Tiny von Wedel

Für immer bis zum nächsten Mal


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Ich freu mich auf dich."

      Und gleich neben der Planung - nicht zu vergessen - wohnte auch gleich noch die große Schwester, die Disziplin. Mit Verantwortung, Ernsthaftigkeit und Cousine Konsequenz eine große, glückliche Familie und verschworene Gemeinschaft in ihrem Haus in der Routine-Straße. Eine Gegend, die Valerie bereit war zu meiden, wie der Vegetarier das Schlachthaus. Anscheinend ging es im Leben aber nicht ganz ohne Verbindung in dieses feindliche Lager, derer„von-und-zu-ohne Fleiß-keinen-Preis“. Und ab und zu musste man einfach auf die Hilfe der Götter hoffen.

      Es war manchmal wirklich nicht ganz einfach, sich ein erwachsenes, eigenständiges Leben aufzubauen, die Verantwortung für drei Ex-Ehemänner zu haben – sich außerdem zu versuchen gleichmäßig in deren Leben einzumischen – und nebenbei noch die eigene Zukunft nicht aus den Augen zu verlieren. Der eine hat eine Illusion der andere hat eine Wirklichkeit. Und dieser würde sie jetzt in die Augen sehen. Und dazu gehörte unbedingt der nächste Auftrag, und das war es, was sie sich jetzt ansehen wollte. Irgendwas mit „Au“.

      2. Kapitel

      ✩

      1

      Geld verschönt die guten Zeiten und tröstet in deren Abwesenheit. Und da in dieser Welt nun einmal eine gewisse Kausalität zwischen Arbeit und Geld zu bestehen scheint und da Arbeit außerdem und bekanntermaßen das beste Mittel ist, um einen den dunklen Abgründen zu entreißen, würde sie den Buchauftrag selbstverständlich annehmen. Aber ausgerechnet Au Pairs, eines der wenigen Gebiete, auf dem Valeries Erfahrungsschatz auf ein überschaubares Häuflein Nichts zusammenfiel. Valerie hatte Kindermädchen gehabt. Als sie klein war. Also für sich selbst. Aber das war nun wirklich schon – nun, ein bisschen her.

      Sie hätte mühelos, und wie am Fließband Bücher schreiben können wie: „Nachts in der Medina. Die besten Bars von Marrakech.“, „Verantwortung - Das Fremde in mir. Konfrontieren. Verstehen. Integrieren.“, „Zwangswechsel – Parallelen in der Jagd und im wirklichen Leben.“, „Sex & Geschenke“ (Familie und Freunde hatten sie gebeten dies Projekt zu verschieben und am Besten auf unbestimmte Zeit.), „Detox & Retox. Wege in die Sucht“ (dito), „Das Abwettern von Böen - Nautische Taktiken in der Ehe“, „Ab und zu ab- und zunehmen. Das Leben als Jojo.“, und dergleichen mehr. Eine recht ausgedehnte Bandbreite an Lebensthemen also, aber ausgerechnet „Au Pairs“ sollte das Buchthema sein. Wirklich Großartig!

      Wer Valerie kannte und solche, die sie noch kennen lernen sollten, mussten wissen, dass auch eine einhundertprozentige Nichtkenntnis auf diesem Gebiet kein Hindernis, sondern geradezu eine Herausforderung darstellte. Glücklich sein wird für gewöhnlich nicht durch die Verfolgung des Glücks erreicht, sondern ist normalerweise ein Nebenprodukt anderer Aktivitäten, wie irgendein kluger Mensch einmal bemerkte. Und eine solche Aktivität würde sie jetzt in Angriff nehmen. Sie lag schon ganz klar erkennbar vor ihr. Bevor man aufgab, musste man es versuchen. Und außerdem lag Mut angesichts widriger Umstände in ihrer Familie. Da war sie sich ganz sicher. Große Denker - dessen Namen ihr gerade entfallen waren - hatten Thesen aufgestellt wie: nun, Gewagteres wurde jedenfalls auf dieser Welt vollbracht als über ein Thema zu schreiben, von dem man partout keine Ahnung hatte und auf dem man somit völlig kenntnisfrei war.

      Was sie jetzt brauchte, war eine Quelle zur Materialsammlung auf diesem unbekannten Gebiet. Menschen, die biologisch programmiert waren jemanden zu lieben. Menschen, die Verantwortung kannten und die damit verbundenen Aufgaben. Menschen, denen Ernsthaftigkeit zur zweiten Natur geworden war. Die das individuelle Wohl zum Wohle des Familienwohls, wenn auch nicht vollständig aufgegeben, so doch signifikant eingeschränkt hatten. Was sie brauchte waren: Eltern! Was sie brauchte waren ihre Schwanenburgs. Ihr "Au Pair-Ass" im Ärmel. Die perfekte Familie und Material-Generierungs-Basis im Norden Deutschlands. Die einzige Familie, die sie kannte, die es mit fünf fabelhaften Kindern und einer kaum noch zu rekapitulierenden Horde Au Pairs geschafft hatte, immer noch Menschen zu bleiben und dazu noch Ihre besten Freunde. Und das war manchmal für weitaus ungebundenere Lebensformen durchaus mit Schwierigkeiten verbunden.

