Tiny von Wedel

Für immer bis zum nächsten Mal


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Am Montag trudel ich dann bei euch ein. Dann habt ihr immerhin noch ein recht glückliches Wochenende vor euch, ha! Also, die Mauern höher die Keller tiefer bis dahin und ich freu mich sehr auf euch."

      "Wir auch! Wir freuen uns auch sehr, dich nächste Woche hier zu haben. Magnus wird entzückt sein und erst Walburga.“ Walburga war Magnus Mutter und somit Alices Schwiegermutter. Eine Stelle, die naturgemäß in den meisten Ehen zu besetzen ist. „Komm mal schnell her und alles Weitere dann."

      "Dann bis gleich." Damit verwirrte Valerie alle die sie nicht kannten. "Bis gleich" konnte auch in einem Jahr sein. "Das hört sich nicht so lange an." "Bis gleich", lachte Alice, die Valerie ja schon lange genug kannte.

      Valerie buchte sich einen Flug für den übernächsten Tag. So hatte sie noch genug Zeit für einige Vorbereitungen und um vor der "Arbeitswoche" bei Magnus und Alice noch ein Wochenende bei ihrem alten Freund Arthur Fandenberg zu verbringen, der in der Nähe von Hamburg lebte und somit endlich auch mal wieder etwas zu tun für ihr "Freude & Vergnügen-Profit-Center". Ein wenig Zerstreuung hatte sich vor Phasen großer Konzentration und intensiver Arbeit schon immer als zuträglich erwiesen. Vor allem der Freude und dem Vergnügen zuträglich, aber für ihre Arbeit würde hierbei sicherlich auch noch etwas abspringen.

      Der Flug war gebucht, alle von der Reise betroffenen Freunde waren vorgewarnt und es war ein anstrengender Tag gewesen. Sie würde die Dinge jetzt bis zum Abflug langsam angehen lassen, nur noch ein wenig am Kapitel-Aufbau basteln und ein paar Recherche-Arbeiten erledigen. Aber das konnte eigentlich auch Fanny während Valerie in Hamburg war übernehmen. Hier zeigte sich wieder einmal deutlich, dass wenn man mit der nötigen Leidenschaft und überzeugtem Engagement bei der Sache ist, erledigen sich die meisten Dinge ganz wie von selbst. Das liegt nun einmal in der Natur der Dinge.

      Die meisten Entscheidungen im Leben sind Replikationen, das heißt Wiederholungen von Entscheidungen, die sich in der Vergangenheit als richtig erwiesen haben. Diese Automatismen, dieser Entscheidungsfindungs-Sparmodus führt leider wiederholt dazu, die meisten Entscheidungen aufgrund weniger guter Gründe zu treffen. Und meistens geht das ja auch gut. Und das hoffte Valerie jetzt auch bei diesem „Steckenpferd-Buch“.

      ✩

      5

      Der Autor trinkt viel und isst wenig hatte sie sich angesichts einer erneuten, nicht zu überkommenden abendlichen Schreibblockade noch einmal vor Augen geführt. Was dann später in der Nacht dazu führte, dass etwas an ihren Fenstern vorbeizog, was sich anhörte wie vorbeifahrende Muppets auf Rädern. In London konnte man nie wissen. Vielleicht waren es tatsächlich vorbeifahrende Muppets auf Rädern. Fozzie, Floyd und ein paar von Gonzos Hühnern. Und ihre beiden Stadtfüchse bellten dazu.

      Der nächste Morgen produzierte ein viel zu helles Tageslicht und eine viel zu pünktliche Fanny, die mit Koboldmiene, warmen Schokoladen-Muffins und den allerneusten Neuigkeiten in der Tür stand. Und einem Ding, das aussah, wie - ein Helikopter als es an Valerie vorbei in die Eingangsdiele flog.

      "Grundgütiger! Himmel - was... Fanny was ist das?" versuchte Valerie dieses morgendliche Flugphänomen zu klären, das jetzt auch noch rot "Hello" blinkte.

      "Guten Morgen Sweetie. Das ist ein Ufo Space Messenger. Ist der nicht niedlich? Habe ich gestern Abend von einem der Brüder von Paula geschenkt bekommen."

      "Es ist nicht das Erste, was ich retten würde, wenn das Haus in Flammen steht. Sei ein Schatz, komm rein und mach die Tür hinter dir zu. Leise! Und das Ding bitte in die Schublade mit der Aufschrift "Geschenke in letzter Minute." Ich danke dir." Die Reizüberflutung des Morgens stellte eine gewisse Herausforderung dar.

      Fanny hatte letzten Abend - bei einer der drei Vernissagen, zwei Lesungen und fünf Partys - einen Einkäufer von Harrods kennen gelernt. Es konnte aber auch vorher auf einem Tee bei einer ihrer Freundinnen gewesen sein, so genau wusste sie das nicht mehr. Dieser wollte jedenfalls unbedingt die Zitatenschilder in sein Programm aufnehmen, erzählte sie aufgeräumt und fröhlich bei ihrem fünften Milchkaffee. Er hatte eins der Schilder bei Lizzy, einer gemeinsamen Bekannten gesehen und war begeistert.

      "Valerie, Lizzy. Das Mädchen was wir bei Daniel kennengelernt haben. Drei mal Dorothee Parker-Bestellung. Du weiß doch "Take care of the luxuries and the necessities will take care of themselves." Nein? Gut, also bei ihr hatte er eines der Schilder gesehen und war begeistert von der Idee und überhaupt. Riesen Hemingway Fan. Will er gleich die ganze Serie bestellen. Und dann habe ich gehört..."

      "Fanny! Gnade ruft es aus dem Publikum", hauchte Valerie noch kurz dazwischen, sich mit angezogenen Knien auf dem rot gepolsterten Tudor-Küchen-Thron-Stuhl in eine ihrer Lieblings-Cashmere-Haus-und-Kater-Jacken wickelnd. Sie war heute eine Idee reduziert und betrieb das Denken in eher homöopathischen Dosen. Mit komplexen Zusammenhängen zu ihr durchdringen zu wollen, war daher vollkommen sinnlos.

      "Du brauchst ein wenig Metropolen-Input. Unbedingt. Also, offen gestanden fand ich diese skandalumwitterte Geschichte des angeblichen „Mädchenklo-Exhibitionisten“ einen Witz, und du glaubst nicht, wer mir erzählt hat...."

      Valeries Hirn war gnädig und schaltete vorübergehend ab. Erst geraume Zeit später hörte sie Fanny wieder sagen: "Es war wirklich wahnsinnig komisch." Nach einem kurzen Blick auf Valerie fügte sie noch hinzu: "Na ja, man muss dabei gewesen sein."

      Sie würde Valerie morgen selbstverständlich gern zum Flughafen fahren, wenn sie dafür die Woche ihren Mini haben könnte. Fannys Auto - ein uralter Peugeot 404 und hässliches Gefährt - war wieder einmal in der Werkstatt, was keinen der ihren Fahrstil kannte verwunderte. Sie war eine schlechte Autofahrerin, aber das aus Leidenschaft. Valeries Autoherz krampfte sich dann auch kurz zusammen bei dem Gedanken ihren geliebten Veteranen-Mini in die Hände von Fanny zu geben, aber man sollte sein Herz nicht so sehr an Dinge hängen. Apropos, die London-Liste für Bernhard musste noch raus und das Abendessen mit Adrian nächste Woche musste verschoben werden. Verschieben war besser als absagen. Absagen sah immer gleich so beleidigt aus.

      "Bist du ein Schatz und sagst Adrian, dass ich nach Hamburg zu Magnus und Alice fahren muss und wir unser Essen leider verschieben müssen. Ich weiß nicht, wann er wieder in der Stadt ist, und er kann mich anrufen, wenn er da ist und nichts Besseres in London zu tun hat."

      "Das soll ich so sagen?"

      "Was ist verkehrt daran?"

      "Wenn er nichts Besseres in London zu tun hat?"

      "Schau doch bitte mal, ich habe ein Problem mit meinem Mac", fiel es Valerie jetzt auf einmal ein, und sie schob Fanny ihr iBook über den Tisch in deren "Schoko-Muffin-Milchkaffee-Frühstücks-Landschaft.

      "Das geht alles immer langsamer und langsamer. Das kann so nicht richtig sein."

      Fanny zog das Arbeitsgerät fachmännisch zu sich rüber und bekam nach einem kurzen Blick ihre spitze Nase, wie immer bevor sie etwas Bedeutendes zu sagen hatte.

      "Na ganz hervorragend. Du hast hier über achtzehntausend Titel in deiner Musikbibliothek. Das ist wirklich faszinierend für jemanden, der beruflich nichts damit zu tun hat. Teufel auch, du solltest dich entscheiden, ob du ihn als Entertainment-Center oder zum Arbeiten nutzen willst."

      "Pah, das sind doch nur ein paar Dateien oder Daten. Das kann doch nicht..."

      "Es ist nicht sehr hilfreich "pah" zu sagen", unterbrach hier der verständnislose IT-Spezialist des Hauses. "Herrje Val, was machst du mit achtzehntausend Titeln? Du musst dich doch von ein paar trennen können. Vielleicht erst einmal von den fünfzehntausend Nicht-Lieblingstiteln."

      Da war er wieder. Der wunde Punkt.

      "Das kann man, muss man aber nicht. Und das ist doch auch gar nicht die Frage. Man kann doch die Festplatte erweitern oder so etwas in der Art. Das weiß sogar ich. Lösungs- nicht problemorientiert an die Dinge rangehen!" Es war manchmal besser, auf den Dialog zu verzichten und die Dinge einfach zu ändern und besser zu machen. Für das Erstere hatte Valerie sich jetzt in diesem Fall zumindest schon einmal entschieden.