Gerald W.T. Zajonz

Seelentreppen


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nicht toll, wenn man überall Augen sehen musste, vielleicht auch noch auf dem „Pot“! Scheiß Stasi.“

      Herbert hebt beschwichtigend die Hände vor.

      „Reg dich ab Rudi. Menschenskind! Haste wieder im Fernseher gesehen, oder? Du weißt immer alles. Als würdest du jeden Tag, jede Minute vor der Glotze hocken und die Nachrichten fressen. Langsam wirst du mir zu anstrengend. Mann! Jetzt muss ich aber rein! Bis dann!“

      Der Junge läuft eilig über den Hof, reißt dabei einen Arm zum Abschied in die Höhe.

      Rudolf spricht leise, etwas verächtlich hinter ihn her blickend:

      „Mein angeblicher Freund. Auch nur so ein Streber. Genau so geil wie Spira. Frauen müssen immer große Titten und lange Beine haben. Meistens sind diese Gänse so hochnäsig, dass sie jede Giraffe im Schatten stehen lassen könnten. Und dann dieses blöde Kichern…

      Das muss ich mir nicht antun. Nee, wirklich nicht!“

      Und doch schweiften seine Gedanken zu einem Mädchen, seiner Klasse.

       Rosi ist anders. Oh, ja. Ganz anders. Rosi und Spira. Wehe, wenn Spira Rosi anmacht. Dann, dann… lasse ich mir etwas einfallen. Garantiert. Rosi wird schlau genug sein, um sich nicht von diesem Ganoven anfassen zu lassen. Oder? Verdammt! Frauen fallen doch immer auf die Falschen rein. Genau wie auch Männer. Wenn die Weiber mit dem Arsch wackeln können, haben sie ihren Verstand an der Garderobe abgegeben. Blöde tierische Instinkte. Tiere! Menschentiere! Früher war Herbert auch anders. Jetzt hat sich auch fangen lassen. Will unbedingt dazugehören, um es leichter zu haben, wie er selbst einmal sagte. Leichter zu haben heißt, allen Scheiß mitmachen, auch wenn man weiß, dass es falsch ist. Warum gebe ich mich noch mit dir ab, Herbertchen? Dieses Cool! Warum redet er nicht deutsch mit mir, verdammt! Scheiß Amerikanisierungen, wenn er es doch wenigstens richtig aussprechen könnte. Mann! Ich ihn verraten… Bin doch nicht so eine Pfeife wie du, Herbertchen. Bringst es nicht einmal fertig, nur Kotze zu sagen. Doktor Kotze. Mann. Als wäre es eine Entschuldigung für, Kotze. Ansehen sollte er sich mal etwas lehrreiches, anstatt sich dauernd diese dämlichen Horrorsachen reinzuziehen. Viel Spaß dann noch, Herbertchen. Du wirst dein Leben lang ein Herbertchen bleiben. Einen richtigen Namen, wirst du dir an dieser Schule nie machen können. Dann müsste man schon Spira sein. Mit einem Geldsack als Vater. Oder ein Sportsass sein. Sich selbst in die Tasche lügen können. Oder ganz einfach, eine große Fresse haben und andere Leute zusammenschlagen können, der Stärkste sein. Brutal vorgehen, rücksichtslos, nur sich selbst im Auge haben. Den dicken markieren. Freunde haben, die hinter einem stehen, die sich anbiedern, weil sie im Schatten des Stärksten die Fresse aufreißen dürfen, ohne was drauf zu bekommen.“

       Rudolf verlässt jetzt, mit einem verächtlichen Zug um seinen Mund herum, den Pausenhof.

      Übelkeit!

      Das Leben ist zum Kotzen!

      Es ist sehr oft, verdammt noch mal,

      wie schleimig, grüner Rotzen!

      Wenn ich die Andern sehe, mit ihrem blöden Gehabe,

      jeder will der Mann sein, nur auf ihn kommt es an.

