Hermine Stampa-Rabe

"Take Care!"


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lagen, waren sicher meinetwegen liegengeblieben, damit ich die vor mir liegenden endlosen Steigungen nicht sehen sollte, um nicht schon vorher demoralisiert zu werden.

      Ach ja, ich hatte ganz vergessen zu erzählen, daß uns Miki verlassen hatte. Er hegte den Wunsch, erst noch hier in den Appalachen zu wandern und später seine Fahrradtour durch die Vereinigten Staaten fortzusetzen.

      Nach der Überquerung dieses ziemlich breiten und zerklüfteten Ge-birgskammes schloß sich eine rasante serpentinenartige und gefährliche Abfahrt an. Ich fuhr verhalten mit vielem Bremsen, um nicht mit meinem bepackten Rad aus der Kurve geschleudert zu werden. Von da an ging es sanft am South River bis zu einer Kreuzung, an der ein Store stand, wo wir eine längere Essens- und Trinkpause einlegten.

      Es sah verdächtig nach Regen aus. Weil ich noch kein neues Zelt besaß, entschloß ich mich, in ein Motel zu gehen, da wir morgen sowieso Ruhetag hatten. Kal.-John verspürte auch keine Lust zum Zelten. So radelten wir beide bei einsetzendem Platzregen ca. 8 km weiter nach Lexington, während sich unsere anderen zu ihrem Campingplatz in Bewegung setzten.

      9. Tag: Ruhetag in Lexington (18 km) 782 km

      Nach dem Frühstück im benachbarten Restaurant schwangen wir uns auf unsere Räder und versuchten, im Campinggeschäft ein 2-Pfund-Zelt zu finden. Aber es war keins zu bekommen. In der Stadt direkt, die 5 km entfernt von uns lag, trafen wir beim Fahrradgeschäft unsere anderen Freunde. Hier tätigten wir alle unsere vorgenommenen Erledigungen und verbrachten den restlichen Tag, der wieder zeitweise trok-ken wurde, in einem Cafe bei duftenden Keksen.

      Zum Abendessen gingen wir in ein Restaurant und setzten uns um einen großen runden Tisch. Von der Unterhaltung meiner Freunde verstand ich nur hin und wieder etwas. Sie redeten mir einfach zu schnell. So schaltete ich geistig ab und hing meinen eigenen interessanten Gedanken nach. Dann trennten wir uns.

      Eben hatte ich mit meiner Cousine Yordy Hyink aus San Mateo bei San Francisco in Kalifornien telefoniert. Dort war es auch kühl und regnerisch. Tröstlich. Mein Kläuschen erzählte mir, daß bei ihm seit einer Woche heißes Sommerwetter herrscht. Auch mit Gudrun, Achim und Olaf sprach ich noch. Danach stand ich wieder auf beiden Füßen und hing hier nicht so in der "Wildnis" herum.

      10. Tag: Lexington - Troutville (65 km) 847 km

      Aus dem Fenster schauend, sah ich trockene Steine. Nur ein Satz ging mir durch den Kopf: "Let's go west!" Wie ein Jubelschrei war es. Eine fröhliche und willensstarke Energie stieg aus meinem Inneren auf. Heute ging mir alles viel schneller von der Hand.

      Drüben auf der anderen Straßenseite konnte ich in einem Restaurant endlich alles das essen, was ich zu Hause auch zu mir nahm und was mein Herz begehrte.

      An der Straßenkreuzung, an der Kal.-John und ich auf unsere Freunde vom Campingplatz warten sollten, kam zuerst N.-Y.-Bob und nach sehr langer Zeit Engl.-Bob an:

      „Hermine, du sollst in die Stadt zurückkommen. Sarah wartet dort im Cafe von gestern auf Dich. Sie will dein neues Zelt mit Dir per Telefon bestellen.

      „Danke, Bob.

      Engl.-Bob und Kal.-John kamen mit zurück. Sarah und ich bestellten per Telefon das Zelt, das morgen abend im Camp in Christiansburg abgeholt werden konnte, so hieß es. Dann starteten wir.

      Unsere heutige Straße, die wir fahren sollten, vollführte einen großen Bogen. Die direkte Straße wäre aber die (11). Und da die schmaleren Straßen zwar vom Autoverkehr fast befreit waren, führten sie aber unweigerlich über steilere Berge als die großen Autostraßen. Da Kal.-John, Michael, Alex und ich die kürzere und leichtere Strecke auf der (11) befahren wollten, fragten wir Sarah um Erlaubnis.

      „Ja, das dürft ihr. Aber paßt gut vor den vielen Autos auf. Take care!

