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Alles außer Fußball


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nicht gegenseitige Schuldzuweisung. Für die öffentliche Sicherheit ist letztlich aber immer noch die Polizei zuständig.

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      Katja Kraus

      "Fußball ist ein Testosterongeschäft"

      Katja Kraus arbeitete im Machtzentrum des HSV. Im Alles-außer-Fußball-Interview spricht sie über Machtstrategien und Konkurrenzverhalten im Fußball-Geschäft.

       VON OLIVER FRITSCH

      ZEIT ONLINE: Frau Kraus, Sie waren acht Jahre lang im Vorstand des HSV, seit einem halben Jahr nicht mehr. Was hat das mit Ihnen gemacht?

      Katja Kraus: Es gab unterschiedliche Phasen. Die Auseinandersetzung mit meiner Aufgabe und dem vorhandenen Gestaltungsspielraum hatte mich schon seit längerer Zeit umtrieben. Als der Abschied konkret wurde, war der Prozess dennoch schmerzlich. Inzwischen genieße ich die Freiheit und die Abwesenheit von Druck sehr. Diese Situation gibt mir Gelegenheit, innezuhalten und noch mal ganz genau hinzuschauen, was mir gerade entspricht. Dazu ließ die Dynamik des Alltags wenig Raum, noch dazu in einem so rasanten Umfeld wie der Fußballbranche. Es ist sicher eine Kunst, zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören. Das Dilemma ist: Am richtigen Zeitpunkt gibt es oft keinen Grund dazu.

      ZEIT ONLINE: Was hat sich konkret verändert, lachen jetzt weniger Leute über Ihre Witze?

      Kraus: Jetzt wird mir gerade bewusst, dass schon lange niemand mehr gelacht hat. Menschen reagieren auf Positionen und Status. Insbesondere als Repräsentant eines solchen Gutes wie Fußball, das beinahe jeden interessiert, öffnen sich alle Türen. Ich habe das immer als Reaktion auf die Funktion verstanden und mich nicht persönlich gemeint gefühlt. Umgekehrt habe ich versucht, in der Begegnung mit Menschen beides nicht voneinander zu trennen. Vielleicht hat sich auch deshalb nicht wirklich etwas verändert.

      ZEIT ONLINE: Prüfen Sie manchmal, ob das Telefon kaputt ist, weil es nicht ununterbrochen klingelt?

      Kraus: Das ging tatsächlich leichter als ich dachte. Ständig erreichbar zu sein, war eine Anforderung meiner Aufgabe, vielleicht auch einfach mein Anspruch. Ich lasse jetzt das Telefon ganze Tage lang zu Hause.

      ZEIT ONLINE: Kommunikation ist ein Mittel, Macht abzusichern.

      Kraus: Es ist eines der Mittel. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass sich Macht auf Dauer nicht konstruieren lässt. Es gibt viele Instrumente, Macht zu gewinnen. Sie künstlich zu erhalten, ist sehr schwer – insbesondere in sehr öffentlichen Umfeldern und durch die stetig zunehmenden Kommunikationsplattformen.

      ZEIT ONLINE: Gibt es eine weibliche Form der Machtausübung?

      Kraus: Klar gibt es Unterschiede, zum Beispiel im Führungsstil oder im Kommunikationsverhalten. Auch im Umgang mit Entscheidungskompetenz. Interessant ist, dass es oft eine Zuschreibung für Frauen in exponierten Positionen gibt, die extremen Ehrgeiz und eine kampfgestählte Toughheit unterstellt. Das ist nicht immer sympathisch und wird bei Männern viel selbstverständlicher betrachtet.

      ZEIT ONLINE: Warum sind Frauen im Fußball die Ausnahme?

      Kraus: Fußball ist nach wie vor ein Testosterongeschäft und auch ein weitestgehend geschlossener, sorgsam behüteter Kreis. Ich habe allerdings das Gefühl, das bricht zunehmend auf, in dem auch in der Branche Männer an Bedeutung gewinnen, die einen kommunikativeren Stil pflegen.

      ZEIT ONLINE: Wie ist das in einer Profimannschaft?

