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Alles außer Fußball


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wir brauchen einen Verfassungsschutz, der auf beiden Augen sieht. Die Gefahr von rechts hat er verkannt, er hat einseitig die linksradikale Szene beobachtet.

      ZEIT ONLINE: Offenbar hat das rechte Milieu eine gewisse Anziehungskraft. Viele V-Leute tummeln sich in der Szene, manche offenbar sehr gerne, auch in der NPD. Sollte man die Partei verbieten?

      Littmann: Es wäre ein symbolpolitischer Akt, den ich befürworte. Aber es dürfte nur der erste Schritt sein. Außerdem muss so gut wie ausgeschlossen werden, dass das Bundesverfassungsgericht dem Parteiverbot nicht erneut widerspricht. Das würde der NPD nur nutzen, sie legitimieren. Doch die Gefahr, dass Karlsruhe ein Verbot verhindert, scheint aufgrund der Nähe der Partei zu den Terroristen deutlich geringer.

      ZEIT ONLINE: An welche Schritte denken Sie noch?

      Littmann: Jede andere rechtsradikale Aktivität und Gruppierung, etwa Kamerad- und Burschenschaften, muss man im Auge behalten. Zudem sollte die Politik den Fragen auf den Grund gehen, was Rechtsradikale den Leuten anbieten, was die sozialen Ursachen dafür sind, dass junge Menschen in die rechte Szene driften. Zufällig gerät da keiner rein.

      ZEIT ONLINE: Haben Sie persönlich Erfahrung mit Nazis machen müssen?

      Littmann: Ich gehöre zu einer sogenannten Minderheit. Als offen lebender Schwuler bin ich einer von deren Objekten, wie Türken oder Lesben auch. Ich habe schon viele Hassbriefe bekommen oder war als Fußballpräsident rassistisch geprägten Äußerungen von gegnerischen Fans ausgesetzt. Aber zum Glück wurde ich noch nie Opfer von Gewalt.

      ZEIT ONLINE: Wie groß schätzen Sie die Gefahr von rechts im Fußball ein?

      Littmann: Ich kann keine Zahl nennen, aber die Gefahr ist reell. Es hat in den vergangenen Jahren Unterwanderungsversuche gegeben – im Profifußball, aber noch mehr bei den Amateuren. Rechte wollen in Fankurven Fuß fassen. Bei vielen Verantwortlichen spürt man Ohnmacht. Sie sind gegen rechts, wissen aber nicht, was man tun soll. Aber ich beobachte eine begrüßenswerte Tendenz, dagegen vorzugehen, vor allem beim DFB.

      ZEIT ONLINE: Meinen Sie den Fall Dynamo Dresden, der nun vom DFB-Pokal ausgeschlossen wurde?

      Littmann: Ja, Geldstrafen alleine wirken nicht. Geisterspiele und Ausschluss aus Wettbewerben sind geeignetere Maßnahmen, um eine Grenze zu ziehen. Es musste ein Zeichen gesetzt werden.

      ZEIT ONLINE: Der Verein sagt, er tue inzwischen sehr viel. Außerdem sei das relevante Spiel ein Auswärtsspiel gewesen.

      Littmann: Mag sein, aber das ist ein schwaches Argument. Der Verein erhält ja ein Kartenkontingent, kann also kontrollieren, an wen er sie verkauft.

      ZEIT ONLINE: Sie sind für personalisierte Tickets?

      Littmann: Das kann im Einzelfall eine geeignete Maßnahme sein. Aber es gibt keine Patentlösung. Jedenfalls sind die Vereine in der Verantwortung, die dürfen sie nicht auf den DFB abwälzen.

      ZEIT ONLINE: Ein anderer Fall ist Hansa Rostock, der politische Rivale von St. Pauli, Ihrem ehemaligen Verein.

      Littmann: Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn das ganze Rostocker Stadion "Scheiß St. Pauli" schreit, nicht nur ein Block. Da kann einem angst und bange werden. Die jetzige Führung von Hansa versucht aber alles, von ihrer Vorgängerin hörte man nur Lippenbekenntnisse. Auch Dynamos Verzicht auf die Auswärtstickets für das Spiel am Millerntor war ein löbliches Signal.

      ZEIT ONLINE: Aber Rechtsradikalismus ist nicht nur ein Ost-Phänomen.