      Engl.-Bob schloß sich uns an. Die Straße fuhr sich herrlich. Als wir der Natural-Bridge immer dichter kamen, erhöhte sich das Gefälle. Mit hoher Geschwindigkeit stürzten wir uns in die Tiefe und hofften, mit diesem Schwung die neue riesige Steigung so weit wie möglich wieder hinaufzukommen. Meine Schaltung war diesen Anforderungen ideal angepaßt.

      Unterwegs bat ich meine Kameraden, kurz zu warten, weil ich mal in die Büsche mußte. Kal.-John:

      „Du, Hermine, paß bloß auf. In dem Gras befinden sich überall Klapperschlangen und du hast keine hohen Ledergamaschen an wie die Appalachen-Wanderer.

      Na, das war ja eine böse Überraschung! Da mir nichts anderes übrig blieb, als ins Unterholz zu steigen, bewegte ich vor jedem Schritt einen Fuß vor mir hin und her durch das hohe Gras und sagte laufend vor mich hin :

      „Geht weg, ihr Klapperschlangen. Jetzt komme ich.

      Es biß mich keine. Als ich wieder auf der Straße mein Fahrrad hochhob, sagte Kal.-John schadenfroh mit einem Schalk in den Augenwinkeln zu mir:

      „Als ich im letzten Jahr eine große Fahrradtour mitmachte, hatten wir in unserer Männergruppe eine einzelne Frau. Und als wir durch Kansas fuhren, wo kein Baum, kein Strauch und kein Felsen ist, hinter dem sie sich bei ihrem „Badezimmer verstecken konnte, warteten wir Männer schon immer darauf, daß sie anfing, suchend umherzublicken. Dann wußten wir gleich Bescheid und warteten gespannt, wie sie das Problem lösen wollte.

      Er lachte so richtig gemein, mich anblickend. Innerlich dachte ich mich giftig.

      „Wenn ich nach Kansas komme, werde ich schon dafür sorgen, daß du und die anderen Männer nicht in der Nähe seid, wenn ich mal muß, schoß es mir durch den Kopf, sagte es aber nicht laut. In Amerika wird nie das Wort Toilette benutzt. Statt dessen sagt dort jeder „Badezimmer. Und als Lösung für dieses Problem kam mir eine Blitzidee: „Wenn es so weit ist, werde ich die Männer immer weit vor mir fahren lassen. Dann kommt Kal.-John nicht auf seine Kosten!

      Kal.-John war ein Mann, der einfach seine Freude daran hatte, mich aufzuziehen, was ihm bei meiner empfindlichen Seele jedesmal gelang. Aber er meinte es nie böse.

      Bei der Natural-Bridge legten wir unsere Mittagspause ein, kauften ein, schickten Geschenke nach Hause und setzten uns danach draußen unter einem Baum auf eine schattige Bank und aßen in der Hitze des Tages unsere mitgebrachten Eßwaren auf.

      Weil ich meine Freunde immer noch nicht vollständig verstand, schloß ich mich ihnen an, um richtig zu fahren und nichts Wichtiges zu versäumen. Die von mir sehnlichst erwartete Natural-Bridge, eines der sieben Naturwunder der Welt, bekam ich leider trotzdem nicht zu se-hen. Bei der Weiterfahrt, ich dachte, daß es über sie hinweggehen würde, schlugen meine Freunde eine andere Straße ein. Es blieb mir nur die gekaufte Postkarte dieser Brücke.

      Da ich ja noch kein eigenes Zelt mein Eigen nennen konnte, fragte ich beim Campingplatz-Besitzer, ob ich hier irgendwo in einem kleinen Raum meinen Schlafsack ausbreiten darf. Zu meiner großen Freude bekam ich zu einem ganz niedrigen Preis ein kleines Haus, das vollständig mit Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Duschbad eingerichtet war.

      Das gemeinsame Essen nahmen wir draußen am Flußbett bei rauschendem Wasser und zwitschernden Vögeln ein. Meine kleine nette Wohnung stellte ich für alle frei.

      Hierher kam Ohio-John, um mit mir Deutsch zu lernen, während sich die anderen auf ihre Weise in dem großen Wohnraum beschäftigten, um 22.00 Uhr aber zu ihren Zelten verschwanden.

      In diesem Häuschen war alles einfacher, doch draußen im Zelt auf dem Rasen herrschte frische Luft. Dort hörte man das Wasser rauschen, die Frösche quaken, die Grillen zirpen und morgens ab 5.45 Uhr regelmäßig die Vögel zwitschern. Das war Natur pur und niemand konnte sich das mit einem Häuschen erkaufen. Es fehlte mir.

      Bei den Methodisten

      11. Tag: Troutville - Christiansburg (92 km) 939 km

      Ohio-John verließ jedesmal als Erster das Camp. Um 7.30 Uhr setzte sich N.-Y.-Bob ab. Ehe meine Gruppe fertig war, dauerte es eine Ewigkeit. Ich stand mit meinem