren Zwang gebracht, während gleichzeitig ungeheure Mentalfluten gegen seine Extrasinne anbrandeten und eine telekinetische Kraft, die wesentlich stärker war als seine eigene, seinen Körper umschlang und ebenfalls zwang, sich Richtung Tür zu bewegen.

      Diesmal hatte der Mann endgültig keine Chance mehr und war völlig im Bann der beiden Mutanten.

      „ÖFFNEN“, ertönte ein neuer Suggestionsbefehl:

      Der Mann öffnete willenlos die Tür und Eve und Toku schlüpften hinein.

      „ZURÜCK INS ZIMMER.“

      Als alle drei im Wohnzimmer des Mannes waren fragte Toku laut:

      „Wie heißt du?“

      „Jean O`Connelly“

      „Wir sind Toku Namashida und Eve White. Was wolltest du auf der Party? Sprich mit uns. Du weißt, dass wir es auf jeden Fall herausfinden würden.“

      „Ich sage gar nichts!“ - „Ich soll bloß eure Namen melden.“

      „Hör mal Jean“, begann Eve. „Dein ohnehin schwacher Block ist zusammengebrochen und während zu sprichst, denkst du etwas anderes. Lass das sein. Es ist lächerlich! Du sollst also unsere Namen melden? An wen?“

      „Es gibt da eine Frau. Der soll ich es sagen.“ – „Vera Kaminsky in Tampa/Florida wartet auf meine Nachricht.“

      Toku schaltete sich auch ein: „Du scheinst schwer von Begriff zu sein. Vera Kaminsky also. In Tampa/Florida.“

      Nun war der Widerstand Jean O`Connelly´s endgültig gebrochen. Sprache und Gedanken waren ab diesem Zeitpunkt kongruent.

      „Vera Kaminsky leitet eine Zelle der CIA, die sich damit beschäftigt, Mutanten in den USA zu finden und je nach Situation auszuschalten, beziehungsweise der Desequentzierung zuzuführen. Natürlich stößt sie dabei manchmal auch auf Leute außerhalb der USA. Aber sie arbeitet gut mit diesen zusammen.“

       „Und wie ist sie dabei auf dich gekommen?“

      „Reiner Zufall. Ich war in Orlando auf Urlaub und als ich bei einer Bank Geld abholen wollte, wurde ich telepathischer Zeuge der Vorbereitung eines Banküberfalls. Ich alarmierte ohne viel nachzudenken die Polizei und irgendwie übersah ich, dass ich die Polizei schon verständigt hatte, bevor der Überfall überhaupt richtig losgegangen war. Man hat dann die beiden Verdächtigen festgenommen, konnte aufgrund der Pistolen und Masken, sowie des Fluchtplanes im Auto der Gangster unschwer beweisen, dass der Überfall geplant, wenn schon nicht durchgeführt war. Nachdem es völlig unglaublich war, dass ich das alles wusste, ohne ein weiterer Täter zu sein, nahm man mich natürlich auch fest.

       Irgendwann gestand ich dann, wie ich zu meinem Wissen gekommen war und plötzlich stand Vera Kaminsky im Vernehmungszimmer und versprach mir, mich loszueisen, wenn ich ihr helfen würde, andere Mutanten zu finden.“

       „Und wann war das?“

      „Vor zwei Jahren.“

       „Und wie viele hast du schon gefunden?“

      „Insgesamt Drei. Ihr wart heute der Vierte und Fünfte. Aber ihr wart auch die Ersten, die meine Fähigkeiten erkannt haben und auf mich losgegangen sind. Ich bin daher nach Hause geflüchtet, um einmal in Ruhe zu überlegen, was ich jetzt tun soll.“

       „Was ist mit den Erwischten passiert?“

      „Das weiß ich nicht. Damit hatte ich nichts zu tun.“

       „Wieso bist du jetzt auf dem Titan?“

      „Vera Kaminsky war der Meinung, dass man die Erde soweit wie möglich untersucht habe. Nur die Kolonien wären noch niemals untersucht worden.“

       „Du hast also unsere Namen noch nicht gemeldet?“

      „Ich hatte heute einen freien Tag und diesen genützt, die Abreisenden zu untersuchen. Dabei bin ich auch auf die Idee gekommen, Abschiedspartys in den Büros zu besuchen. Diese sind alle feuchtfröhlich und niemand hat meine Anwesenheit bemerkt.“

      „Hast du schon einmal überlegt, was passieren wird, wenn du nun zu Vera Kaminsky zurück kommst?“, fragte Eve. „Einerseits bist du dann für sie ziemlich nutzlos, andererseits bist du ein Mutant; also jemand, den sie fürchten.“

      Es entstand eine Pause in der Unterhaltung. Die Gedanken Jean O`Connelly`s waren nun nicht mehr zielgerichtet, sondern schweiften blitzschnell von einem Thema zum nächsten. „Zurück … Erde … Vera Kaminsky … arbeiten … was? … CIA … Spion … Mutanten … gibt es noch weitere? … Was wollen sie, was wollen die jetzt von mir?“

      In diesem Augenblick mischte sich Eve wieder ein: „Meiner Meinung nach bist du ab deiner Rückkunft nutzlos, denn du hast selbst gesagt, dass man die Erde so weit wie möglich abgeklopft hat. Da der Titan die entfernteste Kolonie ist, wird man vermutlich die Näheren schon untersucht haben. Jetzt steht ein als gefährlich eingestufter Mutant vor einer CIA-Agentin. Was