      Kraus: Es ist die Herausforderung des Profifußballs, eine Mannschaft in einem eingeschwungenen Zustand zu halten. Durch all die internen und externen Einflussfaktoren ist das Gebilde ständigen Erschütterungen ausgesetzt, die es auszugleichen gilt. Fußballprofis sind in erster Linie Kollegen, die das gleiche Ziel verfolgen. Aber darüber hinaus sind sie eben auch Kontrahenten. Um die beste Bewertung, den nächsten Vertrag, den Platz in der Nationalmannschaft.

      ZEIT ONLINE: Ist der Einfluss der Spieler in den vergangenen zehn Jahren gewachsen?

      Kraus: Einerseits kennt ein Profi seine Bedeutung für den sportlichen Erfolg des Vereins und ist sich der Instrumente zur Durchsetzung seiner Interessen bewusst, etwa den Umgang mit Medien.

      ZEIT ONLINE: Andererseits?

      Kraus: Andererseits ist der Druck enorm gestiegen. Durch das stetig wachsende öffentliche Interesse und der medialen Ausdrucksformen ist ein Profi dem permanenten Nacktscannen ausgesetzt. Und dementsprechend gnadenlos ist auch die Beurteilung.

      ZEIT ONLINE: Wenigstens sind Profis gut bezahlt.

      Kraus: Die Höhe des Kontos ist sicher in vielen Lebenssituationen tröstlich, aber sie hilft ganz sicher nicht beim Umgang mit Drucksituationen auf dem Platz.

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      Katja Kraus

      "Die unscheinbare Nummer Zehn"

      Mit 17 zog Katja Kraus zu Hause aus, der Fußball wurde ihre Familie. Als HSV-Vorstand bewies sie Spielmacherqualität, das Profigeschäft jedoch befremdet sie.

       VON OLIVER FRITSCH

      Wenn Katja Kraus über das Business Profifußball redet, spürt man eine große Distanz. Das war schon zu ihrer Zeit als zweite Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV so. Als wäre sie eine Außenstehende, sprach sie damals zwar nicht abwertend, aber in einem Ton der Fremdheit über die Gepflogenheiten in der Bundesliga, den eigenen Verein nicht ausgenommen. Dabei liebt sie den Fußball.

      Mit siebzehn ist sie Zuhause ausgezogen, der Fußball war für sie seitdem ein Stück Familie. Als Torfrau des FSV Frankfurt wurde sie Meister und Nationalspielerin. Mindestens genauso wichtig wie diese Titel und die Länderspielstatistik war Katja Kraus die Gemeinschaft, die eine Mannschaft im besten Fall entstehen lässt. Das Gefühl, unter Gleichgesinnten zu sein, die ein Abenteuer bestehen. Lagerfeuer-Gefühl nennt sie das.

      Die HSV-Profis hingegen ließen nicht nur ein Mal einen Grillabend ausfallen. "Spieler sind nicht nur Mannschaftskameraden", sagt Katja Kraus, "sie sind auch Konkurrenten". Konkurrenten um einen Stammplatz, den nächsten Vertrag, die Kapitänsbinde, die Gunst der Fans, den Platz in der Nationalelf. Sie denken an sich zuerst, handeln und reden auf Kosten der anderen.

      Als der Verein vor anderthalb Jahren den holländischen Altstar Ruud van Nistelrooy verpflichtete und Fans und Journalisten aus dem Häuschen waren, fühlten sich Mitspieler des Sonnenlichts beraubt. Deswegen sah sich der Vorstand zu der Bitte an van Nistelrooy gezwungen, keine Interviews zu geben. Nicht die einzige ernüchternde Erfahrung für Katja Kraus. Mit ihrem Ideal hatte der divenhafte HSV wenig zu tun, der dem Boulevard ständig Stoff liefert, sich von ihm treiben lässt, bei dem so viele mitreden.

      Seit März ist Katja Kraus nicht mehr beim HSV tätig. Nachdem ihr Vertrag nicht mehr verlängert wurde, schied sie aus dem Amt aus – gemeinsam mit Bernd Hoffmann, dem viel kritisierten Vorsitzenden. Dieser Rauswurf tat ihr weh, Anwälte wurden eingeschaltet. "In diesem emotionalen Geschäft haben Führungskräfte einen kürzeren Zyklus", sagt sie. "Ich durchlebte in meiner letzten Saison einen längeren Prozess der Abschiede."

      Der Stadt Hamburg ist die gebürtige Offenbacherin treu geblieben. Ihre Umgebung erschließt