Yule Dackelpfötchen

der freche Papagei Muppel und die Reise zum Zauberbaum


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betrat der vorsichtige Bernie vorneweg den Tunnel in dem es kalt war, da die Strahlen der Sonne hier das dichte Nadeldach nicht durchdringen konnten.

      Da der Tunnel fast alle paar Schritte eine abrupte Richtungsänderung machte, so als ob der Pfad ebenfalls davor scheuen würde, als ob auch er Zeit heraus schinden wollte, die Lichtung zu betreten, war Bernie fast erschrocken, als sie nach einer weiteren Windung unvermittelt die kleine kreisrunde Lichtung am oberen Ende erreicht hatten. Das in Vergleichen vielbemühte Licht am Ende des Tunnels,- normalerweise hätte dieses süße Licht der Sonne ihr Gemüt nun ein wenig erhellen müssen, doch da ragte nach wie vor dieser anderthalb Mann hohe Stein aus der Erde, oben wie eine leicht schräg stehende Tischplatte abgeflacht, die dem Gerücht der einstigen Opferbringung keinesfalls abwegig war.

      So standen sie einige Zeit nebeneinander, die Köpfe gehoben und betrachteten furchtvoll diesen Stein, lauschten in ihn hinein.

      Nichts, absolute Totenstille. Kein Vogelgezwitscher, keine Grille, kein Rauschen des Windes.

      „Äh, Bernie, ich ...“, Bernie zuckte zusammen, als Peters Stimme die Stille plötzlich durchriß, es war, als hätte ihn sein Freund durch ein Megaphon hindurch angesprochen.

      „Glaubst du wirklich, das dies ein Platz ist, an dem sich Zwerge wohl fühlen würden?“.

      „Da hast du irgendwie recht, Peter. Trotzdem. Jetzt sind wir nun einmal hierher gekommen. Ich werde mich auf jeden Fall mal ein wenig umsehen.“.

      Er ging langsam und vorsichtig um den Stein herum und versuchte dabei, in den ungewöhnlich dichten Ringen der Tannen, die die kleine Lichtung umgaben, etwas Außergewöhnliches wahrzunehmen. Aber da gab‘ s nur blickdichte Äste und Tannennadeln.

      Peter, der ebenfalls mehrere Runden um den Stein drehte, kam zu dem selben Resultat. Auch am Boden fanden sich keinerlei Spuren.

      Peter wollte bereits erleichtert den Rückweg antreten, doch Bernie hielt ihn zurück.

      „Warte mal, kannst du dich noch an das Gerücht erinnern, der Wald oberhalb des Steins sei so dicht, dass es unmöglich sei, ihn dort zu durchqueren?“

      Auch Peter hatte früher einmal davon gehört. Einige Kinder aus dem Ort, die hier ihre Mutproben vollbracht hatten, behaupteten dies.

      Wie Peter zurecht befürchtete, wollte sich Bernie davon überzeugen, dass an diesem Gerücht nichts dran sei.

      Nervös beobachtete er, wie sein Freund genau oberhalb des Steines zwischen die Tannen trat und erwartete ohne weiteres, diesen zwischen den Zweigen verschwinden zu sehen.

      Das aber war nicht der Fall. Es sah ganz so aus, als ob Bernie sich gegen eine unsichtbare Barriere anstemmte, Peter sah, wie er mit Armen und Beinen arbeitete wie ein Traubenpflücker bei der Lese, sich dabei aber nicht einen Zentimeter weiter in den Wald hinein bewegte. Jetzt wurde ihm noch unbehaglicher zumute. Daher war er sehr froh, als Bernie, dem von der vergeblichen Anstrengung der Schweiß auf der Stirn stand, sich umdrehte und mit besorgtem Blick zu ihm zurückkam.

      „Laß uns von hier verschwinden Peter. Das ist mir doch zu unheimlich. Da ist wirklich kein Vorwärtskommen. Das ist Hexerei! Und warum ist es so still hier? Kein einziger Vogel zu hören. Findest du das nicht auch merkwürdig?“

      Plötzlich bekam es Peter richtig mit der Angst zu tun. Es war, als hätte Bernie durch seine Unkerei ein in seinem Bewußtsein verankertes Sicherheitsventil von dessen Sperrstöpsel befreit. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, lief er in den Tunnel und verschwand darin. Gerade wollte Bernie ihm folgen, als eine unsichtbare Macht ihn dazu veranlaßte, seinen Kopf ein letztes Mal zurück zu wenden. Es war, als hätte jemand ein Seil an seiner Nasenspitze befestigt und zöge nun mit Brachialgewalt daran, er konnte dieser Kraft nichts entgegensetzen. Und siehe da, dort droben auf dem Stein, wo vorher garantiert nichts außer purer Luft gewesen war, saß nun plötzlich ein über beide besonders langen Ohren grinsender, bärtiger alter Mann, dessen Beine lässig über den Rand des Steines herab baumelten. Seltsamerweise knipste dieser Mann ihm ein Äugelchen. Während er dies tat, fuchtelte er mit einem kurzen Stock wie wild in der Luft herum und murmelte merkwürdige, Bernie gänzlich unverständliche Worte.

