Edi Mann

Der Leuchtturmwächter


Скачать книгу

Auch dies ist Teil des Spiels, es ist nicht mehr oder weniger wichtig als alles andere Tun. Der Trugschluss oder die Gefährlichkeit an all diesen Bemühungen besteht nun darin, dass dies meist mit einem ausgeprägten Selbstsinn verbunden ist. Die Gefühle und Emotionen werden zu etwas eigenem gemacht. Es wird versucht, mittels einer Gedankentätigkeit darauf Einfluss zu nehmen, was oftmals zu erheiternden Ergebnissen führt. Erheiternd für mich, selten für das scheinbare Individuum, welches das Geschehen auf sich selbst bezieht.

       Gefühle können nicht einfach bestellt werden. Der Versuch, ein bestimmtes Gefühl hervorzurufen, ist nur Selbstbetrug. Gefühle stellen sich spontan ein, die künstlich erzeugten enden zwangsläufig in einer Sackgasse.

       Diese Energie, nenne sie wegen mir den alles belebenden Geist, das bin ich. Immer auf Ausgleich bestrebt, im ganzen betrachtet sich immer im Gleichgewicht befindend. Und auch du selbst bist diese Energie, was du aber erst erkennst, wenn du den Mut aufbringst dich von deinem Eigensinn zu distanzieren. Ja ja, ich weiß, wer sollte das tun? Das ist das Paradoxe und für euch Menschen so schwer zu verstehende an der ganzen Geschichte. Ein kleiner Ratschlag am Rande, weil du doch immer so scharf auf diese bist: Lehne dich zurück, entspann dich, genieße die Zeit hier auf der Erde. Sonst ist nichts für dich zu tun.

      Du hast gut reden. Von einem Gleichgewicht fühle ich mich im Moment weit entfernt. Zwei Mal hast du mich heute schon persönlich beehrt, wirst du mir das dritte Mal als Todesengel erscheinen? Willst du mich hinweg nehmen von deiner Welt, werde ich hier sterben? Ich bin so weit, wenn du willst komme ich auch gleich mit dir. Genug der Strapazen, einen weiteren Tag würde dieser Körper sowieso nicht überleben.

      Die Furcht vor dem Tod ist lange schon überwunden, alles Weitere wäre nur eine Verlängerung der Qual. Aber was hier jetzt aufkommt ist Ärger und Wut darüber, ein Spielball deiner Launen zu sein. Du lässt mir die Illusion der Entscheidungsfreiheit und machst dir einen Spaß daraus, mich nach deinem Gutdünken über dein Spielfeld zu rollen...

      Doch schon ist die Wut wieder verraucht und eine tiefe Traurigkeit ob der Hilflosigkeit bleibt zurück. Für uns Menschen ist dein Spiel nicht wirklich lustig...

      Was ist das jetzt, Selbstmitleid? Ein Ekel vor mir selbst, vor meinen Reaktionen auf die in mir aufsteigenden Gefühle...

      Gerade noch Scham, jetzt aber schon Überraschung darüber, nichts dafür oder dagegen tun zu können. Und die Freude des Erkennens, daß da auch Genuss ist, oder zumindest sein kann...

      Und jetzt plötzlich dieses Glücksgefühl, alles ist perfekt, alles ist so wie es sein soll, nichts könnte verändert oder verbessert werden. Eine tiefe Liebe der Welt und dir gegenüber, selbstlose Hingabe und Verschmelzung mit etwas Einmaligem, mit etwas Heiligem. Jetzt sterben, denn niemals kann es besser werden. Oder habe ich bereits die Schwelle des Todes überschritten?

      Dein Lachen lässt dieses Glücksgefühl verblassen und schon kommt auch der Ärger darüber dieses Gefühl nicht halten zu können. Maya, ich bitte dich ja selten um etwas, aber lass mich...

       Hör auf, dieses Betteln ist unser nicht würdig. Du wurdest eben durch die Bandbreite der Gefühle geführt, mittels denen ich die Organismen steure und somit die Welt gestalte.

       Dein Eigensinn stürzt dich aus dem Paradies und versucht uns zu trennen. Dein Eigensinn, der sich eine Vorstellungswelt gestaltet, der das Geschehen selbst in die Hand nehmen will. Doch er ist die Illusion, er ist es der dich Wege beschreiten lässt, wo es keine Wege gibt, er ist es der dich in die Irre führt. Vielleicht mag dir mein Eingreifen manchmal hart und ungerecht erscheinen, doch um gegen diesen Eigenwillen anzukommen müssen meist schwere Geschütze aufgefahren werden. Und vergiss nicht, es sind deine eigenen Waffen die du gegen dich einsetzt, denn du und ich sind eins.

       Dein Eigenwille versucht dir einzureden, ich, Maya, wäre die Illusion. Aber in dieser Welt, auch wenn es eine Erscheinungswelt ist, bin ich, die Hervorbringende, das einzig Reale. Ich bin die alles ins Leben bringende, die Gestalterin. Und noch einmal, weil es dir anscheinend partout nicht in den Schädel will: Ich bin du, wir sind eins. All dies bin ich und all dies bist du.

      Wenn ich dich richtig verstehe dann kann dieser Organismus also von sich aus nichts in die Wege leiten. Da ist nichts persönliches in seinem Handeln. All sein Tun sind nur Reaktionen auf äußere oder innere Stimulanzen.

       So ist es. Wobei es keinen Unterschied macht, ob die Veranlassung zu irgendwas von innen oder außen kommt. Dir als Grenzgänger müsste eigentlich klar sein, dass die Grenze zwischen Innen und Außen nicht nur fließend ist, sondern sich bei näherer Betrachtung als nicht-existent herausstellt. Du hast dich doch lange genug im Grenzland aufgehalten um diese Tatsache selbst herauszufinden.

      Meine Gefühle sind also immer Indikatoren über den Zustand des mich umgebenden Energiefeldes. Sehe ich das so richtig? Und die Reaktion darauf sind meine Emotionen, die wiederum Einfluss auf dieses Energiefeld nehmen, mich sozusagen mit ihm interagieren lassen.

       Bis auf die Tatsache, dass dich dieses Energiefeld nicht umgibt sondern du eins mit ihm bist, könnte man dies so sagen. Emotion ist die nach außen in die Umwelt gerichtete impulsgebende Energie, Gefühl die für den Organismus bestimmte informierende Energie. Mittels des Gefühls ist die Welt mit dem Organismus verbunden, damit wirkt sie auf ihn ein. Mittels der Emotion ist der Organismus mit der Welt verbunden, damit wirkt er auf sie ein. Wenn da niemand im Wege steht und der Organismus selbständig auf die steuernde Energie reagieren kann, dann verläuft das ganze scheinbare Geschehen in einem harmonischen und widerstandslosen Rahmen ab.

       Um auf das Geschehen im Hier und Jetzt zurückzukommen: Die Resignation, die sich vorhin in dir breitmachte, ließ den Organismus in einen notwendigen Ruhezustand gleiten, während das darauffolgende Gefühl der Zuversicht ihn wieder nach neuen Ideen und Zeichen Ausschau halten ließ. Genau so wie es sein soll, keine Notwendigkeit eines steuernd eingreifenden Ichs, welches doch nur Störungen in diesem harmonischen Energiegefüge hervorruft.

      Die aufsteigende Energie, die den Organismus zu einer Handlung veranlasst, wird also, sobald sie wahrgenommen wird, als ein Gefühl bezeichnet. Die Reaktion des Organismus auf die Energie wirkt sich daraufhin als Emotion aus. Emotion, E-motion, Energie in Bewegung. Eine scheinbar nach außen gerichtete Bewegung, in die Welt hinein. Doch die Energie ist dieselbe, eine Energie. Ankommend oder aufsteigend als Gefühl bezeichnet, abfließend oder sich auflösend als Emotion. Der Organismus ist also nicht mehr als ein energetisches Umspannwerk. Es besteht also vermutlich wenig bis überhaupt kein Spielraum für das Individuum, da seine Programmierung, die sich aus genetischen und konditionellen Elementen zusammensetzt, die Reaktionen fest im Griff hat.

       Hört hört, da spricht der Wissenschaftler aus ihm. Bei unserer nächsten Begegnung werde ich mir wohl einen konservativeren Anstrich geben müssen. Vielleicht ein bisschen ernsthafter und strenger, du scheinst das mehr zu würdigen als einen spielerischen Umgang mit den Problematiken. Aber stimmt schon, die Emotionen unterliegen, wie du aus eigener Erfahrung weißt, nicht deiner Kontrolle. Sie sind biologisch vorgegebene Prozesse, die von angeborenen Strukturen abhängig sind. Wenn überhaupt etwas kannst du höchstens ihren Ausdruck beeinflussen, der kulturell und persönlich verschieden ausfallen kann und es natürlich auch tut.

       Im Unterschied zum Organismus, der gefühlsgesteuert ist, ist das Ich gedankengesteuert. Man kann sogar so weit gehen, daß man den Organismus als ein Gefühl betrachtet und das Ich als einen Gedanken. Wenn der Ich-Gedanke stark ist, wird dies immer zu Diskrepanzen und Schwierigkeiten führen, weil dieser störend in das natürliche Geschehen einzugreifen versucht. Er will die Kontrolle übernehmen, er will bestimmen in welche Richtung es geht. Was aber höchst kontraproduktiv ist, denn die Emotionen unterstützen den Organismus darin, am Leben zu bleiben. Wenn auf eine Einflussnahme verzichtet wird bleibt eine natürliche Harmonie zurück, eine Vollkommenheit, an der nichts verbessert werden könnte. Doch auf das ewige Paradox zurückzukommen: Wer sollte auf diesen Ich-Gedanken verzichten?

      Wahrscheinlich