Elias Crown

Harkael


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viel Liebe und Aufmerksamkeit.

      Es entging ihm aber auch nicht, wie sich die neugierigen Blicke der Menschen zunehmend in Misstrauen und Bösartigkeit den Serezianern gegenüber verwandelten. Er sah, dass diese Entwicklung bald zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Gruppen führen würde und er sprach mit den betroffenen Familien, denen die Feindseligkeit gegen ihre Kinder auch nicht verborgen geblieben war. Die meisten versuchten ein unauffälliges Leben zu führen, sie zogen sich immer mehr zurück und blieben unter ihresgleichen.

      Doch die Stimmung in Eroenya wurde drückender, eine lang andauernde Dürre laugte Land und Leute aus. In dieser dunklen Zeit verbreitete sich eine verheerende Seuche, der die Menschen hilflos ausgeliefert waren. Ohne Schutz starben unzählige Kranke am Straßenrand und die Krankheit machte auch vor dem König nicht Halt. Als er starb, war Eroenya ohne Führung und ein heftiger Kampf unter den Mitgliedern des regierenden Senats entbrannte. Einem besonders machtgierigen Senator, der die Herrschaft im Königreich um jeden Preis erlangen wollte, kam diese Seuche gerade recht. Er streute das Gerücht, dass allein die Serezianerkinder am Unglück von Eroenya Schuld hätten und die Menschen glaubten diese Lüge nur zu gerne. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Nachricht im ganzen Reich und somit war die Jagd auf die Serezianer eröffnet.

      Zalazans Ahnung hatte sich erfüllt und die Zeit des friedvollen Zusammenlebens war beendet. Ab jetzt galt es, die besonderen Gaben der Serezianer mit allen Mitteln zu bekämpfen und dem machtgierigen Senator war dafür jedes Mittel recht. Er erkaufte sich die Unterstützung einiger tatkräftiger Helfer. Diese verdorbenen Seelen verbreiteten Lügen, hetzten das Volk gegeneinander auf und scheuten auch nicht vor Gewalt und Verbrechen zurück. Sie gingen sogar so weit, dass sie eine Familie töteten und den Verdacht auf die Serezianer lenkten. Das Volk war in Aufruhr und den Serezianern schlug blanker Hass entgegen, der Boden für ein Massaker war bereitet und der Senator hatte die Rechtfertigung für die Auslöschung der Serezianerfamilien.

      Die Soldaten durchkämmten jede Ecke in Eroenya nach Serezianern, alle Familien und Kinder sollten ausfindig gemacht und getötet werden. Chaos und Verzweiflung brachen aus, viele flohen aus dieser Hölle, ohne zurückzublicken. Es war der pure Kampf ums Überleben und jeder versuchte seine Kinder mit aller Kraft zu retten.

      Zalazan war zu dieser schrecklichen Zeit bereits ein erwachsener Mann von dreißig Jahren und entsetzt über die Feindseligkeit der Menschen und so hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst vielen Familien zu helfen und sie auf unbekannten Pfaden aus der Stadt in Sicherheit zu führen. Unermüdlich war Zalazan unterwegs, immer wieder kehrte er in die Stadt zurück, um noch mehr Serezianer zu retten. Jedes Mal traf ihn das Grauen mitten ins Herz und was er in der Stadt zu sehen bekam, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen.

      Das pure Grauen herrschte hier: Kinder, die noch vor kurzem gespielt und getollt hatten, lagen nun leblos auf den Straßen und tiefe Verzweiflung machte sich breit. Zalazan, getrieben davon, den Seinen zu helfen, ihnen das Überleben zu schenken, kam wieder und wieder zurück und suchte ruhelos in dieser Stätte der grauenhaften Vernichtung nach weiteren Überlebenden.

      Er lief durch die Gassen, als er plötzlich eine unbändige Kraft wahrnahm, die sein Herz fast stocken ließ. Mit einem Ruck blieb er stehen und erspürte die Kraft, ließ sie geschehen, sich von ihr leiten. Zalazan kehrte wie von selbst um, ging einige Schritte zurück und die magische Kraft trieb ihn in eine kleine Gasse. Schritt für Schritt und voller Vertrauen ließ er die Vision die Führung übernehmen. Er sah feuerrote Rillen an den Hauswänden, ineinander verschlungen und zu beiden Seiten der Gasse in eine Richtung weisend, formten sie am Ende des Weges eine Tür. Zalazan hörte nichts mehr vom ohrenbetäubenden Kriegslärm, der rund um ihn tobte, für ihn zählte nur noch diese leuchtende Tür, die er zu öffnen hatte. Atemlos drückte er die Klinke und wie von selbst ging die Tür auf. Vor ihm standen eine junge Frau und ein Mann, die gerade versuchten, ihre beiden kleinen Kinder zu verstecken. In ihren Blicken sah er tiefste Angst, denn sie hielten Zalazan für einen Soldaten.

      „Bitte! Verschont unsere Kinder!“, flehte die verängstigte Mutter.

