Elke Bulenda

Lausige Zeiten


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spielten. Wenn Connie so weitermachte, würde gleich das markante Dengeln des Topfs ertönen. Nur, was er darunter fand, war alles andere als entzückend.

      Der coffeingeschwängerte Edward begann unter dem Schreibtisch zu randalieren. Er fand Gefallen daran, seinen eigenen Schwanz zu jagen. Ambrosius verdrehte genervt die Augen und schnippte mit dem Finger. Vor im manifestierte sich ein exotischer Mann, dunkel gekleidet, in Manier eines Geheimagenten. Den Großteil seines Gesichts, verdeckte eine mächtige, schwarze Sonnenbrille, die ihn wie Puck die Stubenfliege aussehen ließ. Er nickte und deutete eine Verbeugung an.

      Meine Güte! Bertram hat die Porno-Brille für sich entdeckt!, schoss es Pistillum durch den Kopf. Er deutete mit dem Finger unter den Schreibtisch. Bertram nickte nochmals, nahm das ausgeflippte Stinktier hoch und trug es ins Körbchen. Dann machte der Dschinn eine komplizierte Geste mit der Hand und Edward sah sich überraschenderweise eingesperrt. Bertram warf Pistillum einen fragenden Blick zu. Der Magus schüttelte daraufhin den Kopf und der Dschinn löste sich wieder in Luft auf.

      »Ambrosius? Bist du noch da? Was ist los, hast du Handwerker im Büro?«, ertönte Connies Stimme.

      »Natürlich bin ich noch da«, schnarrte Pistillum leicht genervt. »Nein, das war Edward, nach einer Überdosis Kaffee. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja. Nein, Molly ging nicht allein. Äh, sie benötigte natürlich jemanden, der über genügend Erfahrung in dieser Epoche verfügt, kräftig genug ist, Feinden Paroli zu bieten und sie freiwillig begleitete. Selbstredend erst, nachdem der Wappler wieder korrekt funktionierte.«

      »Harrr! Sag es mir, deine Hinhalte-Taktik zieht bei mir nicht!«, konstatierte Cornelius ungeduldig.

      »Auch sie ließ sich nicht umstimmen. Ich betone es nochmals, sie meldete sich freiwillig! Sie meinte, da du nicht zugegen wärst, müsse sie, als deine Vertretung, deinen Platz als Helfer einnehmen. Ich wusste, das ist eine ganz miese Idee!«, seufzte Pistillum.

      »Esther? Reden wir etwa von meiner Esther?«, quietschte Cornelius.

      »Kennst du denn noch eine andere Esther?«

      »Du hast Esther mit Molly auf eine gefährliche Reise geschickt? Ehrlich, nichts für ungut, aber Esther legt sich schon auf die Nase, wenn sie ihren eigenen Schuh zubindet! Warte mal! Das würde bedeuten... Oh Gottogottogott!...«, stammelte Cornelius.

      »Was ist? Ist dir der Allmächtige persönlich erschienen?«, fragte Pistillum verwirrt.

      »Sagtest du, Simon hätte den Wappler repariert?« Cornelius Stimme rutschte dabei um eine halbe Oktave nach oben.

      »Ja, sonst hätten wir sie nicht gehen lassen. Wegen des Grillens. Wieso, was ist?«

      »Da ist dir und Simon eindeutig einen schlimmen Denkfehler unterlaufen! Der Wappler verhindert Paradoxe im Raum-Zeit-Gefüge! Esther existierte aber schon damals, also wird sie mit Molly nicht gemeinsam auf Høy Øya eintreffen, sondern an den Ort zurückversetzt, an dem sie sich zu besagter Zeit befand! Sie kann nicht zu einer Zeit, jeweils zweimal existieren!«, erklärte Cornelius die Fakten.

      »Ach du liebes Lieschen! Na toll, heute ist mal wieder so ein Tag, an dem man besser im Bett hätte bleiben sollen! Dann ist das Zeitfenster für die Rückkehr viel zu knapp bemessen! Angenommen, Esther hielte sich zurzeit in Südeuropa auf, so kann sie es unmöglich schaffen, rechtzeitig Høy Øya zu erreichen. Dann sitzt sie wiederum dort in der Zeit fest!«, erkannte Ambrosius verzweifelt. Wieder hatte Ragnor durch sein unbedachtes Handeln eine Lawine losgetreten, die niemand wirklich hatte kommen sehen. Pistillum schmeckte Galle und stand kurz vor einer persönlichen Krise.

      »Bist du noch da?«, fragte Cornelius.

