Micha Jagger

Nur mit Mühe kann sie einen Schmerzenschrei unterdrücken


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dass ich mich von Dir verarschen

       lasse?! Ralf"

       Der Cursor blinkte. Mein Posteingang blieb leer.

       Ich konnte es nicht fassen, dass ich bis über Mitternacht einfach da saß

       und den Posteingang fixierte, der leer blieb.

       Die nächsten beiden Tage wollte mir in meiner Arbeit nichts gelingen.

       Seit meine Welt ihre Farbe verloren hatte, kostete es mich auch so

       schon ungemein Konzentration, meine Aufgaben so zu erfüllen, damit ich

       nicht auffiel. Aber nun, seit dem Mail von Annette, war ich gefesselt

       in einer Endlosschleife an Gedanken.

       Ich war ein stolzer Mensch. Hatte nicht vor, mich so billig ansteuern zu

       lassen. Ich war der Herr über meine Zeit und mit was ich mich

       beschäftigte und auseinander setzte, bestimmte ich! Niemand anderer!

       Trotzdem. Mit diesem blöden, nichts sagenden Mail, das mich zu einer

       schlimmen Enttäuschung führen würde, hatte es Annette geschafft, meine

       Gedanken zu kontrollieren. Ich ärgerte mich darüber.

       Vermutlich ist sie Energetikerin, lockt auf diese Weise ihre Kunden an.

       Eine Kerze, ein irrer, weltentrückter Blick und die Zusicherung, dass

       nun Erleuchtung in mich einfließt. Mir ab Montag das Leben wieder sowas

       von Spaß machen würde.. grrrr..

       Am Samstag versuchte ich mich abzulenken. Legte mir einen Terminplan

       zurecht, der mich über die von Annette vorgegebene Zeit in Anspruch

       nehmen würde. Ich konnte nichts! Mir gelang null! Mein Geist blieb fest

       verankert bei Annette.

       "ALSO GUT! ICH WERDE ES BEREUEN!" fluchte ich innerlich, als ich mich

       duschte, umzog und zu diesem Termin aufbrach. "Sie wird aber Einiges zu

       hören bekommen, wenn sie meint, über mich so verfügen zu können und

       mich mit so Blödheiten abspeisen mag. Sie wird sich wundern, wer hinter

       dem steckt, den sie meint, kontrollieren zu können..!"

       Mit diesen Gedanken folgte ich meinem Navi. Es war mir nicht möglich,

       den Zielort einzugeben, aber zumindest den Ort, der davor lag, erfasste

       mein Gerät. Hier war ich mein Lebtag lang noch nicht. An sich nicht

       allzu weit, aber mir ebenso fremd, wie die Umgebung um Fairbanks in

       Alaska, wo ich ebenso noch nicht war.

       Wald. Sie foppte mich. Hier war nur Wald!

       Ich nahm die Karte zur Hand, zu der der Link führte, den sie mir mit

       gesandt hatte. Tatsächlich, hier führte mitten in der Wildnis eine

       kleine Forststraße zwischen dem dichten Bewuchs durch. "Nur für

       Anrainer". Also musste es dort tatsächlich wem geben, der da wohnt.

       Nach knapp 10 Minuten auf der teils ausgeschlagenen und ausgewaschenen

       Sandstraße, wollte ich aufgeben. Auf der Suche, nach einer Möglichkeit

       zu wenden, stand ich unverhofft vor einem alten Forsthaus. Ein

       Blockhaus, zwar augenscheinlich sehr alt, aber bestens erhalten. Licht

       schimmerte aus einem der Fenster. War es da drinnen so finster? Es

       wirkte wie Kerzenlicht. Es war doch zwar schon später Nachmittag, aber

       es war Sommer und 17:00 Uhr! Wohl noch lange nicht Dämmerung!

       Niemand, der mir entgegen kam. Nun war ich mir sicher, einem dummen

       Streich aufgesessen zu sein. Ich würde sie sowas von.. Dann knarrte die

       seitlich gelegene Eingangstür.

       "Das konnte sie ja wohl nicht sein" lachte ich innerlich. Ich suchte

       nach einem Häufchen. Frau Unsicherheit. Die Frau, die mir hingegen

       entgegen kam, hatte mit der gemobbten Aus-dem-Leben-Geworfenen nichts

       zu tun. Sie war elegant, trug langes, dunkles Haar, war schlank und

       bewegte sich anmutig. Was aber wirklich ausschloss, Annette zu sein,

       war ihre Ausstrahlung. Selbstbewusst, mit aufrechter, fast...

       "herrischer".. Haltung glitt sie auf mich zu, während sie mir mit ihren

       großen Augen tief und ernst in meine blickte.

       Das war nicht Annette! Das war die Gebieterin über diese Liegenschaft,

       die es satt hatte, dass sich ständig jemand hierher verirrte oder von

       einer gewissen Annette auf ihr Anwesen in den April geschickt wurde.

       Möglicherweise war Annette eine Kontrahentin und wollte auf diese Weise

       dieser Frau eins auswischen.

       Der Auftritt dieser Frau ließ mich förmlich werden. "Ich möchte mich

       vielmals dafür entschuldigen, dass ich ihr Grundstück.."

       "Du kommst zu spät!" rügte sie mich, ohne ihre Ruhe zu verlieren oder

       ihren Blick abzuwenden.

       "Annette?" Wie redete sie mit mir? War sie es? Zwischen Entrüstung und

       Verunsicherung schwankend, wartete ich auf Antwort, um mich

       entsprechend einstellen und mich positionieren zu können.

       Sie kam aber nicht, diese Antwort.

       "Bin ich hier richtig? Bist du Annette?" fragte ich nun am Stand

       zeppelnd, mit einem mühsam hervor gezaubertem Lachen, das nicht richtig

       funktionieren wollte und auch nur für die Liegenschaftseigentümerin

       gedacht war, welche nicht Annette war und deren Grundstück ich

       irrtümlich betreten hatte, um mich nett zu entschuldigen.

       Die Ruhe und Selbstsicherheit der Frau brachte mich durcheinander. "WAS

       SOLL DAS?" ärgerte ich mich innerlich "ich bin doch kein Rotzbub! Dann

       hab ich mich halt verfahren, was solls!.." Eben wollte ich eine Floskel

       der Entschuldigung vorbringen und dieses bizzare Treffen beenden...

       "Wie lange hast du es schon?" Ich drehte mich irritiert um, da war

       nichts, außer mein Wagen. "Ihn?" erkundigte ich mich zu dieser absurden

       Frage "seit 3 Jahren.."

       "Idiot" stellte sie knapp fest, ohne ihre Ruhe zu verlieren. "Wie lange

       du schon dein Burnout hast?"

       "1 Jahr oder sind es schon 2...." ich hielt inne. Überlegte, war

       irritiert, mein Lachen war verschwunden. Einerseits wollte ich das

       beenden, einfach die richtige Konsequenz ziehen, das Ruder übernehmen

       und mich verabschieden. Ich bin doch kein Schulbub, der von Frau

       Oberlehrer zur Verantwortung gezogen wird! Andererseits.. traf sie

       mich, indem sie mich ohne Umschweife, ohne großes Pi-Pa-Po, nicht mal

       ohne sich richtig bekannt zu machen, so direkt und gezielt