Elias Crown

Harkael


Скачать книгу

sind so schwach, Amelias! Du musst immer ganz genau fühlen, was dein Herz sagt, denn du hast ein sehr gutes und mutiges Herz, Amelias − entscheide dich immer für das Richtige.“

      Amelias hörte dem Meister aufmerksam zu und versuchte die Worte auch im Herzen zu verankern. Still ließ er sie nachklingen und beide Männer versanken in Schweigen vor dem flackernden Kaminfeuer, das den Worten in ihrem Innersten Raum gab. Amelias fühlte sich plötzlich wieder stark und seinen Aufgaben gewachsen. Er mochte diese Stärke, die ihn nach jenen Momenten überkam. Das In-sich-gehen ließ ihn sich selbst als vollkommene Einheit erfahren und er fühlte sich bereit für die Herausforderungen des nächsten Tages.

      Amelias verabschiedete sich von seinem Freund und gleich nachdem er gegangen war, fing der Meister an, sich vorzubereiten. Balaan faltete ein Tuch auf, legte darauf Brot, Wurst, Obst und ein wenig Gemüse und verschnürte es zu einem festen Bündel.

      Mitten in der Nacht brach er auf, versicherte sich gewissenhaft, dass Amelias wirklich gegangen war und ihn auch sonst niemand beobachtete. Die Laterne in der Hand marschierte er schnell in Richtung des Wasserfalls Perlenlicht.

      Am nächsten Morgen öffneten sich die Tore des Palastes und Amelias ritt mit einer Hundertschaft an Soldaten hinaus, um König Murakan sicher zu empfangen. Die Straßen waren gesäumt mit Schaulustigen, die gekommen waren, um den Tross mit den geschliffenen Schwertern und polierten Rüstungen, die so herrlich in der Sonne glänzten, zu bestaunen. Amelias führte die Soldaten, die vor Kraft und Stärke strotzten, an. Auch er selbst strahlte förmlich vor Selbstbewusstsein auf seinem wunderschönen Tiger Kaplan. Vor dem König und den Senatoren hielt die Truppe zum Gruß an und am Blick des Königs war zu sehen, wie stolz er auf diese Soldaten war. Nach einem kurzen Halt gab er energisch das Zeichen zum Aufbruch.

      Die Gruppe ritt gemächlich durch die fahnengeschmückte Stadt, erst nach Durchschreiten der Stadtmauern erhöhten die Soldaten das Tempo. Die Hufe der Pferde trommelten auf dem trockenen Boden und so erreichten sie rasch die Mammutwälder mit den gigantischen Baumriesen, deren Baumkronen Hunderte von Metern hoch und deren Stämme von zwanzig Männern nicht umfasst werden konnten.

      Zügig und gedanklich auf ihr Ziel gerichtet, durchquerten sie die Wälder und erreichten den Außenposten auf den Hügeln vor dem Tor von Marlakas. Hier waren Soldaten dauerhaft für die sichere Passage von Händlern und Reisenden im Einsatz und sie hatten Amelias und seine Truppe bereits von Weitem gesichtet. Gleichzeitig näherte sich auch König Murakan mit seiner hundert Anhänger starken Karawane dem Tor von Marlakas. Angeführt wurde die Gruppe von Karrnatan, dem Heerführer Marndrons, der für seine Kriegslust und Herzlosigkeit bekannt war. Stets ging er mit äußerster Härte und Grausamkeit vor und hinterließ nach jeder Auseinandersetzung eine Spur der Verwüstung. Aber auch Elenas, die wunderschöne Tochter des Königs, war dabei und sie begleitete ihren Vater in einer aufwändig gestalteten Kutsche, die von sechs prächtigen Rappen gezogen wurde.

       „Vater, ich bin sehr glücklich über die Entscheidung, endlich dauerhaften Frieden zwischen beiden Völkern zu schaffen.“

      Elenas war überaus erfreut und stolz ihren Vater auf dieser Reise begleiten zu dürfen, der Frieden zwischen den beiden Völkern lag ihr sehr am Herzen. Der König kannte die Wünsche seiner Tochter, aber auch er selbst war sehr an einem friedlichen Zusammenleben mit dem benachbarten Königreich Eroenya interessiert.

       „Es macht auch mich glücklich, meine zauberhafte Elenas. Unser Volk hat genug gelitten. Als König trage ich die Verantwortung für das Wohlergehen meiner Untertanen und ich bin froh, dass König Tabian von Eroenya das auch so sieht.“

      Heerführer Karrnatan ritt mit finsterem Gesichtsausdruck neben der Kutsche und konnte die Worte des Königs und seiner Tochter mit anhören.

      „Was macht Ihr eine so düstere Miene, Karrnatan? Seid Ihr nicht auch der gleichen Meinung wie meine Tochter und ich?“, wollte der König von seinem Heerführer wissen.