      Littmann: Nein, aber dort scheint es mir offensichtlicher. In den alten Ländern geschieht das oft verdeckter, dort fließen die Grenzen von gewalttätigen Fans zum Rechtsradikalismus. Ich bin stolz darauf, dass der FC St. Pauli seit Jahrzehnten einen energischen Kampf gegen Rechts führt. Bei uns haben Nazis keine Chance.

      ZEIT ONLINE: Noch mal weg vom Fußball. Tut der Rest der Gesellschaft genug?

      Littmann: Viele Menschen an der Basis arbeiten sehr sensibel mit dem Thema, ich denke etwa an Lehrer. Die politischen Führungen der vorigen fünfundzwanzig Jahren zeichnen sich jedoch durch unterschiedliche Qualität und unterschiedliches Engagement aus. Herzog, Rau, Weizsäcker gingen sehr angemessen mit dem Problem um. Kohl verniedlichte es immer.

      ZEIT ONLINE: Wie groß ist die Gefahr für die Zukunft unseres Landes?

      Littmann: Mit dumpfen Nazi-Parolen erreicht man nur eine Minderheit. Wenn der rechte Populist aber in modernem Gewande auftritt, wie etwa in Frankreich oder Italien, hat er große Aussicht auf Erfolg. Ich habe es in Hamburg vor meiner Tür erlebt. Ronald Schill hat mit seinen Law-and-Order-Parolen fast zwanzig Prozent der Wähler erreicht.

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       [Inhaltsverzeichnis]

      Katja Kraus

      "Bislang habe ich zu Guttenberg nicht vermisst"

      Henry Maske, Take That, Michael Schumacher und nun zu Guttenberg: Im Alles-Außer-Fußball-Interview über Comebacks sagt Katja Kraus, wo sie zuletzt abgeschrieben hat.

       VON STEFFEN DOBBERT

      ZEIT ONLINE: Frau Kraus, was war Ihr größter Fehler?

      Katja Kraus: Na Sie steigen ja freundlich ins Gespräch ein. Ich habe eine Menge Fehler gemacht und jeden Tag kommen welche hinzu, fürchte ich. Aber ich habe keine Top-Ten-Rangliste dafür.

      ZEIT ONLINE: Wann haben Sie zuletzt abgeschrieben?

      Kraus: In der Schule bei meinem Sitznachbarn. Danach höchstens Rezepte aus einem Kochbuch.

      ZEIT ONLINE: Freuen Sie sich, wenn Karl Theodor zu Guttenberg ein Comeback gelingt?

      Kraus: So weit ist es ja noch nicht. Zunächst ist er erst mal wieder auf die medialen Bühne zurückgekehrt. Ob er ein politisches Comeback anstrebt, hat er ja offen gelassen. Aber die Art und Weise seiner Positionierung verfolge ich mit Interesse.

      ZEIT ONLINE: Was beeindruckt Sie?

      Kraus:Diese Inszenierung hat viele interessante Aspekte. Zunächst natürlich die Art und Weise der Rückkehr, die inhaltliche Position, die konsequente Einhaltung der Verteidigungslinie. Spannend sind auch die Reaktionen der verschiedenen Medien. Ich bin sehr gespannt, auf die weitere Entwicklung.

      ZEIT ONLINE: Unter welchen Umständen kann man eine Entschuldigung annehmen?

      Kraus: Für mich ist entscheidend, ob in einer Entschuldigung eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und dessen Wirkkraft sichtbar wird. Allzu oft ist eine Entschuldigungen nur eine Höflichkeitsfloskel.

      ZEIT ONLINE: Hätte zu Guttenberg ein Comeback verdient?

      Kraus:Womit kann man sich ein Comeback verdienen? Es gibt Menschen, über deren Rückkehr ich mich freue, weil ich sie vermisst habe oder weil sie einer Sache etwas zu geben haben.

      ZEIT ONLINE: Was ist Ihr größter zunächst verheimlichter Fehler?

      Kraus: Es gab es bestimmt einige, die mir so unangenehm waren, dass ich für einen Moment hoffte, sie könnten unentdeckt bleiben. Das gelingt allerdings in der Regel nicht.

      ZEIT ONLINE: Sind Sie ein Mensch, dem es schwer fällt, Fehler zuzugeben?

      Kraus: