Michael Hamberger

Der geheime Pfad von Cholula


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was sollte dieses dumme Geschwätz über Werwölfe? In was für eine Story war sie da hineingeraten? Gut, diese Mystik würde sich sicher gut in ihrer Story tun. Die Leute liebten solche fantastischen Geschichten. Sie musste nur aufpassen, dass sie nicht ins Lächerliche abdriftete. Da würde Peter Baumann aber sicher ebenfalls aufpassen.

      Wenn sie einen Mann liebte, seit ihr Vater gestorben war, dann war es Peter. Obwohl er nur knapp zehn Jahre älter war, als sie, war er doch so etwas wie ihr väterlicher Freund geworden. Sie wusste, sie konnte sich nicht nur hundert-, sondern tausendprozentig auf ihn verlassen. Er gab ihr so viel und wollte nichts dafür als Gegenleistung. Einen Mann wie Peter hatte sie noch niemals vorher kennen gelernt.

      Im Moment versuchte Peter etwas über Aguas Verdes in Erfahrung zu bringen. Sollte sie ihn auch auf Werwölfe ansetzen? Nein, noch nicht. Nanu, warum „Noch nicht“ und nicht ganz konsequent „nein“. Hatte ihr Pater Bishop doch einen Floh ins Ohr gesetzt. Was war nur los mit ihr? Was machte dieses Abenteuer nur aus ihr?

      „Señorita, despiértese, por favor. Ya estamos en Puebla“ Fräulein, wachen Sie bitte auf, wir sind in Puebla.

      „Muchas gracias señor“ Vielen Dank der Herr.

      Nun hatte sie doch geschlafen, nur hatte sie dieser Schlaf nur noch müder gemacht. Sie fühlte sich wie gerädert. Da sie als Letzte aus dem Bus stieg, stand ihr Koffer schon direkt vor der Türe. Sie war in Puebla! Dieser Gedanke gab ihr neue Kraft. Sie nahm ihren Koffer und ging in Richtung Ausgang. Dabei sah sie sich unauffällig um, ob sie nicht irgendwo einen von Sergios Schergen erkennen konnte. Ihr fiel aber niemand auf.

      „¡Layla, Layla, por aquí! Layla, Layla, hierher

      Layla lächelte. Sie hat Lupi, eigentlich Maria Guadalupe, ihre Nichte gesehen. Das verrückte Huhn sprang wie ein Gummiball am Treffpunkt umher. Dann flog sie ihr auch schon in die Arme. Dabei riss sie Layla fast um, und lachte, schrie, weinte, jauchzte. Alles auf einmal. Typisch Lupi halt. Auch Layla war den Tränen nahe. Sie hatte Lupi ebenfalls seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Aus dem quirligen kleinen Mädchen war eine schöne junge Frau geworden. Sie merkte, wie sie ihre Mexikanische Familie vermisst hatte. Ganz fest umarmte sie Lupi und küsste sie immer wieder auf die Stirn.

      „ ¿Lupi, también me dejas saludarla, por favor? Lupi, lässt Du sie mich bitte auch begrüßen?

      Vor ihr stand Daniel, ihr Primo, also ihr Vetter. Der gab sich zwar macholike cool, aber auch seine Augen leuchteten. Layla sprang ihm in die geöffneten Arme. Daniel drückte sie ganz fest, dann sagte er:

      „Me voy por el coche! “ Ich hole das Auto.

      Lupi schoss einen Schwall von Fragen auf sie ab, dass sie resigniert winkend zugeben musste, dass sie nicht alles auf einmal beantworten konnte. Gerade wollte sie die ersten Fragen beantworten, da sah sie circa 10 Meter vor sich Antonio Gonzales López! Sofort war ihre Freude über das Wiedersehen mit ihrer Familie, wie weggeblasen. Antonio stellte sich genauso hin, dass sie ihn einfach sehen musste. Er provozierte sie regelrecht. Er flirtete wieder mit der hübschen Blonden, mit der er sich schon so eingehend im Flugzeug beschäftigt hatte. Layla machte sich von Lupi los und sagte:

      „Esperame un momento, tengo que hablar con este fulano“ Warte mal einen Moment, ich muss mit diesem Typen da kurz reden.

      Sie ging, ohne aber große Eile zu verraten, ganz locker, als würde sie nur eine Zeitschrift kaufen wollen, in Richtung Antonio. Der machte keine Anstalten zu fliehen.

      „Señor Gonzales, stellen Sie mir nach?“

      Antonio schaute sie an. Der Spott war ihm ins Gesicht geschrieben. Er lächelte sie provozierend an, wobei er sich so lasziv über die Lippen leckte, wie er es auch im Flugzeug, als er an ihr vorbeigegangen war, getan hatte.

