Arnulf Meyer-Piening

Das Doppelkonzert


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zumeist der Fall ist, wurden nur Belanglosigkeiten ausgetauscht. Im Wesentlichen ging es nur darum, sich selbst richtig ins Bild zu setzen.

      Die eine oder andere wohlklingende Rede wurde gehalten. Am Schluss folgte die unvermeidliche Damenrede. Isabelle hatte Konselmann als Redner ausgewählt, weil er der jüngste, unverheiratete Mann im Raum war. Er erhob sich, straffte sich und blickte der Reihe nach jeder Frau mit einem leichten Lächeln ins Angesicht. In eleganten Anspielungen auf die Schönheit der anwesenden Damen zeigte sich Geist und klassische Bildung des Redners. Im Grunde war es gleichgültig, was gesagt wurde; es kam nur darauf an, wie es gesagt wurde. In feinsinnigen Redewendungen bemühte er klassische Schönheiten vom göttlichen Olymp wie Aphrodite, Athene und Hera und war zufrieden, dass er sich nicht in der Rolle des Paris befand, der die Schönste der anwesenden Damen zu beurteilen hatte. Als er geendet hatte, fand seine blumenreiche Rede allgemeinen Beifall und Zustimmung besonders der Damen. Er hatte einen glänzenden Eindruck hinterlassen.

      Man erhob sich und ging in den Salon. Nun wandte er sich den Herren zu, von denen er Ansätze zu künftigen Aufträgen erhoffte.

      Der Berater ging von Gruppe zu Gruppe und erwies sich als gewandter Gesprächspartner. Unglaublich, dachte Isabelle, während auch sie von Gruppe zu Gruppe wechselte, wie er die Leute einzuwickeln versteht. Mit seinen Andeutungen, mit seinem Gehabe, mit seiner Körpersprache, die er wirkungsvoll einzusetzen versteht, erregt er die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. Wenn die wüssten, dachte sie, wie wenig hinter der Fassade steht. Er hat Ähnlichkeit mit meinem Ex-Mann, dachte sie, aber sie würde sich nicht noch einmal von einem Mann vor seinen Karren spannen lassen. Sie würde es allen zeigen, wer der Intelligenteste unter ihren Mitmenschen war: Wer letztlich der Triumphator sein würde. Aber Konselmann wäre ein härterer Brocken, den zu knacken nicht leicht sein würde. Jedenfalls war Vorsicht geboten, denn sie könnte sich die Zähne an ihm ausbeißen.

      Der Berater war ein Profi seines Fachs. Er spielte souverän auf dem Klavier der harmonischen Beziehungen. Vorerst ging es um Isabelle. Sie galt es zu gewinnen. Mit ihr würde er berufliche Informationen teilen und die ihren nutzen. Sie würde das Wissen für sich behalten, nützte ihr doch sein elegantes Auftreten, denn sie würde sich an ihn binden, würde mit ihm gemeinsam an ihrem eigenen Erfolgskonzept arbeiten. Auch er könnte ihr von Nutzen sein. Nur gemeinsam würden sie es schaffen. Sie würde ihm helfen, und er würde ihr helfen. Sie würden sich die Bälle gegenseitig zuspielen und müssten nur aufpassen, dass keiner zu Boden fiel. Sie glichen einem Jongleur-Paar, das mit vielen Bällen spielte und sie zur gleichen Zeit mit wechselnder Höhe in der Luft hielt.

      Was suchte sie? Wohlstand, Reichtum, Macht? Nicht nur. Sie wollte sich an ihrem Mann rächen, der sie mit seiner Sekretärin betrogen und sie anschließend verlassen hatte. Dabei hatte sie ihn beruflich unterstützt, was auch immer er tat. Sie hatte sich im Hintergrund gehalten, wie er es von ihr verlangt hatte. Das war der Preis für den Adelstitel, den er ihr durch die Heirat verschafft hatte. Dabei hatte sie ihm oft aus finanziellen Schwierigkeiten geholfen, wenn er wieder einmal Geld bei dubiosen Geschäften verloren hatte. Jahrelang hatte sie die Zeche gezahlt und geschwiegen. Das war nun ein für alle Mal vorbei. Sie suchte das Vergessen, den Neubeginn, die Herausforderung, das Unbekannte. Sie suchte ihren eigenen Weg, der ihr bisher verborgen geblieben war. Sie suchte die Nähe zu einflussreichen Männern, die sie für ihre Zwecke nutzen würde.

      Dafür schien Graf Ebersbach genau der richtige Mann zu sein. Aber sie wollte nicht mehr von ihm herumgestoßen und gegängelt werden, wollte nicht nur die elegante Begrüßungsdame des Grafen sein, sondern wollte ihren Einsatz selbst bestimmen. Und für den großen Geschäftserfolg brauchte sie einen Partner: Guido Konselmann. Das war der Mann, der ihr helfen und der das fehlende Wissen über betriebliche Details liefern konnte. Wenn sie ihm half, würde er ihr helfen: Ein fairer Deal, davon war sie überzeugt. Ein Bündnis auf Gegenseitigkeit. Doch so einfach schien die Rechnung nicht aufzugehen. Sie hatte etwas Wichtiges übersehen.

