Rainer Rau

Mobbing Jäger


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gab die genaue Adresse des Anwohners durch und beendete den Funkverkehr.

      Die Beamten schauten sich an und lachten.

      »Ein Kopf! Haha. Ein Fußball mit ’nem Hut drauf. Hahaha.«

      Sein Kollege war nicht so gut gelaunt und kommentierte das Ganze ärgerlich.

      »Ewig diese Betrunkenen nachts. Saufen bis in die Morgenstunden und meinen sie müssten uns, die schließlich arbeiten müssen, noch zusätzlich Ärger bereiten. Und gegen solche Menschen kannst du gar nichts unternehmen. Die lachen dich noch aus. Na gut. Sehen wir uns den Kopf mal an. Bis Schichtwechsel ist es eh noch ’ne Stunde.«

      Als sie mit Blaulicht den Berg hinauf fuhren, standen trotz der frühen Stunde schon einige Menschen auf der Straße.

      Sie parkten den Dienstwagen auf dem großen Parkplatz am Sportplatz, stiegen aus und erkundigten sich bei den Versammelten, wer die Polizei gerufen hatte.

      Patrizia Schmidt und ihre Eltern machten einen schockierten Eindruck auf die Polizisten.

      Diese erkannten nun doch sehr schnell, dass es sich hier um eine ernste Sache handeln musste.

      »Wer hat den Kopf entdeckt?«

      Patrizias Vater antwortete dem Beamten.

      »Meine Tochter hat ihn zuerst gesehen.«

      »Aha. Wie alt ist Ihre Tochter? Und was macht sie nachts um vier hier auf dem Spielplatz?«

      Herr Schmidt wurde etwas rot im Gesicht. Er wusste genau, was seine Tochter und ihr Freund hier wollten. Allerdings empfand er die Frage des Polizisten als sehr anzüglich und so fiel seine Antwort sehr knapp aus.

      »Nun, meine Tochter ist alt genug. Ihr Freund hat sie nach Hause gefahren.«

      Die Beamten waren nicht weiter an ihm interessiert und gingen vom Parkplatz um die sichtversperrende Hecke herum.

      Sie schauten sich den Kopf aus einiger Entfernung genauer an. Im Strahl des Scheinwerferlichtes ihrer großen Batterieleuchte erkannten sie, dass es sich nicht um einen Fußball mit Hut handelte.

      Der Kopf hatte auch keinen Hut auf. Die Haare wurden ab und zu von einer leichten Brise bewegt.

      So fiel der Kommentar des einen Polizisten knapp und präzise aus.

      »Ruf die Kripo. Das ist echt. Das ist nicht mehr unsere Sache.«

      2. Der Fall Kowalski.

       Zeitsprung zurück.

      Marion Kowalski war schon immer ein ruhiges und sehr introvertiertes Mädchen. In ihrer Kindheit hatte sie, gerade weil sie alles über sich ergehen ließ, sehr viel Spott einstecken müssen. Das fing schon im Kinderhort an. Man lachte sie oft aus und zeigte mit den Fingern auf sie, wenn sie wiedermal ihr Kleidchen mit heißer Schokolade bekleckert hatte. Zur Schulzeit wurde sie ebenso sehr oft geärgert. Einmal lästerten die Jungs über ihren kleinen Busen, das andere Mal war es ihr großer Hintern, über den sie sich Witze anhören musste. Ein weiteres Mal wurde sie einfach ignoriert oder ihre Schulfreunde ließen sie am Tages geschehen nicht teilhaben. Es kam auch schon mal vor, dass sie einfach zu einer Party oder einer Veranstaltung nicht eingeladen wurde. So fühlte sie sich ausgegrenzt, was sie im Prinzip dann auch war.

      Ihr Selbstwertgefühl fiel in die Tiefe und sie suchte den Fehler bei sich selber.

      Sie ergab sich dann immer in ihr Schicksal und erklärte es sich so, dass es Leute gibt, die im Mittelpunkt stehen und Leute, die als Verlierer geboren werden. So zumindest hatte es mal Onkel Karl bei einer Geburtstagsfeier ihrer Mutter und ihr erklärt.

      »Das ist so, Marion. Da kannst du gar nichts gegen machen. Es muss ja auch Menschen geben, die sich unterordnen können. Wie um alles in der Welt sollten andere sonst die Ordnung in unserem Lande herstellen? Und so schlimm ist es ja auch nicht, wenn du nicht auf der Gewinnerseite stehst. Glaube mir, das ist auch nicht so einfach wie es aussieht. Um zu gewinnen, muss man sich hart durchbeißen. Sag einfach zu allem ja und geh den anderen aus dem Weg. Dann kommst du gut durchs Leben.«

      Marion hatte ihm geglaubt. Sie war noch ein Kind und der Glaube zu den Verlierern im Leben zugehören, nistete sich für lange Zeit in ihren Kopf ein.

