Alexandra Felleitner

Der Mensch denkt - Paul lenkt


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kannst du nicht aufpassen!“

      Die beiden Frauen zerren Peter weiter, bevor der die Beherrschung verliert und einen gröberen Streit provoziert oder vielleicht sogar eine Schlägerei anzettelt. Nach ein paar Minuten hat sich Peter beruhigt und sie können in aller Ruhe, sogar ohne Streit, zum Mexikaner gehen.

      Kapitel 2 – Paul

      Zur selben Zeit sitzt Paul an seinem Schreibtisch in seinem Büro. Er fühlt sich wohl in seinem weißen Anzug mit weißem Hemd und weißer Krawatte. Das obligatorische Weiß findet man auch am Schreibtisch, am Boden, an den Wänden und der himmelhohen Decke.

      An Pauls Arbeitsplatz stehen mehrere Monitore, die ihm einen Einblick in das Leben seiner Schützlinge erlauben. Das Beobachten der Schutzbefohlenen ist aber keine Kontrolle, sondern ein Miterleben ihrer Gefühle und das Analysieren und Verstehen ihrer Gedanken und Taten. Gefühlvoll werden sie ganz zart geleitet, indem für sie maßgeschneiderte mehr oder weniger zufällige Begegnungen und Situationen erschaffen werden, in denen sie mit dem jeweils richtigen Lebenspartner zusammentreffen. Nach dem ersten intensiveren Blickkontakt ist der Fall für Paul oft schon abgeschlossen, denn das Sich-Ineinander-Verlieben klappt dann meist von selbst, denn die Betroffenen spüren in ihrem Innersten, dass das richtige Gegenstück zum eigenen Herz gefunden ist. Nur bei sehr hartnäckigen Fällen – das sind Menschen, die Gefühle schwer zulassen können, muss dann noch nachgeholfen werden – das ist Pauls Job.

      Sein Büro befindet sich auf der Verwaltungsebene 1 in der sogenannten grauen Zone. Diese Ebene befindet sich über unserer Welt, aber noch unterhalb der letzten, der höchsten Ebene des Seins. Diese ist das Ziel unserer Reise als Mensch, die wir dort als Seele ohne Körper beginnen und nachdem wir sie beendet haben, dort verweilen dürfen, nachdem wir unsere menschliche Hülle abgegeben haben.

      Die ganze Nacht sitzt Paul schon an seinem Schreibtisch und denkt über die missglückte Begegnung zwischen Sophie, Lena, Peter und Max nach. Schön langsam wird er etwas nervös, denn in fünf Minuten beginnt die Besprechung mit Pauls Chef – Charles York. Jede Woche müssen alle Engel über ihre aktuellen Fälle und deren Fortschritte berichten. Paul hat aber noch keine Erfolge bezüglich Sophie und Max vorzuweisen. Alle Engel versammeln sich um den großen, weißen, ovalen Tisch im Besprechungsraum. Zuerst unterhalten sich noch Paul und seine Kollegen, aber als sich die Tür öffnet und Charles York den Raum betritt, wird es sofort mucksmäuschenstill. Charles York duldet keine Verzögerungen bei der wöchentlichen Besprechung. Der Reihe nach berichten nun alle über ihre aktuellen Fälle. Als Paul dran ist, druckst er umher, er hat ja nicht viel vorzuweisen. Im Coffee Shop haben sich Sophie und Max verpasst, auf dem Weg zum Mexikaner hat Max Peter angerempelt statt Sophie. Es sieht nicht gut aus für Paul und tatsächlich bekommt er zum ersten Mal eine Rüge von seinem Chef.

      Nach der Besprechung trottet Paul tief traurig und niedergeschlagen zu seinem Schreibtisch zurück. Jetzt muss er sich aber wirklich etwas Überragendes einfallen lassen. Er kommt zu dem Entschluss, dass unauffällige Begegnungen alleine bei Sophie und Max nicht ausreichen. Beide sind zu verschlossen und können sich momentan nicht auf Gefühle einlassen.

      Manchmal wachsen erste zarte Gefühle schon, wenn zwei Menschen nur für kurze Zeit hintereinander stehen wie zum Beispiel in einer Warteschlange; extrem feinfühlige Menschen überkommt dann schon ein Gefühl von Wohlbehagen, Wärme oder gute Laune, weil diese sensiblen Menschen die Gefühle zwar spüren, aber noch nicht zuordnen können. Sophie und Max gehören nicht dazu. Paul beschließt daher, härtere Maßnahmen zu ergreifen.

      Plötzlich hat er die Idee schlechthin, er schickt Sophie einfach ins Fitnessstudio. Sophie ist zwar nicht dick, im Gegenteil, sie ist schlank, aber Frauen glauben ja immer, dass sie zu dick sind. Es dürfte somit einfach werden, Sophie den Gedanken zu schicken, sie müsste mehr für ihre Figur tun. Dort wird sie Max begegnen und verliebt sich in ihn. Paul ist glücklich, gleich heute wird er ihr den Gedanken schicken. Charles York wird mit ihm zufrieden sein, schon bald kann er ihm positive Ergebnisse liefern.