      Berater im Rampenlicht

      Nach dem Essen trafen sich die Damen und Herren auf der Veranda zu einem Glas Cognac oder Champagner. Einige Herren rauchten vorzügliche Zigarren aus Kuba. In kleinen Gruppen standen sie in lockerem Gespräch beisammen. Seltene Perserteppiche aus reiner Seide bedeckten den Boden. Indirektes Licht erhellte den Raum. Die Bilder stellten überwiegend ländliche Szenen am Ufer einer Flusslandschaft mit Ruinen im Hintergrund auf bewaldeten Höhen dar.

      Konselmann gesellte sich zum Ehepaar Pauli sowie Wolfgang Sämann, dessen Schwester Ingrid und seiner Tochter Julia. Sie schienen im angeregten Gespräch vertieft zu sein. Kaum wagte er, es zu unterbrechen und wollte nicht unhöflich sein. Etwas zögerlich näherte er sich der Gruppe.

      Er wurde von Herrn Pauli lebhaft begrüßt:

      - Herr Konselmann, es freut mich, dass wir uns hier in diesem Kreise wiedersehen. Wir haben lange nichts voneinander gehört.

      - Ich war zu beschäftigt, aber ich wüsste gern, wie es Ihnen und Ihrer Firma in der Zwischenzeit ergangen ist.

      - Danke, wir sind zufrieden. Ihr persönliches Engagement hat uns damals aus der Klemme geholfen. Wir haben die Arbeiten in Ihrem Sinn fortgeführt. Dabei hat uns meine Frau geholfen, die Ihnen mit Sicherheit noch in Erinnerung geblieben ist. Lächelnd legte er seine Hand auf ihren Arm.

      - Ja sicher, beeilte sich Konselmann zu sagen. Er wusste stets genau das zu sagen, was der Hörer von ihm erwartete: Sie waren damals unsere Stütze und hießen Angelika Röttgens, wenn ich mich recht entsinne. Ohne Sie hätten wir keine Präsentation rechtzeitig fertiggestellt. Wir standen immer unter extremen Zeitdruck.

      Sie lächelte:

      - Sie erinnern sich sogar noch an meinen damaligen Mädchennamen. Respekt! Erinnern Sie sich auch noch, dass wir damals eine Marktstudie gemacht haben?

      Der Diener trat hinzu:

      - Möchten Sie noch etwas trinken? Champagner, Cognac oder Espresso?

      Konselmann wählte Espresso und nahm den Gesprächsfaden wieder auf:

      - Ich erinnere mich genau, als wenn es gestern gewesen wäre. Wir fuhren von einem Kunden zum anderen, waren viele Tage unterwegs gewesen und hatten fast hundert Gespräche mit den Leitern des Einkaufs und des Verkaufs geführt. Wir wollten wissen, welche Farben, welche Stoffe und welches Design in der nächsten Saison besonders gefragt sein würden.

      Frau Pauli legte ihre Stirn in Falten:

      - Wir erhielten so viele Meinungen, wie wir Kunden sprachen. Und dennoch waren die Gespräche für uns sehr hilfreich. Es waren nicht nur die Ergebnisse der Befragung, die uns halfen, die richtigen Entscheidungen zu fällen. Es war etwas Anderes: Wir hatten unseren Kunden gezeigt, dass wir uns für sie interessierten, dass sie für uns wichtig waren und dass wir ihre Meinung ernst nahmen.

      - Konselmann strich sich nachdenklich über sein Haar. Sein Gesichtsausdruck war entspannt und flößte Vertrauen ein: Zunächst war die Situation für uns schwierig, sagte er. Wir waren wegen der Vielzahl der divergierenden Meinungen, die wir gehört hatten, etwas ratlos und wussten nicht, was wir machen sollten. Da half uns das Glück: Wir hatten unsere Kunden unter anderem nach der Zukunft von Jeans-Stoffen gefragt. Die ziemlich einhellige Meinung war: Jeans ist out!

      - Frau Pauli sagte: Wenn wir damals dieser Meinung gefolgt wären, dann hätte es das Aus für unsere Firma bedeutet, denn wir hatten noch große Bestände auf Lager. Was sollten wir tun?

      - Wir setzten alles auf eine Karte und brachten eine neue Jeans-Kollektion heraus, sagte Konselmann und fasste Herrn Sämann ins Auge.

      War er an dieser Begebenheit interessiert oder langweilte er sich? Letztlich ging es um ihn: Ihn wollte er beeindrucken und auch seine Schwester, vielleicht sogar seine Tochter Julia. Im Übrigen handelte es sich um etwas längst Vergangenes.

      - Das war unser Glück, setzte Herr Pauli den Bericht fort. Und an seine Frau gewandt fügte er mit einem feinen Lächeln hinzu: Dann hätte ich auch nicht das Glück gehabt, dich zur Frau nehmen zu können. Sie quittierte die freundliche Bemerkung, mit einem vielsagenden Lächeln.

      Konselmann