      Zalazan, überwältigt von der Kraft, die von diesen Kindern wie ein Strahlen ausging, wollte nichts anderes, als einen Blick auf sie werfen und er trat näher an die Familie heran, der ein Ausweichen in diesem erbärmlich kleinen Raum unmöglich war.

      Noch nie hatte Zalazan sich so von etwas angezogen gefühlt, wie von diesen kleinen Kindern, die die Mutter an sich gepresst hielt. Langsam streckte er seinen Arm aus und öffnete vorsichtig das Tuch, in das eines der Kinder gehüllt war. Das Adergeflecht auf der Haut des Säuglings war wie mit flackerndem Feuer überzogen und die äußeren Ringe der Pupillen hatten dieselbe strahlende Farbe. Zalazan enthüllte das zweite Kind und es war ebenso, die Zeichnung war gleich, nur in einem kräftigen Türkis – fasziniert betrachtetet er die beiden.

      Es schien so, als hätten diese Kinder die Führung in der Hand und Zalazan ins Haus geleitet.

      „Noch nie habe ich so etwas gesehen, wie heißen die Kinder?“, fragte Zalazan flüsternd.

      „Harkael und Efrael“, antwortete der Vater misstrauisch und rückte noch näher an seine Frau.

      „Ich bin Zalazan, habt keine Angst. Ich werde euch helfen. Ihr könnt nicht hier bleiben, die Soldaten durchsuchen jede Ecke in Eroenya. Kommt mit mir“, versuchte Zalazan die Familie zu überzeugen.

      Unsicher warf sich das Paar einen Blick zu, aber sie hatten ohnehin keine andere Wahl, als diesem Fremden zu vertrauen. Warten würde den sicheren Tod bedeuten. Zalazan war schon an der Haustür und blickte vorsichtig durch einen Spalt hinaus ins Freie. Es war niemand zu sehen und mit einer Handbewegung deutete er dem Paar, zu ihm zu kommen. Gemeinsam schlichen sie ins Freie, Zalazan übernahm die Führung, denn er wusste, wie sie ungesehen zu den Pfaden kommen konnten, die aus der Stadt führten. Doch plötzlich standen ihnen drei Soldaten im Weg, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren. Die Mutter der Kinder brach sofort in verzweifeltes Weinen aus und einer der Soldaten herrschte sie an:

      „Ihr da! Bleibt stehen!“ Um seine Worte zu bekräftigen, zog er sein Schwert und hielt die gefährlich glänzende Klinge vor die Gruppe. Es gab keinen anderen Weg mehr, Zalazan setzte seine Kraft ein und schleuderte die drei Soldaten mit Leichtigkeit durch die Luft. Vor Angst schreiend krachten ihre Körper an die Mauern, die die enge Gasse einsäumten.

      „Schnell! Wir müssen weiter“, trieb Zalazan seine Schützlinge an, ohne den Soldaten einen weiteren Blick zu gewähren, denn er wusste, dass sie jetzt die ganze Aufmerksamkeit der Verfolger auf sich gezogen hatten.

      Der Vater hatte eines der Kinder genommen und half seiner Frau, an den benommenen Soldaten vorbei zu kommen. Sie liefen hinter Zalazan die engen Gassen entlang, bald hatten sie es geschafft. Vor ihnen lag ein Waldstück und Zalazan hatte zuvor schon sein Pferd hier versteckt, als er von der Rettung der letzten Serezianerfamilie zurückgekehrt war. Doch das Schreien der Soldaten wurde immer lauter. Sie kamen ihnen auf Pferden hinterher und der Abstand wurde zusehends kleiner.

      Als sie die Flüchtenden auch noch in nicht allzu weiter Ferne entdeckten, trieben sie ihre Pferde mit Gewalt an und bald war lautes Schnauben zu hören. Zalazan und der Vater wechselten einen Blick, sie hatten beide die Lage richtig erkannt. Es stand nur ein Pferd für die Flucht bereit und das sollten die Mutter und die Kinder benutzen. Zalazan sollte ihr Begleiter sein, denn nur er kannte den rettenden Weg. Der Vater wollte ihnen bei der Flucht noch den Rücken freihalten und sich den Soldaten kämpfend in den Weg stellen. So könnten sie wenigstens einen kleinen Vorsprung erringen. Schnell küsste er seine Kinder und umarmte seine Frau zum Abschied.

      „Rettet die Kinder! Ich werde die Soldaten, solange es geht, aufhalten!

      Laut schreiend zog er sein Schwert aus der Scheide und stürzte sich in den Kampf, dem sicheren Tod entgegen. Nicht sehr lange würde er die Feinde aufhalten können und deshalb half Zalazan der Mutter schnell aufs Pferd.

      Gerade als er ihr die Kinder reichen wollte, traf sie ein Pfeil mit voller Wucht an der Schulter, der sie vom Pferd schleuderte. Zalazan war fast außer sich vor Aufregung, die Soldaten würden sie bald erreicht haben.

      Als er der Frau