Stephane Rambicourt

Irmelie, die Kräuterhexe vom Wildsee


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Irmelie.

      „Also, diese Münze ist aus reinem Gold, ist aus dem 14. Jahrhundert und kommt vermutlich aus dem untergegangenen Goldschatz des Stauferkaisers Friedrich II. Diese Münzen gab es nur und ausschließlich in diesem Goldschatz“, erklärte der Juwelier.

      „Vielen Dank für ihre Auskunft“, sagte Irmelie, „ich werde jetzt gleich zur Bank gehen und ein Schließfach anmieten. Auf Wiedersehen.“

      Sie ging tatsächlich direkt zur nächsten Bank und mietete ein Schließfach, in welchem sie die Münze deponierte. Die anderen Münzen etwa 100 Stück, würde sie auch dort weg schließen, nahm sie sich vor. Gut den Schmuck sollte sie auch schätzen lassen. Wenn sie das nächste Mal in die Stadt kommt würde sie das erledigen.

      „Ein größeres Problem ist, was mach ich mit den Münzen? Erben hab ich keine – keine Familie bedeutet keine Erben. Dann bekommt alles der Staat. Die würden sich sicher über die 200 Millionen Euro freuen“, überlegte sie jetzt, „ich will doch das ganze Geld gar nicht. Ich hab was ich brauche, mehr will ich nicht. Da muss was Vernünftiges damit gemacht werden, Eine Stiftung oder so was wäre nicht schlecht. Mal sehen, aber ich brauche einen vernünftigen Rechtsanwalt, der mich gut berät und nicht über den Tisch zieht.“

      Heute wollte sie über den Sommerberg zu ihrer Hütte gehen und setzte sich in die Zahnradbahn auf den Sommerberg. Während sie vor sich hin lief, musste sie immer wieder schmunzeln. Sie verstand ja jetzt, was die Tiere sagten und das war für die Menschen nicht immer schmeichelhaft. Oder wenn ihr Wanderer begegneten, die einen Hund dabei hatten, war das schon heftig, was die Tiere über ihre Herrchen sagten. Gott sei Dank wissen diese Herrchen nicht was ihre Tiere über sie denken.

      Als sie an der Grünhütte vorbei kam, setzte sie sich an einen Biertisch und bestellte sich eine Schlachtplatte und eine Flasche Wasser dazu. Während sie aß, beobachtete sie die Touristen dort und war froh wieder weiter zu ihrer Hütte gehen zu können. Die Menschen regten sie auf. Aber nicht nur sie fand diesen Rummel abscheulich, auch die Insekten die umher flogen und die Vögel auf den Bäumen schimpften laut über die vielen rücksichtslosen Leute.

      Nur Irmelie konnte sie verstehen und so war es für sie auch nicht verwunderlich, dass die Insekten und Vögel ganz nah zu ihr hinkamen und Irmelie ihr Leid klagten. Die Touristen waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und merkten nichts davon. „Gott sei dank bin ich nicht so“, dachte Irmelie. Jetzt musste sie gerade lachen, weil ein dicker Mann versuchte eine Fliege, die ständig um sein verschwitztes Gesicht herumflog zu vertreiben, was ihm aber nicht gelang.

      Auf ihrem Heimweg kam sie jetzt am Wildsee vorbei und sah die vielen Touristen. Es missfiel ihr, wie diese Trampel hier unterwegs waren. Manche hatten ihre Hunde von der Leine gelassen und freuten sich wenn die Tiere im Moor herum tollten.

      Interessant war für sie jedoch zu sehen, dass die Hunde, so bald sie sie gesehen hatten, sofort das Moor verließen und entschuldigend zu ihr blickten.

      „Na, das wird eine interessante nächste Zeit werden“, dachte sie, „eigentlich wollte ich mich doch zur Ruhe setzen und jetzt das. Ich muss aufpassen, dass das nicht in Stress ausartet.“

      Endlich hatte sie wieder unbemerkt ihre Hütte erreicht.

      Sie war müde und ließ sich in ihre geliebte Hängematte fallen. Während sie in die Sonne blinzelte, bemerkte sie, wie sich ein großer Uhu näherte.

      „Hallo Rudolf, wie geht es dir?“ fragte sie.

      „Danke gut“, rief er, „muss gleich weiter, meine Kinder haben Hunger.“

      „Na dann viel Erfolg“, rief sie ihm hinterher.

      Trotz des Stresses, den sie sich eigentlich selbst machte, war sie jetzt glücklich und zufrieden. Sie genoss die Ruhe in „ihrem“ Wald und auf ihrer Hängematte, so dass sie schnell einschlief. Gegen 20 Uhr wachte sie erholt auf, aß etwas und freute sich wieder auf den Besuch bei Hubertus am Wildsee. Heute ließ sie sich Zeit, denn sie wusste ja, dass Hubertus sich erst um Mitternacht zeigen würde.

      Es war jetzt schon Ende September und die Nächte wurden schon etwas kühler. Deshalb zog sie sich eine wärmende Strickjacke über und entzündete in ihrem Küchenherd ein wärmendes Feuer, bevor sie losging. Sie wollte auch testen, ob der Qualm des Kamins gesehen oder gerochen werden konnte. Sie durfte ja nicht entdeckt werden, zumindest nicht, so lange sie sich illegal im Bannwald aufhielt. Die Legalisierung sollte ein Rechtsanwalt durchsetzen, den sie aber erst noch beauftragen musste.

      Zu diesem Anwalt sollte sie auch Vertrauen haben können. Sie hoffte, dass ihr ehemaliger Chef jemanden kennen würde, der es auch verstand ihre Interessen, ohne großen Wirbel zu veranstalten, durchzusetzen. Sie hatte deshalb großes Vertrauen in ihren ehemaligen Chef und dessen Ehefrau, mit der sie auch eng befreundet ist.

      Auf dem Weg zum Wildsee riss sie immer wieder ein Büschel Gras heraus, roch daran und hob dann riechend ihre Nase in den Wind. Sie konnte keinen Rauchgeruch oder ähnliches feststellen und war erleichtert. Zu sehen war auch nichts und so konnte sie sich beruhigt auf den weiteren Weg zu Hubertus machen.

      Zwischendurch hörte sie aus dem Gebüsch leise Stimmchen, die sich gegenseitig zuflüsterten, dass gerade die neue Kräuterhexe vorbeigeht, die Irmelie heißt. Irmelie musste lachen als sie das hörte, freute sich aber auch, dass sich die Tiere offenbar über ihre Anwesenheit auf dem Berg freuten.

      In dieser guten Stimmung ging über den Bohlenweg wieder zu derselben Stelle am Wildsee, an der sie bisher Hubertus gesehen hatte.

      Heute waren die Nebelschwaden über dem See dichter als die Tage vorher. Irmelie dachte sich nichts dabei und wartete geduldig bis Hubertus sich zeigen würde.

      Pünktlich um Mitternacht sah sie grelle Blitze über dem Wildsee und Hubertus materialisierte sich. Aber nicht nur er tauchte auf. Mit ihm materialisierten sich zwei Frauengestalten über dem See.

      „Hallo Irmelie. Schön dass du wieder gekommen bist. Heute habe ich zwei deiner Urahnen mitgebracht. Hier sind die erste Kräuterfrau auf dem Kaltenbronn Urmelda und auch die letzte Kräuterfrau, deine Ururgrossmutter Katharina. Wir haben uns gedacht dass du bestimmt viele Fragen hast“, erklärte Hubertus.

      „Natürlich habe ich sehr, sehr viele Fragen. Aber eine erste Frage ist, wie kann es sein, dass in der Kiste, die ich gestern bekommen habe, Fotos von mir drinnen sind, obwohl ich erst viel später geboren wurde“, fragte Irmelie. Die drei Erscheinungen über dem Wildsee lächelten.

      „Das ist eigentlich ganz einfach. Das auf dem Bild bist nicht du, sondern deine Großmutter Maria. Die hast du ja noch kennen gelernt. Ich hatte sie sehr gerne und als die Fotografie erfunden worden ist, hab ich sie porträtieren lassen. Aber du hast Recht, ihr seht euch zum Verwechseln ähnlich. In der Zeit als die Aufnahme gemacht wurde, war ich noch mit meinem lieben Mann in Karlsruhe verheiratet. Wir hatten dort eine Apotheke. Als er starb, bin ich, ähnlich wie du am Ende des 19. Jahrhunderts dann hierher auf den Kaltenbronn gekommen. Ich habe mich in der Hütte sehr wohl gefühlt“, erklärte ihr ihre Ururgroßmutter Katharina freundlich und fuhr fort, „deine Großmutter lebt wohl nicht mehr? Ich bin damals 120 Jahre alt geworden, ja, die Luft hier oben ist sehr gesund.“

      „Wie kann das sein, dass ich meiner Großmutter so ähnlich sehe?“ fragte Irmelie.

      „Das hängt wohl mit den Genen der Familie Lang zusammen. Urmelda hat da im 13. Jahrhundert die Weichen für alle folgenden Generationen festgelegt. Urmelda ist auch unser aller Stammmutter, egal ob verheiratet oder nicht. Du mein Kind wirst aber wohl die letzte Kräuterfrau hier auf dem Kaltenbronn sein. Kinder gibt es ja leider in der kleinen noch lebenden Familie nicht, außer vielleicht in einem sehr weit entfernten Familienzweig. Aber das wird man sehen, wenn es soweit ist. Jetzt bist du da und das freut uns alle ungemein“, sagte Katharina.

      „Ja, und du mein Kind bist dazu auserkoren unseren Besitz und unseren Status auf Dauer zu sichern“, mischte sich nun auch Urmelda in das Gespräch ein, „Hubertus hat uns bereits berichtet, dass du vermutlich den richtigen Weg angedacht hast. Ich kenne mich in der heutigen Zeit nicht mehr so aus.“

      „Stimmt das, was auf der