      Sie würde den Auftrag natürlich annehmen und das Tor dieser unbekannten Au Pair und Familien-Welt weit aufstoßen. Alles nur eine Frage der professionellen Vorbereitung. Sie hatte schließlich Fantasie, Weltkenntnis und Probanden. Und die beste Möglichkeit etwas über ein Gebiet zu lernen, das man nicht kannte, war bekanntermaßen ein Buch darüber zu schreiben. Mit ein, zwei Flaschen gutem Rotwein sollte die Materialsammlung die Sache von ein paar Abenden werden, eines Moments geradezu. Sie rief also ihren Verlag an und sagte zu. Nicht umsonst war „The best way out is always through“ die Nr. 1 ihrer Top-5 Zitatenschilder.

      Valerie hatte in ihrem Leben neues Terrain noch nie gescheut und hatte - angetrieben von der Freude an Neuem und meist mit dem Luxus der Option - schon ganz andere Herausforderungen auf ihrem Weg angenommen. Und der mit der Arbeit noch verbundene zusätzliche Reiz des Gelderwerbs - das heißt der optionalen Unabhängigkeit - hatten sie zu vielen neuen Ufern aufbrechen lassen. Ihre Vita liest sich dann auch wie ein Wald-und-Wiesen-Lauf durch die verschiedensten Tätigkeits-Landschaften.

      Während Schule und Studium hatte sie nebenbei als Model gearbeitet und hatte dabei Fotografen mit ihrer damaligen Weltsicht erst in tiefe Sinnkrisen gestürzt und wurde dann auch gleich von einem von ihnen geheiratet – wahrscheinlich, als dieser noch in einer solchen steckte. Das behauptete damals zumindest Alwine Anheim, Bernhards Mutter und ihre damalige erste Schwiegermutter. Diese Quoten-Schwiegermutter, und Lady Macbeth des Paläozens, die in keiner vollständigen Ehe-Chronik fehlen durfte. Dann wurde bei einem quasi auf dem Wege liegenden kurzen Ausflug in die Schauspielerei zur Erlösung aller entschieden, dass hier kein Talent im noch so Verborgenen lag. Es folgten noch verschieden Abstecher unter anderem in den Bühnenentwurf und die Landschaftsgärtnerei. Es wurde eine Platte aufgenommen (s. "Schauspielerei") und dann kamen noch eine Möbel-Kollektion und die Hundezucht dazu - wobei diese eher unfreiwillig entstand - und schließlich der aktuelle Zitatenschilder-Handel.

      Valerie hatte einfach ein Temperament, das leicht zu begeistern und ebenso schnell zu langweilen war. Sie war absolut in ihrer Bewunderung und endgültig in ihrer Abwendung. Eine für die sorgfältige Auswahl generell und die Beurteilung von Lebenslagen im speziellen eher fatale Kombination. Während der ganzen Zeit hatte sie es dann auch hauptsächlich immer mit ihren freien Artikeln, Büchern und Reiseberichten geschafft, mal ab und zu "eine Mark zu treffen", wie Leonard es einmal ausdrückte und was Valerie so nicht richtig fand. Und was den Nagel ziemlich genau traf. Glücklich waren die Menschen, die von ihrem Hobby leben konnten. Und das konnten nun einmal nicht viele. Und bei der allgemeinen Kurzlebigkeit von Valeries Hobbys hätte auch das in diesem Fall zu keiner grundlegenden Änderung der Situation geführt.

      Musik hingegen gehörte zu den zuverlässigeren Begleitern in Valeries Leben. Und es gab kaum ein Stück, keine Musikrichtung und wenige Interpreten, für die sich nicht eine passende Situation und Stimmung finden ließ. Es gab ein "Frisch-verliebt-im-offen-Wagen-die-A1-in-Californien-runterrasen-Stück", ein "Nachdenklich-auf-das-Eismeer-die-Schlittenhunde-und-den-letzten-Proviant-starren-Stück" und natürlich auch ein " Es-gibt-kein-Gestern-und-kein-Morgen-und-heute-gehen-wir-für-immer-ins-Wasser-Stück". Eine eben noch schnell zusammengestellte Playlist würde zweifellos auch den geeigneten Soundtrack und die passende Einstimmung zu diesem neuen Projekt liefern:

      Playlist "Life is a song – Easy"

      - Hippies on a cornet: Joe Sample

      - On a clear day: Mario Biondi

      - Dancing barefoot: Patti Smith Group

      - I can see clearly now: Johnny Nash

      - My dad the weatherman: The Pearlfishers

      - His majesty rides: Josh Rouse

      - Stitched up: Herbei Hancock feat. John Mayer

      - Joy and Pain: Frankie Beverly & Maze

      - Periodically triple or double: Yo lo tengo

      - Sex and reruns: