Peter H. Brendt

Eisen und Magie: Auf der Flucht


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ihres Gepäcks übernehmen müssen. Ich fürchte, auch wir zwei Zweibeiner bleiben davon nicht verschont."

      So brachen nach einer Weile fünf beladene Wesen auf. Es traf sich gut für Sheen, dass sein neuer Freund ebenfalls zur Fähre des Benjamin unterwegs war. Dieser Knotenpunkt bildete bereits so früh im Jahr das Ziel vieler Wanderer.

      Als der Novize unter seiner Last einmal stöhnte, nahm ihn der Händler beiseite. Mit einem Seitenblick auf die immer noch lahmende Cora raunte er ihm zu. "Keine Sorge. Spätestens zum Mittag nehme ich dir etwas ab."

      "Ich schaffe das schon. Du brauchst meinen Teil nicht zu übernehmen. Du bist verletzt."

      Meister Kahlm zwinkerte seinem Freund zu. "Du irrst. Dann legen wir eine Rast ein. Laden ab und essen. Wenn es gilt, neu zu beladen, bekommt unsere lahme Freundin ein wenig mehr auf ihren Rücken."

      "Aber das Maultier lahmt doch."

      "Wenn sie sich bis zum Mittag schonen kann, wird es besser werden. Ich kenne die alte Cora. Sie ist schlau wie ein Hund."

      "Was meinst du damit?"

      "Sie beobachtet uns genau. Sie hat gelernt, wenn sie lahmt, lade ich ihr weniger auf. Lasse wir ihr das durchgehen, wird Cora die ganze Reise ein Bein nachziehen. Nach der Rast bekommt sie unauffällig ein bisschen mehr auf den Buckel. Am Nachmittag wieder was und morgen auch. Spätestens übermorgen hat sie die volle Ladung. Ohne, dass sie es merkt."

      Sheen musste lachen. Und wirklich. Coras Verletzung besserte sich fast stündlich und nach der Mittagsrast bekam das Tier eine kleine Kiste zusätzlich aufgeladen.

      Der Novize war nicht sicher, ob das Maultier das Spiel durchschaute. Händler und Lasttiere schienen ihre eigenen Marotten zu haben. Bald ertappte er sich dabei, seine neuen Begleiter zu mögen.

      Am Abend gab ihm Meister Kahlm einen Rat. "Deine Verfolger werden uns bald einholen. Zieh deine Mönchskutte aus. Sie wird dich verraten. Du bekommst etwas von meinen Handelssachen. Eine passende Hose wird sich finden. Dazu noch eine warme Jacke, damit du nicht mehr wie ein Novize aussiehst."

      Als die kleine Karawane am nächsten Morgen aufbrach, trug Sheen zum ersten Mal seit langem keine Mönchstracht. Unterwegs reichte der Händler seinem neuen Gehilfen einen Streifen Stoff.

      "Nimm diesen Leinwandfetzen. Wenn wir auf andere Leute treffen, spätestens an der Fähre, bindest du dir das Stoffstück um ein Auge. Als ob du es verloren hättest. Und noch etwas. Kannst du dich verstellen?"

      "Was meinst du damit?"

      "Vielleicht ist eine gute Idee, wenn du dich nicht wie ein gebildeter Klosterschüler verhältst. Viel mehr wie mein einfältiger Lehrling."

      "Das macht Sinn. Aber solange wir alleine sind, unterhalten wir uns normal."

      "Da bestehe ich darauf. Du kannst toll aus deinen Büchern erzählen. Dafür bringt dieser alte Mann dir alles über Maultiere bei. Cora mag dich ganz gut leiden. Wir können voneinander lernen. Vielleicht lerne ich auf meine Tage sogar noch schreiben und lesen. Das scheint ja ne feine Sache zu sein."

      Am dritten Tag holten Vonhagen und seine Männer sie ein.

      Verfolger

      Das Maultier bemerkte die Verfolger als Erster. Cora fiel immer etwas zurück. Meister Kahlm vermutete, dass sie so auf ihr angeblich verletztes Bein hinweisen wollte.

      "Mein Vater hat dieses schlaue Tier als Lastenträger ausgebildet. Das Mädchen kennt alle Tricks. Aber sie lässt dich nicht im Stich“, raunte er seinem jungen Begleiter zu.

