Narcia Kensing

Saphirherz


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      Narcia Kensing

      Saphirherz

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel eins

       Kapitel zwei

       Kapitel drei

       Kapitel vier

       Kapitel fünf

       Kapitel sechs

       Kapitel sieben

       Kapitel acht

       Kapitel neun

       Kapitel zehn

       Kapitel elf

       Kapitel zwölf

       Hinweis

       Weitere Werke der Autorin:

       Impressum neobooks

      Kapitel eins

      Die Münzen wogen schwer in Lillys Hand. Zehn Quarters, glänzend und kühl. Vermutlich war der alte Kerl froh, sein Kleingeld endlich loszuwerden.

      Falls ich je in der Lotterie gewinnen sollte, fahren sie hoffentlich nicht mit einem LKW vor und laden Hartgeld bei mir ab, dachte Lilly und lächelte schief. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Jackpot knackte, lag jedoch ungefähr so hoch wie jene, dass ihre Cousine jemals in eine Size Zero Röhrenjeans passen würde. Was nicht ausschließlich an den lachhaften Gewinnchancen lag, sondern vielmehr an Lillys magerem Budget - und an Alexis' Kleidergröße natürlich. Lilly konnte es sich nicht erlauben, ihr hart verdientes Geld der Lottogesellschaft in den Rachen zu werfen. Aus dem Alter für unrealistische Träume war sie ohnehin längst raus.

      Mr. Bennett griff mit seinen dünnen Fingern in die Tasche seiner Bundfaltenhose und förderte drei zerknitterte Eindollarscheine zutage, von denen ihm einer auf den Boden fiel. Mit einem Ächzen bückte er sich danach und reichte Lilly das Geld mit zittriger Hand. Sie nahm es brav lächelnd entgegen und versenkte die Scheine zusammen mit den Münzen im vorderen Fach ihrer Umhängetasche.

      »Danke für deine Hilfe, Mädchen. Ich hätte das nicht alleine geschafft.« Mr. Bennett nickte ihr mit einem breiten Lächeln zu, wobei ihr eine Duftwolke seines penetranten Aftershaves entgegenwehte. Weshalb benutzten alte Männer immer so fürchterlich riechende Produkte?

      »Kein Problem, Mr. Bennett. Wenn ich Ihnen das nächste Mal helfen kann, sagen Sie einfach Bescheid, meine Handynummer haben Sie ja.« Lilly setzte ihr freundlichstes Gesicht auf und schüttelte seine Hand, ehe sie sich abwandte und die Wohnungstür von außen hinter sich schloss. Sie seufzte, als sie wieder allein war. Den halben Abend hatte sie damit zugebracht, Mr. Bennetts Gardinen zu waschen und die oberen Regalfächer abzustauben. Sie fühlte sich schmutzig und sehnte sich nach einer Dusche. Und wofür die ganze Plackerei? Für wenig mehr als fünf Dollar. Nicht, dass ihr Geld viel bedeutet hätte. Der alte Mann besaß selbst kaum etwas. Aber wer behauptete, Geld mache nicht glücklich, hatte nie in einer echten Notlage gesteckt. Es machte vielleicht nicht glücklich, beruhigte jedoch ungemein.

      Lilly mochte Mr. Bennett, er hatte schon in der Nachbarschaft gelebt, als Lillys Leben noch in geordneten Bahnen verlief. Ein Relikt aus den alten Zeiten, das sie auf verquere Weise an die Vergangenheit erinnerte - und damit an ihre Mutter.

      Sie verdrängte die nagende Trauer und die düsteren Gedanken, die ihre Kehle aufzusteigen drohten. Wenn sie sich ihnen jetzt hingab, käme sie morgen den ganzen Tag nicht aus dem Bett, was Alexis' Geduld auf eine harte Probe stellen würde. Und das konnte sich Lilly erst recht nicht erlauben. Dann wäre sie nicht nur finanziell knapp bei Kasse, sondern auch noch ohne Dach über dem Kopf.