      „Junge Dame, kenne ich Sie? Ich glaube sie müssen mich verwechseln!“

      „Aha, ein supercooler Superwitzbold. Das ist ja toll. Antonio hören Sie mir zu! Ich lasse mich von meinem Vorhaben nicht abbringen, nicht von Ihnen, nicht von Sergio Alcazar und auch nicht von Pater Mark Bishop“

      „Soll mir dies etwas sagen? Ich habe wirklich keine Ahnung wovon Sie sprechen, aber lassen Sie mich ihnen einen Tipp geben. Sehen Sie sich gut an mit wem Sie reden. Manche lassen sich ihre Unverschämtheiten nicht gefallen!“

      Damit nahm er seine blonde Tussi in den Arm und ging von dannen. Was für ein Megaarschloch. Der glaubte doch nicht wirklich, dass sie sich damit beeindrucken ließe? Die Intention war wohl klar. Sie sollte weiter durcheinander gebracht werden. Ihr Konzept sollte ins Wanken gebracht werden. Fast war es Antonio Gonzales López tatsächlich gelungen. Layla war nicht mehr so felsenfest davon überzeugt, das Richtige zu tun. Wieder hatte sie das Gefühl, dass sie dieser ganzen Sache absolut nicht gewachsen war. Trotzig stampfte Layla auf. Sie hatte es Mercedes versprochen, also hatte sie sich verdammt noch mal zusammenzunehmen. Warum war sie plötzlich so schwach, so anfällig? In Indonesien hatte sie sich ja auch mit der kompletten Unterwelt, die mafiaartig organisiert war, angelegt und dies ohne Angst und ohne eine Sekunde zu zögern. Was war nur jetzt mit ihr los? Sie kannte sich ja selbst gar nicht mehr.

      „¿Quién era ese fulano? Me dio miedo.“ Wer war denn dieser Typ, er machte mir Angst

      „Nadie. Solamente un pendejo“ Niemand, nur ein Dummkopf.

      Von der Straße hupte Daniel. Layla und Lupi hatten gar nicht bemerkt, wie er mit dem Auto ankam. Hinter ihm bildete sich schon langsam eine Schlange, sodass sich die beiden entschieden, schnell zu Auto zu rennen und einzusteigen.

      Auf dem Weg zum Haus ihrer Großmutter fiel die Anspannung schnell wieder von Layla ab. Lupi hatte wieder ihren Turbo eingeschaltet und hörte gar nicht mehr auf, zu schnattern. Das brachte Layla aber auch wieder in die Spanische Sprache, sodass sie nicht mehr im Geiste übersetzen musste, sondern direkt in Spanisch denken konnte. Dadurch konnte sie Lupi jetzt auch besser folgen. Die drei lachten viel.

      Angekommen am Haus ihrer Großmutter sah Layla diese schon vor der Türe warten. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihre Großmutter hatte sich in den fünf Jahren kein bisschen verändert. Durch die stolze Haltung sah man ihr die fast 70 Jahre, die sie hatte, auf keinen Fall an. Trotz ihrer kleinen, schlanken Statur, lediglich 1,50 Metern groß, strahlte ihre Großmutter eine natürliche Würde aus, um die sie sehr viele große Staatmänner beneiden würden. Das Auto hatte noch gar nicht richtig gehalten, da sprang Layla auch schon heraus und umarmte ihre Großmutter.

      „Hallo Layla, mi hijita, was bringt Dich letztendlich dazu, Deine arme alte Großmutter zu besuchen?“

      Dabei sah sie ihre Großmutter mit ihren gutmütigen Augen an. Es war sehr viel Liebe in diesem Blick, Layla konnte jedoch auch eine tiefe Traurigkeit darin erkennen. Aber da war auch noch etwas anderes diesem Blick, etwas, dass Layla nicht so leicht deuten konnte. Auch war ein leichtes Zittern in der Umarmung zu spüren, und ihre Großmutter drückte sie etwas stärker, als es nötig gewesen wäre. Fast so, als wolle sie Layla nicht wieder loslassen, fast so, als wolle sie damit sagen „Gehe nicht wieder fort“. Aber Laylas Intuition sagte ihr, dass selbst dies noch nicht alles war. Da war noch etwas viel, viel tiefer Liegendes in dieser diesem Blick und in dieser Umarmung. Layla spürte genau, wie es ihre Großmutter beschäftigte, wie es sie fast marterte. Layla meinte auch Angst zu spüren? Doch Angst wovor? Fast schien es Layla so, dass ihre Großmutter Angst um sie hätte, denn eines war ihr vom ersten Blick in diese ausdrucksvollen Augen an klar gewesen: Ihre Großmutter wusste ganz genau, warum sie hier war. So war ihre Großmutter schon immer. Sie schien immer ganz genau zu wissen, was jemand dachte oder fühlte, ob er/sie gute, oder böse Absichten hatte, ja sogar, ob dieses Vorhaben mit Erfolg gekrönt sein wurde, oder in einem totalen Desaster enden würde.

      „Abuelita, er tut mir leid, aber ich war immer so sehr beschäftigt“

      „Für die Familie muss immer Zeit sein. In Zeiten, wie diesen ist es oftmals der einzige Halt. Auch wenn alle anderen einem verlassen, die Familie ist immer noch da, wie ein Fels selbst in der stärksten Brandung.“

      „Du hast ja Recht, Abuelita, ich verspreche auch, mich zu bessern.“

      Wieder dieser