      »Ich wünschte, ich wäre es nicht! Was soll ich jetzt tun?«

      »Leider Gottes sehe ich mich gezwungen, in den nächsten Flieger zu springen und zurückzukommen. Ich werde ebenfalls durchs Zeitportal gehen müssen. Mit neuen Koordinaten, aber sag Simon, er soll sie großzügig berechnen. Wir brauchen mindestens drei Tage, ebenso viele Termine, damit Esther genug Zeit zum Eintrudeln hat.«

      »Cornelius, gib mir deine Koordinaten durch, dann können wir dich sofort holen.«

      »Nein, nein! Ich will unterwegs nicht auch noch verloren gehen. Gib mir und Simon noch etwas Zeit. Außerdem habe ich hier etwas Wichtiges zu erledigen. Ich bin bald wieder bei euch!«, beendete Cornelius das Gespräch.

      Ambrosius, ein Herr der alten Schule, schaute sein Handy an und sagte: »Scheiße!« Danach setzte er sich sofort mit Simon in Verbindung.

      *

      Cornelius, gerade erst in New York angekommen, warf Cassandra einen traurigen Blick zu. »Es tut mir wirklich leid, ich wäre liebend gern länger geblieben, aber ich muss schon wieder fort. Zuhause läuft die Kacke über.«

      »Wie schade. Ich habe Urlaub und könnte eigentlich mal meinen Enkel Dracon besuchen. Darf ich dich begleiten? Wenn du willst, kannst du einen von Gungnirs Fliegern nehmen«, sagte Cassandra und warf dem Vampir einen feurigen Blick zurück.

      »Nichts wäre mir lieber, aber ich möchte dich damit nicht belasten... Einen von Gungnirs Fliegern? Du glaubst doch nicht, seine Maschinen wären schneller als die Linienflugzeuge, oder?«

      Cassandra lachte rau, dabei entwich ihr ein kleines Rauchwölkchen. »Ach, du bist so süß, ich werde mitkommen. Kennst du die Concorde?«

      »Natürlich! Wieso? Hat Gungnir eine?«, fragte Connie verwirrt.

      »Nein, aber die ist gegen seinen neuen Fliegertyp eine echt lahme Schnecke. Du kennst ihn doch, er ist ziemlich exzentrisch. Was kauft sich wohl ein sehr reicher Mann, wenn er schon alles hat?«, fragte sie grinsend.

      »Etwas, das er noch nicht hat?«, antwortete Connie zögerlich.

      »Bingo. Dazu ist der neue Flieger noch energiesparender als gewöhnliche Flugzeuge. Dieses Ding, dieser Star Glider, fliegt schnell wie ein Pfeil durch die Stratosphäre. Du kennst doch Gungnir, er lässt sich nur ungern etwas entgehen. In unserer Branche lautete das Motto: Zeit ist Geld. Deshalb dieses neue Fluggerät. Ein wirklich schönes Spielzeug!«, zwinkerte sie ihm zu.

      »Und das würde er mir ohne Zögern geben?«, fragte Cornelius verdattert.

      »Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Außerdem hat er ja nicht nur einen davon.«

      »Nicht nur einen? Er kann doch nicht in mehreren Maschinen gleichzeitig sitzen!«, merkte Connie irritiert an.

      »Das nicht, aber seine Mitarbeiter. Komm, wir fahren zum Flughafen!«, meinte Cassandra. Sie führte Cornelius in die Tiefgarage, wo er in ihrem Wraith Platz nahm, sie selbst geschmeidig hinters Lenkrad glitt und mächtig aufs Gas trat. Es presste Cornelius in den Sitz, wie Teig in ein Waffeleisen, als sie mit einer Beschleunigung von gefühlten 5 G aus dem Gebäude schossen.

      »Ach, Cassandra? Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du Gungnir gegenüber Stillschweigen wahren würdest. Ich weiß, es geht um seinen Vater, aber ich will ihn nicht auch noch in diese vertrackte Sache hineinziehen.«

      »Kein Problem, Schätzchen. Von mir wird es es nicht erfahren!«

      Cornelius war der Drachenfrau sehr dankbar.

      *

      Ambrosius wäre auch dankbar gewesen, wenn sich ihm nur ein einziger Grund dazu böte. Bisher gab sich das Schicksal ihm gegenüber sehr undankbar und spröde. Ihm wuchsen die Probleme im rasanten Tempo über den Kopf. Zu allem Überfluss, klingelte abermals sein Handy. »Verdammt! Ich hätte dieses blöde Ding einfach ausschalten sollen!«, grummelte er gereizt und nahm das Gespräch an.

      »Hallo Ambrosius, hier ist Annie«, ertönte eine reife Stimme. »Sag mal, was ist bei euch nur los? Richte meinem Trottel von Schwiegersohn aus, er soll gefälligst dieses flache Kästchen anmachen, was wir im Allgemeinen Handy nennen! Ragnor wollte mich anrufen und hat es immer noch nicht getan. Kannst du mir sagen, wie die Verhandlung in Oslo gelaufen ist?«

      Der Leiter des Rings errötete heftig. Nicht nur, weil er um eine Antwort verlegen war, sondern zusätzlich eine