      Der Bärtige trug eine Art Robe, sie war in einem feinen, sehr farbintensiven Dunkelviolett, auf dem sich Kugeln und Kringel in so schrillen Farben abhoben, dass es Bernie in den Augen schmerzte.

      Die Robe hing über seine Knie hinab bis zu seinen lächerlich langen, wie Pfeilspitzen zulaufenden Galoschen.

      Bernie wollte seinen Freund zurückrufen, doch er stand bloß wie angewurzelt, mit akuter Maulsperre und war auch darüber hinaus unfähig, irgend etwas zu unternehmen. Dann winkte ihm der unglaublich vergnügt wirkende Alte mit der linken Hand zu, mit der rechten fuchtelte er immer noch in der Luft herum und war urplötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Im selben Moment verschwand auch das lähmende Gefühl aus Bernies Körper und ein lautes „Peeeeeeeeeeter“ entfuhr seinem vor Staunen weit offen stehenden Mund, bevor er seine langen Beine unter die Arme nahm und den Tunnel hinab rannte so schnell er nur konnte. Vollkommen atemlos stoppte er erst, als er neben seinem staunenden Freund wieder auf der Waldkreuzung angekommen war.

      Ganz klar, dass Bernie wieder und wieder erzählen mußte, was er dort auf der Lichtung gesehen hatte. Letztlich, bei Peters Haus angekommen, wußte dieser gar nicht mehr, wo ihm der Kopf denn nun stünde. Bernie ging es angesichts der merkwürdigen Begegnung nicht anders. Er zweifelte nun langsam doch ein wenig an seinem Verstand. Außerdem mußte er dringend eine Überweisung auf der Dorfpost abgeben, das Finanzamt wartete nun mal nicht gerne. Also beschlossen sie, sich am Abend erneut bei Peter zu treffen.

      Bei einem Gläschen Wein und in der Ruhe und vermeidlichen Sicherheit von vier Wänden würde man dann schon weitersehen.

      Peter, Muppel und das Gelage

      Bernie hatte sich, kaum daheim angekommen, sogleich auf sein Bett geschmissen, um ein wenig nachzudenken und seine innere Ruhe wenigstens teilweise wiederzugewinnen. Während einer Yogaübung, die er zu diesem Zwecke ausführte,- es war die, bei der man einfach nur daliegen und die Erdanziehungskraft auf seine sämtlichen Gliedmassen solange einwirken lassen mußte, bis Arme und Beine ganz schwer wurden, seine Lieblingsübung, schlief er ein.

      Darauf hatte sein Unterbewußtsein nur gelauert. Schon wenig später fand sich Bernie mitten in einem obskuren Horrorszenario eines Traumes wieder, gefangen, nicht nur in seiner Traumwelt, sondern auch in den klebrigen, fesselnden Fäden eines gigantischen Spinnennetzes. Sein erster Gedanke „wo ist die Spinne?“ beantwortete sich ihm schneller, als ihm lieb war. Ein Zucken ging durch das Netzwerk und als Bernie seinen Kopf zu dessen Ausgangspunkt richtete, sah er sie. Was für ein garstiges Vieh! Und wie groß erst mal. Er hatte sich schon vor Spinnen geekelt, wenn er eine Ausgabe in normaler Größe in einer Ecke seines Klos entdeckt hatte. Nur hatte er da nicht die Abmessungen einer Stubenfliege gehabt, so wie jetzt gerade. Er blickte sich weiter um. Tja, wie es aussah, war er das einzige Delikatesshäppchen auf dieser klebrigen Spielwiese. Das achtbeinige Monster kam, wahrscheinlich seinen Nährwert mit den verwirrend zahlreichen Augen abtaxierend, näher gehangelt. Bernie zappelte und strampelte, doch der natürliche Superkleber der Fäden hielt seinen Befreiungsversuchen problemlos stand. Die Spinne hatte nun schon die Hälfte ihres Weges bis zu ihm zurückgelegt.

      Doch als das Insekt ihn fast erreicht hatte, hörte Bernie ein Quieken und Jaulen und Gröhlen aus vielen rauhen Kehlen und er blickte nach vorne. Dort kam eine ganze Armee winziger Zwerge, ihre Äxte, Hämmer und Spitzhacken über ihren behelmten Köpfen schwingend, angerannt. Ihr Anführer war der kleinste der drei Zwerge, die Bernie vielleicht (selbst in seinem Traum zweifelte er noch daran) in der Nacht zuvor im Märchenwald gesehen hatte.

      Wild fluchend und auf die Spinne schimpfend, erreichte die Zwergenmeute die unteren Enden des Netzes und die Zwerge begannen, einer nach dem anderen, wild hin und her schaukelnd, daran empor zu klettern. Bernie freute sich und wollte seinen Kopf in Richtung Spinne drehen, um sie zu verhöhnen und zu verspotten, doch in diesem Moment hörte er ein vertrautes Geräusch aus der entgegengesetzten Richtung. Ein leises Klingeln. Kleine, aber wichtige Glocken läuteten.

      Ring.