      Sheen konnte den grauen Vierbeiner gut leiden. Er hatte sich in den letzten Tagen angewöhnt, in einer Jackentasche ein paar kleine Mohrrüben zu tragen. Regelmäßig, wenn der Händler nicht hinschaute, steckte er ein Stück der Rüben seiner neuen Freundin zu.

      Das Maultier gewöhnte sich schnell an die Leckereien. Es drängte sich geschickt heran, falls es seiner Meinung nach wieder Zeit für einen Happen war.

      Daraus entwickelte sich ein Spiel. Sheen hob unauffällig ein Augenlid und Cora stampfte kurz auf, um ihre Nascherei einzufordern. Schließlich blieb das kleine Kunststück auch Meister Kahlm nicht verborgen.

      "Du machst aus meiner treuen Cora noch einen Zirkusgaul," lachte er.

      Doch diesmal reagierte das Maultier nicht wie gewohnt. Es äugte nervös nach hinten. Ihr ruhiges Wesen änderte sich. Sie wirkte unruhig, weigerte sich sogar weiterzugehen. Als der Händler ihr Verhalten bemerkte, wurde er ernst: "Es ist so weit. Das sind deine Verfolger. Vonhagen und seine Reiter. Denk an das, was ich dir gesagt habe!"

      Wenig später holten die Soldaten die kleine Karawane ein. Sie führten die drei Reitpferde mit, deren Besitzer im Fluss ertrunken waren. Sheen spürte bei ihrem Anblick kein Bedauern über ihren Tod. Im Gegensatz zu Wölfen töteten diese Leute aus reiner Lust am Töten.

      Schnell umzingelten die Reiter die Gruppe. Vonhagen drängte sein Pferd an Meister Kahlm heran und zwang ihn von der Straße beinahe in den Graben zurück.

      "Wer seid ihr? Was macht ihr hier!" blaffte er die Reisenden an.

      "Mein Name ist Kahlm. Die Leute nennen mich Meister Kahlm. Weil ich seit vielen Jahren entlang dieser Wege reise und meine Waren verkaufe. So auch dieses Frühjahr. Wir sind unterwegs zur Fähre, wie immer um diese Jahreszeit."

      "Wer ist der Bursche da!"

      Sheen fiel zu seinem Schrecken ein, dass sie sich auf keinen Namen geeinigt hatten. Sein Freund hatte zwar Einzelheiten aus seinem Dorf beschrieben, falls jemand nachfragte. Aber irgendwie war dieser Punkt in Vergessenheit geraten.

      "Mein Name ist ..., ich heiße ..." Warum wollte ihm ausgerechnet jetzt keiner einfallen.

      "Ich nenne ihn Trottel. Oder Dummkopf“, warf Meister Kahlm ein. "Er ist der dumme Sohn meiner Schwester. Taugt nichts, kann nichts, weiß nichts. Meine Maultiere sind häufig klüger als er. Ihr seht ja, er ist zu blöd, seinen eigenen Namen zu behalten. Wenn Ihr auf der Straße ruft, "Idiot, komm her!", könnt ihr sicher sein, er biegt um die nächste Ecke und folgt euch."

      "Was ist mit seinem Auge."

      "Als wir letztes Frühjahr loszogen, hatte er alle beide. Das Rechte fing an, zu tränen, dann zu bluten. Im Sommer hatte er nur noch das Linke. Ich denke, sein Verstand reicht nicht für ein komplettes Augenpaar aus."

      Vonhagen ritt an Sheen heran und beugte sich ganz nah herunter: "Wir suchen einen Novizen. Hast du einen gesehen!"

      "No.., Novizen." Er warf einen hilflosen Blick zu Meister Kahlm. "Was ist ..., ist das?"

      "Ihr verschwendet unsere Zeit“, entschied der Sergeant. Er riss sein Pferd zurück, sammelte seine Männer und folgte der Straße zur Fähre.

      Erst als der Trupp Reiter außer Sicht war, atmeten die beiden Freunde auf. "No.., Novizen. Was ist ..., ist das?" Der Kaufmann ahmte den jungen Mönch nach. "Du hast klug reagiert. Wir zwei sind ganz schöne Trottel, keinen Namen für dich auszudenken. Ab sofort nenne ich dich vor anderen Leuten Sahel. Gewöhn dich dran."

      "Sahel. Also gut. Wie kommst du darauf?"

      "So hieß ein außergewöhnlich dummes Maultier, mit dem ich unterwegs war. Du besitzt die gleichen Ohren."

      "Na warte, das zahle ich dir heim."

      Lachend setzten sie ihren Weg fort.

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