      „Ich denke immer noch, dass die Eroenyaner diesen Frieden nicht lange wahren werden, sie sind seit jeher unsere Feinde, sie werden uns in den Rücken fallen, sobald sie die Gelegenheit dazu haben“, mutmaßte der Heerführer.

      Doch König Murakan wollte den Argwohn seines Heerführers nicht gelten lassen und antwortete laut:

       „Genug, Karrnatan! Ich habe diesen Friedenspakt lange überdacht und mich dafür entschieden. Ich erwarte, dass auch Ihr, mein Heerführer, meine Entscheidung mittragt.“

      Um den König zu beruhigen und ihm seine Zustimmung zu zeigen, senkte Karrnatan den Kopf. Doch in seinem Herzen war er weit davon entfernt, seine Zweifel aufzugeben.

      Es war ein wunderschöner Tag und Amelias stand mit seinen Soldaten auf der Kuppe des Hügels, von der aus sowohl das fruchtbare Tal, als auch das Wüstenreich zu sehen war. Das Zusammentreffen dieser so gegensätzlichen Reiche, das prachtvolle Grün der Pflanzen einerseits und die leblose Dürre des Sandes andererseits, war jedes Mal ein seltsamer Anblick. Getrennt wurden sie durch das Tor von Marlakas, das mit den fünf riesigen Säulen eine schnurgerade Grenzlinie bildete und mit den eingemeißelten Linien und Symbolen eine tiefgründige Magie vermuten ließ.

      Amelias stand für einen Augenblick ganz in seine Gedanken verloren hoch auf dem Hügel und betrachtete das mystische Tor. Dieser Anblick verursachte ihm jedes Mal ein unruhiges Gefühl, das er nicht genau zu deuten vermochte.

      Auch heute erging es ihm nicht anders, besorgt wandte er sich seinen Soldaten zu:

       „Seid immer wachsam, Eroenyaner! Ihr wisst, wir dürfen uns keinen Fehler erlauben, das könnte verheerende Folgen haben. Beobachtet stets die andere Seite des Tores, die Wüste ist sehr gefährlich. Kein Mensch, der dieses Reich betreten hat, ist je wieder zurückgekehrt. Manche bezeichnen es als das Totenreich, in dem böse Kräfte am Werk sind. Unsere Aufgabe ist es, diese Grenze abzusichern, damit König Murakan und sein Gefolge unbeschadet passieren können.“

      Amelias hatte die Soldaten an ihre Stellungen entsandt. Ein Hornbläser war am Eingang des Tals beauftragt, die Ankunft des Königs mit lauten Fanfaren zu verkünden. Die übrigen Soldaten waren angewiesen, an den Höhlen des Plateaus ihre Vorkehrungen zu treffen. Die Höhlen waren von Hand in den Fels gemeißelt und die Eingänge mit wuchtigen Eichentüren mit schweren Ketten versperrt worden. Laut knarrend wurden sie geöffnet und ein Soldat brachte ein gut versiegeltes Fass heraus und rollte es zum Rand des Plateaus, von dem man direkt zum Tor von Marlakas gegenüber blicken konnte. Entlang einer schnurgeraden Linie, ausgerichtet an den fünf Säulen des Tores, waren Steinblöcke mit massiven Messingschalen angeordnet. Vor jeden Block stellte sich ein erfahrener Bogenschütze, er musste mit seinem Pfeil exakt eine der Säulen des Tores treffen.

      Der Soldat öffnete das Fass sehr vorsichtig, schöpfte mit einem großen Holzlöffel eine blau schimmernde, zähe Flüssigkeit heraus und goss sie in die Messingschalen. Es war das Zaubermittel Giljan und als alle Schalen gefüllt waren, zogen sich die Soldaten in ihre Stellungen zurück, um auf die Ankunft des Königs Murakan zu warten.

      Ein lautes Hornsignal zerfetzte die Stille und an der linken Talseite war der reisende Tross bereits zu erkennen.

      Zuvorderst ritten die Fahnenträger auf prächtig herausgeputzten Pferden und im Anschluss kam die sechsspännige königliche Kutsche, flankiert von fünfzig berittenen Soldaten, deren Rüstungen im Sonnenlicht glänzten. Amelias erhob seine Hand und gab das Zeichen an den Bogenschützen, der einen brennenden Pfeil nahe vor die Fahnenträger abschoss.

      Mit einem Ruck blieb die Gruppe stehen und selbst aus der großen Entfernung war spürbar, wie verunsichert die Reisenden mit einem Mal waren. War das der Empfang, den man den Gästen, die zu rein friedlichen Zwecken gekommen waren, bieten wollte?

      Karrnatan, der Heerführer, entdeckte Amelias‘ Soldaten sofort und sein Blick richtete sich starr auf sie. Auch der König sah aus der Kutsche, um in Erfahrung zu bringen, was es mit dem plötzlichen Stillstand auf sich hatte. Erneut hob Amelias seine Hand zum Zeichen für die Bogenschützen, die ihre Pfeile mit Giljan, der Zauberflüssigkeit, in den Messingschalen tränkten.

      Ein