Natasha Young

Gehorche mir!


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Welche Wonnen sie ihr gestern Abend im Bett gebracht hatten, verriet sie ihrer Freundin natürlich nicht.

      Das feine Leder hatte sie zu gefährlichen Fantasien geführt. Sie hatte geträumt, wie Mr Newman sie im abgeschlossenen Geschäft in das Lager geführt und ihr all die Schuhe gezeigt hatte, die dort aufbewahrt wurden. Es roch intensiv nach frischem Leder, und der Duft wirkte auf Erica wie das stärkste Aphrodisiakum der Welt.

      Sie hatten gemeinsam die feinen Materialien bewundert, mit den Händen über Stiefelschäfte und kühle Absätze gestreichelt, und dann hatte er sie gegen eine Wand von Schuhkartons gedrückt und war mit heruntergezogener Hose in sie eingedrungen, einfach so, ohne Vorspiel, ohne Vorwarnung.

      Erica war bei dieser Fantasie sehr schnell gekommen und hatte sogar geschwitzt. Sie hatte in ihrer Lieblingsposition auf dem Bauch gelegen und ihr Becken so fest gegen die Finger gedrückt, dass sie die Federn in der Matratze an ihrem Schambein gespürt hatte.

      »Ja, sie sind schon toll, aber ich mache mir langsam etwas Sorgen um dich ... Das ist doch, ganz ehrlich, nicht normal, was du da machst. So viele Schuhe kann man doch im ganzen Leben nicht tragen!«

      Alice war im Gegensatz zu ihr selbst die große Karriere verwehrt geblieben, und so trieb sie sich noch immer als Marketingassistentin in dem Chemiekonzern herum, während Erica längst die höchsten Stufen der Leiter erklommen hatte und das wichtige Produktmanagement leitete. Natürlich konnte Alice sich so teure Schuhe gar nicht leisten, zumal ihr Mann ein ziemlich brotloser Künstler war und von ihrem Geld lebte.

      Da kam ihr eine Idee, die ihr Herz zum Klopfen brachte. »Alice, ich schenke dir ein Paar Schuhe!«, sagte sie und sah ihre Freundin strahlend an.

      Die rümpfte die Nase. »Nein, danke«, sagte Alice. »Getragene Schuhe möchte ich nicht.«

      »Doch keine gebrauchten Schuhe von mir«, erwiderte Erica und verdrehte die Augen. »Ich lade dich nach der Arbeit zu Dave’s ShoeHouse ein, und wir suchen dir ein Paar todschicke Stiefel für den Herbst aus. Bitte, bitte, ich möchte dir so gern den Gefallen tun, und ich weiß, dass du die Schuhe ebenso lieben wirst wie ich, wenn du sie erst mal an den Füßen hattest.«

      Alice war noch nicht überzeugt. »Süße, ich weiß, wie teuer die Schuhe da sind. Ich drücke mir dauernd die Nase am Schaufenster platt und überlege, ob ich mir ein Paar davon gönne oder diesen Monat lieber was Vernünftiges zu essen kaufe.«

      Erica lachte. »Mach dir keinen Kopf. Ich schenke dir gern etwas, du kannst es ja als vorgezogenes Geburtstagsgeschenk ansehen!«

      Alice schüttelte den Kopf. »Mein Geburtstag ist im Februar«, sagte sie zweifelnd, als machte sie sich Sorgen über Ericas geistige Verfassung. Aber die war überzeugt von ihrer Idee und ließ nicht locker.

      Der restliche Tag im Büro war zäh und schien seltsamerweise länger zu dauern als sonst. Erica ertappte sich dabei, dass sie schon nervös vor Vorfreude auf ihrem Stuhl herumrutschte. Was war nur mit ihr los? Neuerdings hatte der Spaß an den Schuhen eine seltsam erotische Komponente bekommen, die ihr noch etwas fremd war. Allerdings gefiel sie ihr auch ausnehmend gut.

      Endlich konnte sie das Büro verlassen und holte Alice einige Etagen tiefer aus ihrem Großraumbüro ab.

      »Mann, warum musst du immer so lange arbeiten«, maulte sie. »Ich wäre schon vor zwei Stunden nach Hause gegangen.« Es war halb acht, Ericas normale Zeit für den Büroschluss, und sie lachte.

      »Deshalb kaufe ich ja auch dir die Schuhe und nicht du mir«, feixte sie, was Alice mit rausgestreckter Zunge beantwortete.

      »Dass du in den Dingern so schnell gehen kannst«, keuchte sie auf der Straße hinter Erica her, die trotz der hohen Absätze rasch in die bekannte Richtung lief.

      »Das ist reine Übungssache«, meinte sie. »Je öfter man so hohe Absätze trägt, desto eleganter läuft man.« Alice starrte nach unten auf ihre flachen Ballerinas und grinste.

      »Na, da muss ich wohl meinem Mann eine Freude machen und mit den neuen Dingern ein paar Stunden vor ihm auf- und abflanieren«, meinte sie.

      Vor Dave’s ShoeHouse blieben sie stehen und betrachteten gemeinsam das Schaufenster. Erica entdeckte wieder ein paar neue Modelle und wunderte sich.

      Sie war ja schon lange Kundin hier, aber so ein rascher, täglicher Wechsel in der Auslage war ihr neu. Hoffentlich blieb das nicht dabei, sonst würde sie hier arm werden und sich für ein paar Schuhe in den sicheren Ruin stürzen.

      »Guten Abend, Mrs Walker!« Die junge Verkäuferin war nicht zu sehen, dafür strahlte Mr Newman hinter dem langen Glastresen, auf dem die Kasse stand, bis an beide Ohren. Fast sah es so aus, als hätte er sie erwartet, dachte Erica, schüttelte aber innerlich den Kopf. Als er Alice hinter ihr entdeckte, verzog sich sein Mund unmerklich, ohne dass er das unverbindliche Verkäuferlächeln verlor.

      »Oh, Sie haben jemanden mitgebracht?«

      Erica nickte und schob Alice vor sich. »Das ist meine Freundin Alice«, sagte sie. »Sie möchte sich auch ein Paar Stiefeletten aussuchen, weil ihr meine so gut gefallen haben.«

      Mr Newman zog die Nase kraus, riss sich aber sofort wieder zusammen und kam hinter der Glastheke vor. »Setzen Sie sich«, sagte er zu Alice und deutete mit der Hand auf den Plüschstuhl. »Ich werde ein paar Modelle für Sie auswählen.«

      Er warf einen missbilligenden Blick auf die ausgetretenen und nicht gerade gepflegten Ballerinas, deren Sohle sich an einer Stelle schon löste, und ging kopfschüttelnd nach hinten.

      »Jetzt weiß ich, warum du immer hierher gehst«, zischte Alice. »Der Typ sieht ja total verschärft aus!«

      Erica schüttelte irritiert den Kopf und sah ihm nach, als er hinter zwei Regalen verschwand und sich dort bückte. Er war ganz attraktiv, aber dass sogar Alice ihn »verschärft« nannte, hätte sie jetzt nicht gerade erwartet. War ihr da etwas entgangen?

      »Hast du etwa nicht gesehen, was für eine Topfigur der hat?«, flüsterte Alice. »Der Hintern! Und diese schmalen Hüften bei dem breiten Brustkorb ...«

      »So, da haben wir eine kleine Auswahl für Sie«, sagte Mr Newman und ließ ein paar Stiefeletten mit kleinem Absatz achtlos auf den Boden fallen. Erica beobachtete ihn stirnrunzelnd und fragte sich, welche Laus ihm heute über die Leber gelaufen war, dass er sich so merkwürdig benahm. Er blieb neben dem Stuhl stehen und wartete, bis Alice sich bückte und ihre Ballerinas auszog. Dann reichte er ihr einen Halbstiefel und richtete sich wieder auf.

      Alice quetschte ihren Fuß in das Leder und wackelte mit den Zehen. »Zu eng«, sagte sie und zog den Stiefel wieder aus.

      Wortlos reichte Mr Newman ihr einen zweiten Stiefel, in den sie hineinschlüpfte. Erica starrte den Verkäufer mit offenem Mund an. Sie konnte nicht fassen, wie verwandelt er plötzlich war. Was hatte er nur?

      Alice gefielen die Stiefel nicht, also probierte sie noch vier weitere Paare, bis das letzte Paar ihr Interesse fand. »Die sind gut«, rief sie und ging vor dem Spiegel damit auf und ab.

      Mr Newman verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen, und wandte sich hüstelnd ab.

      Erica runzelte die Stirn und wusste nicht, was sie sagen sollte. Offenbar hatte sie sich in ihm getäuscht, vielleicht wollte er sie doch nur anbaggern und hatte ihre Vorliebe für Schuhe dazu genutzt?

      »Ich nehme die hier«, sagte Alice und zog die Stiefel wieder aus. Mr Newman nahm sie mit spitzen Fingern entgegen und trug sie ohne ein weiteres Wort zur Kasse. »Ganz schön arrogant, der Typ«, flüsterte Alice ihrer Freundin zu und tippte sich an die Stirn. »Aber wenn der glaubt, dass er mir ein Paar Stiefel für vierhundert Dollar andrehen kann ...«

      Erica zog ihre Kreditkarte aus der Tasche, aber Alice drückte ihre Hand zurück in die Handtasche. »Nix da! Du hast doch nicht wirklich geglaubt, ich würde dich bezahlen lassen?«, sagte sie, und Mr Newman beobachtete die beiden aus den Augenwinkeln, während er den Betrag in die Kasse tippte und den Karton mit den Stiefeln in einer Tüte verstaute.

      Erica zischte. »Das