Michael Hamberger

Der geheime Pfad von Cholula


Скачать книгу

war. Dass es aber auch daran liegen konnte, dass sie die Anforderungen an ihren Traumprinzen einfach zu hoch ansiedelte, dass wollte sie nicht gelten lassen. Es musste irgendwo diesen Traumprinzen geben und eines Tages würde sie den auch finden. Bis dahin musste sie wohl oder über warten, denn Layla war der Ansicht, dass sie eher alleine blieb, als hierbei Kompromisse einzugehen.

      Auch der Blick der jungen Frau zeigte, dass sie sich Layla wohl ganz anders vorgestellt hatte und sie vielleicht sogar enttäuscht war. Trotzdem setzte sich Layla ihr gegenüber auf einen Stuhl und blickte ihr fest in die Augen.

      „So, ich bin ganz Ohr. Was haben Sie mir zu erzählen?“

      „Zuerst möchte ich mich einmal vorstellen. Ich bin Mercedes Ramírez und bin eigentlich aus Puebla. Kennen Sie die Stadt!“

      „Natürlich, mein Vater war ein Poblano, also ein Einwohner von Puebla. Es ist eine Großstadt, circa 120 km südlich von Mexiko City!“

      „Ich wurde dort selbst entführt. Von einem Priester!“

      Bumm, da war es nun doch, dieses Kribbeln, das Layla immer dann überfiel, wenn sie eine Story witterte. Es begann immer hinter den Ohren und zog sich dann über ihren kompletten Schädel bis hin zur Stirn. Dieses Kribbeln war manchmal so stark, dass Layla dann in den Spiegel schauen musste, um zu sehen, ob ihre Haare zu Berge standen. Meistens hatte dieses Kribbeln Recht behalten und war der maßgebliche Erfolgsfaktor in ihrer Karriere.

      „Warum haben Sie dies nicht gleich gesagt, dann hätte ich mir mehr Zeit genommen!“

      „Ich wollte erst wissen, ob ich Ihnen vertrauen kann!“

      „Aha, und das wissen sie nach zwei Sätzen, die wir getauscht haben?“

      „Das wusste ich beim ersten Blick in Ihre Augen!“

      Layla sah Mercedes lange in die Augen, um abzuschätzen, was sie von dieser Aussage zu halten hatte. Sie konnte jedoch keine List oder Tücke darin erkennen. Auch ein irrsinnigen Flimmern, wie bei einer mental labilen Person war dort nicht zu sehen.

      Sie öffnete ihre Tasche, um einen Stift und einen Block herauszuholen. Mercedes schreckte zusammen und stieß dabei fast den ganzen Tisch um. Panik, fast Todesangst war in ihren Augen zu sehen. Layla sah die junge Frau überrascht an und sagte:

      „Ganz Ruhig, ich wollte nur etwas zu Schreiben aus der Tasche holen“

      Mercedes riss ihr die Tasche aus der Hand, schüttete den Inhalt auf den Tisch und begann darin zu wühlen. Die Dinge flogen dabei nur so durcheinander. Manche fielen sogar vom Tisch. Zum Glück war nichts Wertvolles dabei. Als Mercedes Laylas Diktiergerät fand, schmiss sie es auf den Boden und zertrat es. Layla wollte erst sehr scharf reagieren, sah aber die Panik im Blick von Mercedes. Daher hob sie beschwichtigend die Hände und sagte beruhigend:

      „Ganz Ruhig, Mercedes, niemand tut Dir was. Kannst Du mir jetzt bitte erklären, was denn eigentlich los ist?“

      Mercedes setzte sich wieder, während der Barmann mit Schaufel und Besen herangeeilt kam. Layla gab ihm mit einem Zeichen zu verstehen, dass er nicht näher kommen sollte. Noch solch ein Anfall wäre wohl nicht sehr hilfreich. Instinktiv spürte Layla, dass dieser Anfall nicht gespielt, sondern tödlicher Ernst war. Dieser Frau war ganz übel mitgespielt worden. Mittlerweile war auch ihr Kribbeln so stark, dass sich Layla sicher war, dass ihr jetzt die Haare zu Berge standen.

      Nach dem Anfall fiel Mercedes regelrecht in sich zusammen. Sie saß jetzt auf ihrem Platz, wie ein Häufchen Elend. Layla setzte sich ebenfalls wieder und nahm Mercedes Hand in die ihre. Sie sah ihr dabei ganz fest in die Augen und sprach beruhigend auf die junge Frau ein. Langsam beruhigte sich Mercedes wieder. Sie atmete tief durch, dann fuhr sie fort:

      „Der Priester, der mich entführt hat, heißt Sergio Alcazar. Ich weiß aber nicht, ob es sein richtiger Name ist und er ist auch kein richtiger, christlicher Priester. Er ist praktisch der Imperator des Dorfes Aguas Verdes. König, Priester, Polizeichef, höchster Richter und Gott in einem. Und in diesem Dorf geschehen seltsame Dinge. Irgendwie verschwinden dort immer wieder junge Frauen und werden nie mehr gefunden. Und als Ersatz für diese verschwundenen jungen Frauen, werden andere junge Frauen speziell in größeren Städten, wie Mexiko City, Puebla, Tlaxcala oder Cholula entführt, die dann den Platz der verschwundenen jungen Frauen übernehmen müssen. Ich bin sicher, Sergio Alcazar hat bei diesen Entführungen seine Finger mit im Spiel. Wahrscheinlich ist er sogar der Initiator all dieser Dinge“

      „Was hat dies mit dem geheimen Pfad von Cholula zu tun, den Du beim Telefonat erwähnt hast?“

      „Dieser Pfad führt genau zu Aguas Verdes, Sergios Dorf! Es ist der einzige Weg, der dorthin führt. Die entführten Frauen werden über diesen geheimen Pfad nach Aguas Verdes gebracht. Dabei kennt außer Sergio Alcazar und seinen Gehilfen niemand den genauen Standort des geheimen Pfads. Die Leute in Cholula wissen aber, dass es ihn gibt und haben panische Angst davor.“

      „Und diese junge Frauen, die entführt wurden. Warum fliehen die von Aguas Verdes nicht wieder?“

      „Weil dies unmöglich ist. Sergios Helfer sind überall!“

      „Aber die Behörden in Mexiko, speziell die von Cholula und Puebla, die müssen doch wissen, was da vor sich geht!“

      „Erst einmal sind Sergio und seine Helfer Meister im Verschleiern und Verdecken und sollte einmal doch was durchsickern, was so gut, wie niemals passiert, dann helfen Drohungen und auch mal ein Taschengeld an der richtigen Stelle, wenn Du verstehst, was ich meine!“

      Layla nickte. Auch sie wusste über die „Mordidas“ in Mexiko Bescheid. Eigentlich hieß dieses Wort einfach nur „Die Bisse“, gemeint war aber ein kleines Bestechungsgeld, dass unauffällig den Besitzer wechselte und dann sehr viele Türen ganz weit öffnen konnte, die sonst nur schwer, oder sogar gar nicht geöffnet werden konnten.

      „Wie konntest Du fliehen?“

      „Ich hatte Helfer. Nicht alle Bewohner des Dorfes sind schlecht. Aber jetzt bin ich in großer Gefahr! Du musst mich beschützen! Nur Du kannst dies“

      Mercedes war wieder aufgesprungen und die Panik war in Ihren Blick zurückgekehrt. Auch Layla war aufgesprungen und umarmte Mercedes mit dem Ziel, diese wieder zu beruhigen. Plötzlich blieb Mercedes wie vom Donner gerührt stehen. Ihre Augen waren auf einen Punkt hinter Layla fixiert.

      Layla drehte sich um und traute ihren Augen nicht. Vor ihr stand ein Priester, aber solch einen Priester hatte sie noch nie gesehen. Der Mann war mindestens 2,10 groß und fast so breit wie hoch, wobei bestimmt kein Gramm Fett an seinem Körper zu finden war. Im ersten Moment hatte sie eine sehr starke Assoziation zum Undertaker, einem professionellen Wrestler aus den USA, den sie einmal interviewen durfte. Der hatte eine ähnlich kraftvolle aber auch dunkle Ausstrahlung. „Also wenn das ein Priester ist, dann bin ich eine Heilige“ dachte Layla. Der Priester hob seine Hand zum Gruß. Hand? Nein, Pranke war wohl der richtigere Ausdruck. Mercedes sah ihn mit schockgeweiteten Augen an.

      „Wer sind Sie?“ fragte Layla.

      „Entschuldigen Sie bitte, wo bleibt denn meine gute Kinderstube? Mein Name ist Sergio Alcazar. Ich bin Priester von Aguas Verdes!“

      Der Mann sprach ein akzentfreies Deutsch, als ob er in Deutschland geboren worden wäre. Das einzig auffällige an der Aussprache war die Art, wie er die Wörter regelrecht hervorstieß. Es klang fast so, als ob er nur mühsam seine Wut verbergen konnte. Dies stand aber im kompletten Widerspruch zu seinem Gesichtsausdruck, der die Güte in Person auszudrücken schien. Trotzdem hatte Layla das starke Gefühl, dass von dem Mann eine starke Bedrohung ausging. Sicher war auf jeden Fall, dass er seine imposante Erscheinung einzusetzen wusste. Jede Bewegung, sogar die kleinste zeigte, was für eine unglaubliche Kraft in diesem Körper stecken musste. Trotzdem war er nicht plump und steif. Nein, im Gegenteil. Jede seiner Bewegungen zeigte eine grazile Anmut, fast wie bei einem ausgewachsenem Tiger. Layla musste zugeben, dass sie beeindruckt, fast sogar eingeschüchtert war. Sie konnte dem Blick von Sergio nicht standhalten, der ihr bis in die tiefsten Regionen ihrer Seele zu sehen schien. Der Blick, beziehungsweise die pure Präsenz des Mannes drückte sie fast zu Boden. Sie