      Lilly schaltete das Licht im Flur ein, stieg die Treppe hinunter und öffnete die Haustür. Inzwischen war es draußen völlig dunkel. Ein kühler Wind pfiff durch die Straße, die wie ausgestorben vor ihr lag. Ein Blick auf ihre Uhr verriet, dass es gerade erst halb neun war. Um diese Zeit wurden im beschaulichen Middletown bereits die Bürgersteige hochgeklappt. Nicht im wörtlichen Sinne natürlich, aber dennoch begegnete man nach Einbruch der Dunkelheit in diesem Kaff kaum noch jemandem. Lilly hätte es nicht gewundert, wenn tatsächlich jemand auf die Idee gekommen wäre, hochklappbare Bürgersteige zu installieren.

      Es nieselte leicht, auf dem Asphalt hatten sich bereits Pfützen gebildet, die im Lichtkegel der Straßenlaternen glitzerten. Ein durch und durch grauer und trostloser Tag. Lilly schlug den Kragen ihres Mantels auf und machte sich auf den Weg durch die verlassenen Straßen. Ihr Rücken schmerzte. Sie musste sich dringend einen neuen Job suchen, der ihr mehr als fünf Dollar am Tag einbrachte. Sie würde sich niemals eine eigene Wohnung leisten können, wenn sie sich darauf beschränkte, alten Männern die Gardinen zu waschen. Alexis knallte ihr nun schon seit Wochen diverse Zeitungen vor die Nase, doch die meisten Stellenanzeigen waren unbrauchbar. Entweder richteten sie sich an ausgebildete Fachkräfte oder an Menschen, die gewillt waren, in ein Ballungsgebiet umzuziehen. Lilly hatte nicht einmal einen Collegeabschluss, und wenn sie darüber nachdachte, ihr geliebtes Middletown zu verlassen, bildete sich ein zentnerschwerer Stein in ihrem Magen. Hier waren ihre Wurzeln, hier hatte sie mit ihrer Mutter gelebt. Die Stadt war langweilig und bot jungen Menschen keine Perspektive, und objektiv betrachtet hätte Lilly nichts davon abhalten sollen, ihre Siebensachen zu packen und zu verschwinden, doch sie trauerte um jede Straßenecke, jedes Haus, das sie an ihre Mutter erinnerte. Sie wusste, dass sie sich nur selbst quälte. Sie würde nie über ihre Vergangenheit hinwegkommen, wenn sie hier blieb.

      Als Lilly die Kreuzung erreichte, an der sie sich hätte nach rechts wenden müssen, um zu Alexis' Apartment zu gelangen, ging sie kurzerhand geradeaus. Sie war jetzt ohnehin schon nass und dreckig, und um diese Uhrzeit war der Friedhof immer herrlich still und verlassen. Zudem hatte sie keine Lust, sich heute Abend noch das Gezeter ihrer Cousine, die darüber klagte, dass sie sich mit Lilly auf fünfundvierzig Quadratmeter zwängen musste, anzuhören. Sie hatte ihr freiwillig angeboten, dass Lilly bei ihr wohnen konnte, bis diese einen neuen Job gefunden hatte. Vermutlich eher aus Pflichtgefühl als aus ehrlichem Interesse. Alexis und deren Mutter Joy waren die einzigen beiden Verwandten, die Lilly noch hatte. Genau genommen wohnte noch eine weitere Tante in New York City, aber die hatte Lilly seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Sie hasste es, bei Alexis auf der Couch schlafen zu müssen. Seit das kleine Hotel unten an der Straße geschlossen und Lilly somit ihren Job verloren hatte, war alles aus dem Ruder geraten. Sie hätte sich gewiss einen neuen Job in einem anderen Hotel suchen können, doch in der Umgebung gab es keine, die ungelerntes Personal beschäftigten. Und der Gedanke, in eine Großstadt zu ziehen, jagte Lilly einen Schauder nach dem anderen über den Rücken.

      Sie erreichte