      Kapitel 3 – Die Fitnesseinheit

      Der Freitagmorgen beginnt für Max wie gewöhnlich. In seinem Bett befindet sich eine schöne Unbekannte, die er am Vorabend kennengelernt und mit nach Hause genommen hat. Er geht duschen und hofft, dass sie gleich nach dem Frühstück verschwindet. Je früher, desto lieber. So ein, zwei Mal hat er eine Frau auch schon ein zweites Mal getroffen, aber da musste sie schon etwas Besonderes sein.

      Ein zweites Treffen ist diesmal wohl nicht notwendig.

      Nach dem Duschen ist seine Eroberung schon angezogen, sie frühstücken beide, er geht zur Arbeit und sie vermutlich auch, er hat nicht weiter nachgefragt.

      Sophie streckt sich im Bett, die Sonne scheint ihr auf die Nase, sie hat gut geschlafen und sie fühlt sich auch gut. Etwas betrübt ist jedoch, weil sie so ganz alleine im Bett liegen muss und da fallen ihr auch Lenas Worte von gestern wieder ein: „Das Gefühl, morgens neben dem Menschen aufzuwachen, den du liebst, ist einfach unbeschreiblich.“

      Bevor ihr der Gedanke die Laune verdirbt, geht sie duschen und frühstückt. Als sie ihre Jacke holen will, bleibt sie im Flur vor ihrem Spiegel stehen und betrachtet sich kritisch vom Kopf bis zu den Zehen – wie jedes Mal, bevor sie aus der Wohnung geht. Eigentlich hat sie nichts auszusetzen. Sophie ist 1,68 m groß und hat eine zierliche Figur. Ihre Haare, die sind oft widerspenstig und manchmal artet es in einen Kampf aus, um sie zur Räson zu bringen. Sie dreht sich vor dem Spiegel, erst rechts herum, dann links herum, dann nochmal von vorne. Irgendwas ist anders, aber was? Vielleicht sollte sie doch mal ins Fitnessstudio gehen?! Ganz klar, etwas straffer an manchen Stellen würde wohl nicht schaden! Das ist es!

      Google – Standort – Fitnessstudio. Sie drückt auf ihrem Smartphone auf das erste Suchergebnis die Fitnessoase, die auch noch fußläufig von der Werbeagentur entfernt ist. Sophie ruft an und macht für die Mittagspause eine Stunde Bauch-Beine-Po aus. Nach Sophies Anruf teilt Eddie die Kunden den einzelnen Fitnesseinheiten bzw. Trainern zu und schreibt Sophie in den Kurs von Max ein – zur vollsten Zufriedenheit von Paul, der die Hände über den Kopf verschränkt und sich glücklich in seinen Bürosessel zurücklehnt. Endlich kann er den Dingen seinen Lauf lassen, denn das Weitere regelt sich jetzt von selbst.

      Schnell packt Sophie ihre Sporttasche, steckt ihr Fitness-Dress und ein Handtuch hinein und macht sich auf den Weg in die Arbeit. Herr Schmitt möchte sicher gleich als erstes das neu überarbeitete Haarshampoo-Konzept besprechen.

      In der Agentur angekommen, wird sie überschwänglich von Frau Gabriele, der Empfangsdame begrüßt.

      „Guten Morgen, Fräulein Lehmann, heute wurde für Sie etwas abgegeben.“

      „Guten Morgen, Gabriele. Was haben Sie für mich? Den Haarshampoo-Auftrag? Hat Herr Schmitt schon wieder Änderungen?“

      „Nein, er keine Akten, es wurden Blumen für Sie abgegeben.“

      „Blumen … - für mich? Wer sollte denn ….?“

      „Sie kennen doch den Floristen neben Lenas Coffee Shop, bei dem bestelle ich immer Blumen für besondere Kunden. Die Blumen, die er heute gebracht hat, sind allerdings für Sie, es ist eine Karte dabei mit Ihrem Namen.“

      Frau Gabriele grinst erwartungsvoll wie ein Honigkuchenpferd, als wären es ihre eigenen Blumen.

      „Danke, Gabriele, ich werde die Karte im Büro lesen.“

      Etwas enttäuscht lässt sie die Empfangsdame zurück, die zu gerne gewusst hätte, von wem die Blumen sind.

      „Wer schickt denn mir Blumen?“

      Auf der kleinen Karte steht mit goldenen Buchstaben „Sophie Lehmann“ und weiter unten: „Neun rote Rosen für die schönste aller Rosen!“

      Noch nie hat sie Blumen geschenkt bekommen und dann auch noch in die Agentur?

      Nach Sophies Anruf teilt Eddie die Kunden den einzelnen Fitnesseinheiten bzw. Trainern zu und schreibt Sophie