      Ekelhafte Typen – dann und wann.

      Nichts an ihnen ist der Allgemeinheit zu dienen.

      Sich selbst der Nächste sein, das ist der Sinn derer,

      die schlängelnd kriechen,

      und nicht merken,

      wie sie wirklich siechen.

      Und das Leben meint es auch noch gut mit Denen,

      sie kommen weit und weiter,

      auf der verdammten Leiter,

      die nach, angeblich oben führt,

      in den Himmel der Wohlhabenheit.

      Dort - schweben sie, wenn sie es auch nicht merken –

      in einer unangenehmen Flüssigkeit.

      Zusammengesetzt aus - über Leichen gehen,

      über den Anderen stehen,

      und diese verruchte Angeberei –

      Solche Typen - Wie Polypen –

      Wenn ich nur könnte, wie ich wollte –

      Die alle würde ich...

      Doch warte mal -

      Warte mal, denk nach –

      Sie sind es gar nicht wert.

      Sie sind der Abschaum unsrer Zeit,

      wo so viel Unrat fließt

      und mich, ehrlich gesagt,

      unheimlich verdrießt.

      Ich könnte diese Monster hassen.

      Und noch weiter könnt ich gehen –

      Die Wut ist grenzenlos, am Ende ist das Schamgefühl.

      Ich wäre gern genau so groß,

      ich würd` aufräumen in dem Saugewühl!

      Ich bin ein kleines Menschlein nur,

      rege mich hoch auf und wieder ab.

      Aber wehe!

      Wehe dem, wenn das nicht mehr klappt!

      Kapitel 2

      Am Bordstein entlang schlendernd denkt Rudolf:

       - Sportlich sein. Dynamisch sein. Kommt man damit viel weiter, wenn man sonst nichts zu bieten hat? Die Blödmänner können ihren Sport selber machen. Die können sich alle die Beine weglaufen, den Arsch aufreißen und sonst was… Bloß um ihre Noten zu verbessern. Wahres Wissen zählt. Jedenfalls für mich. Mit einer Sportnote Mathe verbessern, das fehlt noch. Typisch für diese Zeiten. Hauptsache man kann sich profilieren. Scheiße auch! Warum bin ich nur so fett? Dann fangen die wieder mit ihrem scheiß Fußball an. Das Spiel für welche, die sonst nichts auf die Reihe kriegen. Das richtige Spiel für solche Eierköpfe, wie diesen abgehalfterten Sportlehrer. Auch so ein Großmaul. Wie kann der Analphabet nur Mehlsack zu mir sagen? Was gibt ihm das Recht dazu, einem 17 Jährigen, Mehlsack zu benennen. Die Sau hat wohl nicht von Menschrechten gehört… Sport macht frei… wovon macht Sport frei? Was soll das Gelaber? Der Kerl ist verheiratet, hat drei Kinder, steht unter der Fuchtel seiner Alten… Wo macht da Sport frei? Einmal… nur einmal möchte ich diesem Spira auf dem Feld davonlaufen können… Nur einmal… immer macht dieser Typ aus dem Osten sich lustig über mich… Ich kann nichts dazu, dass ich so dick bin. Das wissen die doch alle! Die begreifen das nicht, dass man krankhaft dick sein kann. Die sind doch so wie so alle dämlich.

       Rosi, die… ja… die hat noch nie über mich gelacht.-

      Jenseits

      Die Engel der Liebe weinen.

      Der schwarze Schatten die Erde heimsucht.

      Sie senden kleine Blitze an Höllenbeinen

      und haben Menschen ausgesucht.

      Kampf der Seiten, wie eh und je –

      Der blaue Himmel wird zur ewigen Nacht.

      Die Rosenblätter welken im Schwefelsee.

      Welken, durch der Hölle, Macht.

      Sie fliegen umher, die schwarzen Schatten.

      Besetzen der Menschen Seelen.

      Die wissen nicht mehr, was sie einmal hatten.