Edi Mann

Der Leuchtturmwächter


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wenn wir doch in Wirklichkeit eins sind wie du behauptest?

       Ich erscheine dir persönlich weil du selbst an deiner Persönlichkeit festhältst. Für dich bin ich Person, für den Künstler Inspiration, für den Religiösen Gott, für den Wissenschaftler die Neugier, für den Ungläubigen das Schicksal. Für jeden bin ich etwas anderes, und doch für alle die Gleiche.

       Um aber bei den Gefühlen zu bleiben, für einen reibungslosen Ablauf braucht es die Person nicht, die sich dem Organismus Mensch übergestülpt hat. Durch das Fühlen der Emotionen lernt der Organismus, er entwickelt sich sozusagen weiter. Aber das geschieht von allein, dazu braucht es keine kontrollierende Person die sich dazwischen stellt.

      Dann ist die illusionäre Person, an der wir Menschen so zwanghaft hängen, nur zu deiner Belustigung tauglich?

       Ha, das ist ein schönes Schlusswort für heute. Und wenn du schon meinst irgendwas tun zu müssen, dann würde ich dir empfehlen das Vertrauen nicht zu verlieren. Alles ist so wie es sein soll und könnte gar nicht anders sein. Abschließend noch ein letzter Ratschlag: Höre auf dich so zwanghaft mit dem Tod zu beschäftigen. Schau dich um, du wirst ihn hier in meiner Welt nicht finden. Denn es gibt ihn nicht. Hier gibt es nur Leben, das der ständigen Wandlung unterworfen ist. Den Tod gibt es nur in deiner Gedankenwelt, und niemand zwingt dich darin zu leben.

      Beschränkungen (Einheitsgedanken)

       Gibt es eine Welt außerhalb deines Wissens? Kannst du über das, was du weißt, hinausgehen? Du magst von einer Welt unabhängig vom Verstand ausgehen, doch wird das immer nur ein Konzept sein, unbewiesen und unbeweisbar. Deine eigene Erfahrung ist ihr Beweis, der nur für dich Gültigkeit besitzt. Wer könnte sonst noch deine Erfahrungen machen, wenn die andere Person nur so real ist, wie sie in deiner Erfahrung erscheint?

       - Nisargadatta Maharaj

       Unmittelbare Erfahrungen, so verschieden und ungleichartig sie auch sein mögen, können sich logischerweise nicht widersprechen. Wir wollen daher versuchen, ob wir nicht aus den folgenden beiden Prämissen den richtigen, widerspruchsfreien Schluss ziehen können:

      1  Mein Körper funktioniert als reiner Mechanismus in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen.

      2  Doch weiß ich auf Grund meiner unmittelbaren Erfahrung, daß ich seine Bewegungen leite und deren Folgen voraussehe, die entscheidend und in höchstem Maße bedeutsam sein können; in diesem Falle übernehme ich die volle Verantwortung für sie.

       Die einzig mögliche Folgerung aus diesen zwei Tatsachen ist die folgende: Ich –ich im weitesten Sinne des Wortes, d.h. jedes bewusst denkende geistige Wesen, das sich als ‚Ich‘ bezeichnet oder empfunden hat– ist die Person, sofern es überhaupt eine gibt, welche die ‚Bewegung der Atome‘ in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leitet.“

       - Erwin Schrödinger

      Dieses Energiegefüge, in das dieser “mein“ Organismus eingebunden ist, das scheint die Welt zu sein von der Maya sprach. Die Welt mit der ich eins bin, die Welt die ich hervorbringe und die gleichzeitig mich hervorbringt. Die Welt, die durch diesen Organismus, also durch “mich“ zu einer mir eigenen Welt wird. Eine individuelle Welt, die nur für mich Gültigkeit hat, die nur für mich Realität besitzt. Eine Welt, die also von mir hervorgebracht und gesteuert wird, obwohl ich nichts dazu beizutragen scheine. In die ich mich früher wie eine Marionette hineinversetzt fühlte, von der ich jetzt aber weiß dass sie nur ein Produkt meiner Wahrnehmung ist. Aber was heißt hier “nur“; für mich ist dies die ganze Welt, all dies was Bestand für mich hat. Die Welt scheint also ein Wahrnehmungsobjekt zu sein, das dadurch erst wahr wird, indem es wahrgenommen wird. Außerhalb meiner Wahrnehmung kann ich ihr demnach keinerlei Realität zusprechen. Da scheint gar keine Welt außerhalb meiner Wahrnehmung zu existieren. Und unter dem Aspekt betrachtet macht auch Mayas Aussage Sinn: „Die Welt ist in dir, und du bist in der Welt“.

      Dieses Feuer hier vor mir ist also nur ein Produkt meiner Wahrnehmung. Wenn ich nicht bald ein paar dieser trockenen Äste nachlege wird es erlöschen und sich aus meiner Welt verabschieden. Also wird es nicht nur durch meine Wahrnehmung, sondern auch durch mein Eingreifen zur Wirklichkeit. Ich gestalte meine Wirklichkeit. Oder ist es doch umgekehrt? Das Feuer drängt sich meiner Wahrnehmung auf um dadurch Realität zu erlangen? Es wärmt mich, spendet Licht und veranlasst mich es am Leben zu halten, indem ich Holz nachlege. Womit ich ihm einen Willen untergeschoben hätte. Das Feuer, das mich durch diese Wüste geführt hat, allen Strapazen trotzend und Hindernisse aus dem Weg räumend, um an dieser Stelle hier von mir entzündet zu werden. Wenn ich es woanders entzündet hätte, wäre es dann ein anderes Feuer?

      Verwirrt lasse ich diese Überlegungen, die doch alle nur in neuen Vorstellungen münden, langsam auslaufen. Oder sie stellen sich von selbst ein, da dem Körper die nötige Energie für eine solche Gedankentätigkeit fehlt. Die Vitalität und der Verstand scheinen in enger Verbindung zu stehen, wenn sie nicht sogar, so wie die Welt und Ich, ebenfalls eins sind. Wenn es, wie in meinem Fall, dem Organismus an Vitalität mangelt, dann ist es auch mit der Verstandestätigkeit nicht weit her. Glücklicherweise benutzt der Organismus die letzten Reserven um sein Überleben zu sichern und nicht dazu an fragwürdigen Vorstellungswelten zu basteln.

      Mit dem Gedanken, dass schon alles seine Richtigkeit haben wird, fallen mir die Augen zu. Das Bewusstsein ergreift die Gelegenheit und stiehlt sich leise davon, die ganze mich umgebende Welt gleich mit sich nehmend.

      Ich weiß nicht wie lange ich geschlafen habe, aber als ich erwache ist das Feuer noch munter am brennen. Es scheint sich sogar vergrößert zu haben, denn ich bin mir ziemlich sicher keine so dicken Äste aufgelegt zu haben. Verwirrt reibe ich mir die Augen und erfahre nach dem Auftauchen von Maya den zweiten Schock an diesem Tag. Mir direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Lagerfeuers, sitzt ein bärtiger Mann, mich freundlich anlächelnd. Der Schalk in seinen durch die Flammen golden leuchtenden Augen nimmt ihn sofort für mich ein und der erste Schreck beginnt sich schnell aufzulösen. Mich wundert nur wie einfach ich überrascht werden kann. Könnte ja sonstwer sein, der sich hier nachts herumtreibt.

       Nein, ein „Sonstwer“ bin ich nicht, auch wenn ich mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher bin was das ist. Aber wer weiß was sich in deiner Vorstellungswelt für Typen herumtreiben. Deinem staunenden Blick nach scheinst du mich nicht zu erkennen, also will ich mich erst mal vorstellen. Ich glaube einen richtigen Namen hatte ich nie, oder ich habe ihn einfach vergessen, also nenne mich einfach... . Blöd, jetzt fällt mir natürlich nichts ein. So helfe mir doch ein wenig und suche einen Namen für mich aus, lass deiner Fantasie ruhig freien Lauf, einer scheint so gut wie der andere zu sein.

      Unter Druck stehend scheint der Verstand Schwierigkeiten zu haben. Mit seiner von ihm selbst so hoch gehaltenen Spontanität ist es dann wohl nicht mehr so weit her. Doch warte, da fällt mir etwas ein, ich werde dich Hägar nennen. Nicht weil du mir so schrecklich erscheinst, sondern weil du mich so schrecklich erschreckt hast. Doch sag mir zuerst, bist du eine wirkliche Person oder nur eine Erscheinung, eine mir erscheinende Traumfigur?

       Worin besteht denn der Unterschied? Aber zu deiner Beruhigung, ich bin so wirklich wie du selbst. Seit deinen Erfahrungen im Grenzland bist du wohl etwas sensibel in Bezug auf andere Personen geworden. Suchst du denn immer noch den wahren Menschen? Ich dachte mit diesem Thema wärst du durch.

      Diese Umgebung hier provoziert wohl das Hochkommen von Erinnerungen an das Grenzland und den Grenzwächter, den ich dort verkörperte. Schau dich doch um, siehst du nicht diese ganzen wie geschlossene Schranken daliegenden Stämme? Seit ich hier sitze hat der unermüdliche Wind schon wieder zwei weitere geschlossen.

       Du meinst wohl die Bidones, diese Agavenstämme