Michael Hamberger

Der geheime Pfad von Cholula


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in Frankfurt eingecheckt worden. Vielleicht käme er ja noch. Bevor Layla zu einer etwas schärferen Bemerkung ansetzten konnte, hörte sie eine sonore Stimme hinter sich.

      „Entschuldigen Sie, ist das Ihr Koffer?“

      Layla drehte sich um. Vor ihr stand der Flirtweltmeister und hatte ihren Koffer in der Hand. Er hob ihn hoch, als wäre er aus Papier, dabei hatte sie eine Menge Geld für das Übergepäck bezahlen müssen.

      „Wie kommen Sie zu meinem Koffer?“

      Layla war wirklich stark angesäuert. Was wollte der Typ von ihr. Auch wenn es ein Modellathlet zu sein schien, war er nicht ihr Typ. Er war circa 1,90 groß und hatte den perfekten Dreieckskörperbau, den Kraftsportler im Idealfall hatten, also ein schmales Becken und riesige Schultern. Layla sah ihn mit ihrem Layla-Méndez-Spezial-Blick an, den sie normalerweise bei den Typen anwendete, die sie anzumachen versuchten, wo sie aber absolut keine Lust hatte, darauf einzugehen. Der Mann ließ sich trotzdem nicht abweisen. Er grinste sie sogar wieder mit seinem gruseligen Lächeln an.

      „Er ist anscheinend vom Band gefallen. Mein Koffer war der letzte, der ankam. Da habe ich den Ihren draußen liegen gesehen und mir erlaubt, ihn aufzuheben. Ich sah, dass Sie hier stehen und ihn wohl schon vermissen. Entschuldigen Sie, darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Antonio Gonzales López!“

      Laylas Wut verrauchte. Was war nur mit ihr los, dass sie auch auf diesen Mann so überempfindlich reagierte?

      „Na dann vielen Dank, Señor Gonzales, mein Name ist….“

      „Layla Méndez . Ich weiß, ich habe einige ihre Berichte in der Basler Woche gelesen. Hervorragend recherchiert. Darf ich Sie auf eine Tasse Kaffee einladen?“

      Es konnte schon sein, dass der Mann tatsächlich ihre Berichte in der Basler Wochen gelesen hatte. Trotzdem war es ein wohl sehr großer Zufall, dass Antonio Gonzales López sie einfach so erkannt hatte. Sie war doch nicht Paris Hilton, die jeden Tag in der Presse herumgeisterte. Sie konnte sich auch nicht erinnern, ob selbst in der BaWo, jemals ein Photo von ihr veröffentlicht worden war. Deshalb beschoss Layla, den Mann erst mal abzuweißen.

      „Nein, Herr Gonzales, tut mir Leid, ich muss noch den Bus nach Puebla erwischen. Ich habe noch nicht mal ein Ticket, und sie wissen nicht, wie der Busbahnhof hier am Airport aussieht!“

      „Oh, das ist doch gar kein Problem, ich fahre nach Puebla und kann sie mitnehmen!“

      „Das kann ich überhaupt nicht annehmen. Ich würde Ihnen zur Last fallen!“

      „Wie kann so eine ausgesprochen hübsche, junge Dame einem jemals zur Last fallen? Ich bestehe darauf“

      Da war er wieder, der Flirtweltmeister. Leider schaffte es das aufgesetzte Lächeln auch diesmal wieder nicht, bis zu den Augen vorzudringen. Diese glotzten immer noch an, wie zwei tote Steine. Es fehlte auch der typisch Blick eines Anbandlers einmal rauf und runter über ihren Körper.

      Vor Laylas innerem Auge tauchte das Bild eines überfüllten Busbahnhofs auf, schwitzende, stinkende Leiber, ein überfüllter Bus, eine lange, anstrengende Fahrt. O.K. dann also doch!

      „Also gut, vielen Dank für Ihr Angebot!“

      „Na dann steht ja einer guten Tasse Kaffee und einer wohltuenden Stärkung nichts mehr im Wege, Wollen wir?“

      Als Layla lächelte und nickte, nahm Antonio Gonzales López wieder ihr Gepäck und ging in Richtung des zweiten Stockes, wo sich die ganzen Fastfood Imbissbuden des Flughafens befanden. Layla trottete ihm nachdenklich hinterher. Bei einem war sich Layla mittlerweile ziemlich sicher. Anmachen möchte der Mann sie wohl doch nicht, dass sagte ihr ihre weibliche Intuition, aber aus reiner Freundlichkeit und Menschenliebe schien er auch nicht zu handeln. Was wollte er dann? Hatte es wirklich etwas mit Sergio Alcazar zu tun? War er wirklich einer seiner Helfer? Sollte er sie vielleicht sogar überwachen? Nein, dann würde er sich bestimmt nicht so offen zu erkennen geben. Was steckte also dann dahinter?

      Was Layla auch sehr wunderte, war die Tatsache, dass sie eben genau so offensichtlich empfindlich auf Antonio Gonzales López reagierte, wie auf Sergio Alcazar. Das hatte sie noch nie erlebt, und in ihrem Beruf hatte sie schon einige Prachtexemplare der Gattung Mann kennen lernen dürfen. Auch jetzt schien sie die pure Präsenz des Mannes fast zu erdrücken. Sie war schon nahe daran nach einer Ausrede zu suchen, doch noch den Bus zu nehmen, da kam ihr ein Gedanke. Vielleicht konnte sie ja auch den Spies umdrehen und Gonzales einige aufschlussreiche Informationen entlocken. Außerdem ließ sich eine Layla Méndez nicht so leicht einschüchtern. Diese Gedanken erfüllten sie mit neuer Zuversicht. Das konnte ja doch noch eine interessante Reise werden.

      6

      Angekommen bei den Schnellrestaurants, schob sie Antonio auf einen Stuhl, legte das Gepäck neben sie und war mit einem kurzen „Entschuldigen Sie mich bitte“ auch schon wieder weg. Layla schoss die Augen, weil sie nachdenken wollte, aber dies war ihr auch dieses Mal nicht vergönnt, denn plötzlich hörte sie eine tiefe, wohltuende Stimme.

      „Entschuldigen Sie, ist hier noch frei?“

      Es wunderte Sie, dass sie schon wieder auf Deutsch angesprochen wurde. War ihr das ganz dick auf die Stirn tätowiert, dass Sie aus dem deutschsprachigen Raum kam? Sie öffnete die Augen und vor ihr stand ein Priester. Der Mann war circa 1,80 groß und schlank und trug die typische geistliche Kleidung, dunkler Hose, dunkles Hemd und der weiße Hemdkragen. Passend zum Hemdkragen war sein blondes, nein eher schneeweißes Haar. So ein weißes Haar hatte sie noch selten gesehen. Es sah aber auch nicht gebleicht aus, denn mit Peroxyd gebleichtes Haar schien immer eher einen Gelbstich zu geben. Sie konnte sich erinnern, dass ihre deutsche Großmutter, die vor vielen Jahren gestorben war, auch solch ein schneeweißes Haar hatte, aber die war zu dem Zeitpunkt schon über 80 Jahre alt gewesen, während der Priester so aussah, als wäre er gerade einmal 35 – 40. Im Gegensatz zu den hellen Haaren waren seine Augen nicht blau, sondern von einem tiefen Braun, fast Schwarz. Was sonst noch auffiel war die dicke Narbe die sich über den Hals des Priesters zog, direkt von links nach rechts, als ob jemand versucht hätte, ihm die Kehle durchzuschneiden. Aber für Layla als Frau war das augenfälligste Merkmal das Lächeln des Mannes. Ganz im Gegenteil zu Antonio Gonzales López, wo sich das Grinsen lediglich am Mund zu erkennen war, schien sich bei dem Priester das ganze Gesicht in eine aufgehende Sommersonne zu verwandeln. Die Augen leuchteten und die kleinen Lachfalten an den Augen zeigten, dass vor ihr ein Mensch stand, der oft und gerne lachte. Und dann der Mund. Wie konnte ein Mann nur einen solch sinnlichen Mund haben? Voll, kirschrot, fast als ob Lippenstift darauf wäre und mit einer perfekten Form, speziell jetzt bei diesem unglaublichen Lächeln.

      „Na- Natürlich, Pa-Pater, setzen Sie sich doch“ stotterte Layla

      Der Priester setzte sich. Auch er zeigte diese fast unheimliche Eleganz in seinen Bewegungen. Was war den nur los? Sind jetzt plötzlich alle Balletttänzer geworden?

      „Mein Name ist Pater Mark Bishop“

      „Ein Pater, der Bischof (Bishop = engl. Für Bischof) heißt, na dass nenne ich einmal ein gelungenes Wortspiel“

      Trotz des recht guten Witzes, war dieses überirdische Lächeln plötzlich wie weggezaubert. Layla bedauerte dies sehr, sie wäre gerne noch etwas in diesem Lächeln ertrunken. Sie war immer noch ganz verzaubert. Doch Pater Bishop wurde plötzlich sehr ernst, beugte sich nach vorne, um sich ihrer vollen Aufmerksamkeit zu versichern und sah ihr dabei tief in die Augen.

      „Layla, Sie sind in großer Gefahr, gehen Sie nicht nach Aguas Verdes, vergessen Sie die ganze Story, vergessen Sie Sergio Alcazar und vor allen Dingen, gehen Sie nicht mit Antonio Gonzales López!“

      Mein Gott, dachte Layla, die Tätowierung auf ihrer Stirn musste nicht „Deutsche“, sondern „Layla Méndez aus der Schweiz, im Moment auf dem Weg nach Aguas Verdes, Mexiko“ heißen. Wieso schienen sie alle zu kennen? Wieso schienen alle zu wissen, wohin sie ging und was sie tat? Warum schienen alle zu meinen sich einmischen zu müssen?

      „Darf ich Sie fragen, warum?“

      „Antonio