      Wäre sie mal aus sich herausgegangen und hätte den Lästerern die Stirn gezeigt, wäre es vielleicht nicht so weit gekommen, wie es letztendlich kam.

      Das lag jedoch nicht in ihrer Art. Sie schluckte allen Ärger und zeigte eine immer gleichbleibende, ja fast freundliche Miene.

      »Es geht schon vorbei«, war ihre Devise. Sie hielt auch allen Ärger von ihren Eltern fern. Die hätten sich sonst große Sorgen gemacht. Insbesondere ihren Vater regte es fürchterlich auf, wenn sie unglücklich war. Er wollte seinen Engel immer glücklich sehen und konnte es nicht ertragen, wenn sie traurig war oder eine melancholische Phase durchmachte. Dann ging es ihm immer schlecht.

      Die Zeit, in der sie zur Uni ging, war noch die schönste in ihrem Leben. Zwar wurde sie auch dort von einigen Kommilitonen gemobbt, sie hatte sich aber im Laufe der Jahre ein dickes Fell zugelegt und so nahm sie es gelassen. Nur ab und zu war das Leben doch sehr hart für sie. Beispielsweise wenn ein Student sie um ein Date bat, sie gerührt darauf einging, sich Hoffnung machte und er dann im Hörsaal eine Stunde später laut verkündete, dass sie sich unbedingt mit ihm treffen wollte und er das absolut nicht verstehen könne.

      Einer der Studenten meinte es wirklich nicht gut mit ihr. Er machte lautstark Witze auf ihre Kosten.

      »Wie sagte schon Sokrates: So frage ich euch, Ihr Gelehrten und Mitfühlenden, warum sollte ich mich mit einem solchen unästhetischen Anblick belasten, an dem mein Augenlicht Schaden nimmt?«

      Er hatte es laut und deutlich gesprochen und alle auf den Rängen fielen in ein kollegiales Lachen ein. Keiner machte sich Gedanken darüber, dass Sokrates diesen Satz nie gesagt hatte. Es interessierte sie nicht. Es interessierte sie auch nicht, wie sich Marion Kowalski fühlte bei solchen Attacken.

      Hätte sie die Kraft besessen und ihm eine Ohrfeige verpasst oder ihn zumindest verbal als Idioten beschimpft, hätte sie sich sicherlich Respekt verschafft.

      So aber verließ sie den Hörsaal mit hochrotem Kopf und stieß am Eingang mit einem Dozenten der Uni zusammen. Sie ließ ihn stehen und Tränen rannen ihre Wangen herunter, als sie von dem Gelände lief.

      Der Dozent vermutete, dass man nicht nett zu ihr gewesen war und stellte im Hörsaal die Gretchenfrage: »Was war eben hier los?«

      Der Student, der diese Situation herbeigeführt hatte, ergriff das Wort: »Na ja. Sie wissen ja, wie Frauen so sind. Man kann es ihnen manchmal nicht recht machen.«

      Das allgemeine Gelächter zeigte dem Dozenten, dass er die Sache nicht so schnell aufklären würde. Am Ende würde er wohl nicht ernst genommen werden.

      Er schaute verärgert in die Runde und knirschte mit den Zähnen.

      Damit war der Fall erledigt, zumal die Zeit drängte, die nächste Klausur bevorstand und der Lehrstoff noch lange nicht abgearbeitet war.

      Ein anderes Mal schüttete ihr eine Studentin heißen Tee auf die Hose, genau dorthin, wo die Hosenbeine zusammengenäht waren. Es war zwar verboten, Getränke mit in den Hörsaal zu nehmen, kontrollieren konnte und wollte das aber keiner. Als dann der Ruf von weit unten erschall: »Oh, schaut nur. Marion Kowalski hat sich in die Hose gemacht!« und ein anderer rief durch den Saal: »Das war nicht notwendig. Der neue Professor ist doch schon verheiratet«, lachte wieder der gesamte Hörsaal.

      Marion Kowalski konnte auch dieses Mal an der Vorlesung nicht teilnehmen.

      Dann gab es Tage und Wochen, in denen man sie in Ruhe ließ. In dieser Zeit war sie für ihre Kommilitonen einfach Luft. Man sprach nicht über sie, man sprach aber auch nicht mit ihr.

      Sie wusste nicht, was schlimmer war. Sie hatte kein Vertrauen zu anderen Menschen und zog sich ganz zurück.

      In