Claus Beese

Bin ich Segler, oder was?


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an.

      »Nicht mal das weiß er!«, meinte mein Freund von der segelnden Fakultät anklagend. »Natürlich dem Hafenmeister beim Anlegemanöver das Stromkabel für den Kühlschrank zuwerfen, damit das Bier nicht warm wird! Das macht ihr Motorbootskipper doch noch, ehe das Boot festgemacht ist.«

      »Kunststück! Wir haben ja auch unter unseren Booten nicht so einen tiefen kühlen Keller wie ihr!«, konterte ich. »Dafür müssen wir euch Segler immer per Schallsignal wecken, weil ihr bei eurer angeblich lautlosen Rumdattelei auf den Wassern dieser Erde ständig einpennt und nicht auf den Kurs achtet!«

      »Einpennt? Du hast wohl ’nen Schluck aus dem Kompass genommen, wie? Wir sind ständig hellwach bei unserem Sport, immer auf dem Kiewief. Das müssen wir schon, weil Ihr Mobos ja keine Ahnung von den Vorfahrtregeln habt und ständig auf Kollisionskurs seid!«

      »Sport! Doris, hast du das gehört? Sport hat er gesagt. Mein Freund, wenn Segeln Sport ist, dann ist Briefmarken sammeln das auch!«, gab ich entrüstet zurück.

      »Ist es nicht eine Freude zu sehen, wie gut sich unsere Männer doch verstehen können, obwohl es das eigentlich gar nicht geben darf?«, unterbrach Barbara, Bestfrau und Ehegespons unseres wackeren Segel-Skippers unseren Redeschwall. Gerade hatte sie das Kaffeegeschirr zurück in die Küche getragen, setzte sich wieder gemütlich hin und schaute uns an.

      »????«

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       Vielstimmiges überraschtes Schweigen und deutlich ratlose Gesichter zeugten davon, dass es mit dem gegenseitigen Verständnis doch nicht so weit her war.

      »Na, wenn man den landläufigen Vorurteilen glauben darf, dann müsste das Verhältnis zwischen Seglern und Motorbootlern so ähnlich sein wie das zwischen Hund und Katze!«

      »Ach was! Das gibt’s doch gar nicht!«, meinte Wolfgang entrüstet.

      »Alles böse Polemik! Glaub keinem, der so etwas Abwegiges behauptet!«, gab ich ihm recht, lehnte mich entspannt zurück und lauschte dem Wind, der im Schornstein leise heulte und die Flammen in dem Kamin-Ofen hell aufflackern ließ.

      Nicht, dass Missverständnisse aufkommen! Mein Freund Wolfgang und ich waren in Sachen Wassersport ein Herz und eine Seele. Auch wenn er Segler und ich eben nur Motorbootfahrer war. Es machte uns Spaß, uns gegenseitig ein wenig damit aufzuziehen und den Freund vermeintlich auf die Palme zu bringen. Da wir jedoch wussten, wie es der andere meinte, war eben alles reiner Theaterdonner.

       Wenn auch die Szene von eben darüber hinwegtäuschen konnte, so genossen wir es, bei unseren Freunden im Wintergarten zu sitzen, die Lichter am Weihnachtsbaum herunterbrennen zu sehen und die Seele baumeln zu lassen. Es war, seit wir damals in Laboe den vermeintlichen ›Kanzlerkandidaten‹ und seinen weiblichen Bestmann getroffen hatten, schöner Brauch geworden, den ersten oder zweiten Weihnachtsfeiertag bei ihnen zu verbringen.

      Wolfgang war zum gemütlichen Teil übergegangen und schenkte einen wunderbar rubinroten Wein in die Gläser. Das Holz im Feuer knackte und von dem gemauerten Kaminofen ging eine behagliche Wärme aus. Sie verbreitete sich im ganzen gläsernen Wohnzimmer, während draußen in der beginnenden Dunkelheit des Winterabends die Schneeflocken tanzten.

      »Ich weiß nicht«, überlegte ich laut. »Mir ist das eigentlich auch noch nie aufgefallen. Die Segler, die ich bislang abgeschleppt habe, waren alle ganz nett! Und es waren immerhin schon einige!«

      »Wie?«, fragte unser Gastgeber erstaunt. »Wir waren nicht die einzigen?«

      Ich schüttelte lachend den Kopf.

      »Es ist eigenartig, aber irgendwie haben die Segler zu ihren Motoren ein gestörtes Verhältnis. Immer wenn sie die Unterwasser-Genua brauchen, springt sie nicht an. Und dann hängen sie wieder an irgendeinem Dalben, treiben irgendwo in der Flaute und halten flehend einen Tampen über die Reling.«

      »Und mein Mann sammelt sie alle ein und bringt sie irgendwo an irgendeinen Steg. So ist er eben.«

      Man konnte ein ganz klein wenig Stolz in der Stimme meiner Angetrauten hören und sie streichelte mir sanft über die Wange.

      »Hoffen wir, dass mal jemand da ist, wenn mein Diesel kündigt.«, lächelte ich sarkastisch und war froh, dass sich die Laune meiner Bordfrau wieder gebessert hatte. Noch auf dem Weg zu unseren Freunden war es im Wagen ziemlich frostig zugegangen, und daran waren nicht nur die winterlichen Temperaturen schuld gewesen.

      Mein Freund Wolfgang hatte für Krisen ein feines Gespür und beugte sich ein wenig zu mir rüber.

      »Dicke Luft?«, raunte er mir zu.

      »Och, nicht direkt. Gestern war ja Heiliger Abend und ich war mit unserer Tochter noch unterwegs gewesen. Na ja, und wie das so ist, Claudia und ich haben uns ein wenig verspätet. Deshalb war meine Dodi halt ein wenig verstimmt.«

      »Wieso? Wo treibt ihr euch denn am Heiligabend rum?«, wollte Barbara, Wolfgangs bessere Hälfte, wissen. Ihre weibliche Neugier war geweckt.

      »Ach weißt du, ich habe es mir schon lange zur Angewohnheit gemacht, am Heiligen Abend nochmals zu der Halle zu fahren, in der die Boote der Vereinsfreunde in stiller Winterruhe liegen. Es hat etwas Besonderes, durch die stillen Gänge und Winkel zwischen den Booten zu schlendern, die kalten Leiber der Schiffe durch den Stoff der Handschuhe zu spüren und in Gedanken mit ihnen auf große Fahrt zu gehen. Gestern hatte ich Claudia mitgenommen.

       ›Sag mal, Papa! Feiern Schiffe eigentlich auch Weihnachten?‹, hatte sie gefragt.

      Erstaunt schaute ich herunter auf den kleinen Zwerg an meiner Seite, der, eingemummelt in eine dick gefütterte Winterjacke, neben mir durch den Schnee stapfte.

      ›Weihnachten? Hm! Ja, sicher werden die Boote auch Weihnachten feiern. Allerdings ganz anders, als die Menschen!‹

      ›Und wie machen die das? Die haben doch gar keinen Tannenbaum, und Plätzchen können sie auch nicht backen? Ich glaube nicht, dass das eine schöne Feier ist, Papa!‹

      Lachend schloss ich die Halle auf und wir schlüpften hinein in das stille Halbdunkel, in dem die Schiffe auf ihren Winterwagen ruhten und auf die Ausfahrten der nächsten Saison warteten.

      ›Ach, Töchterlein! Woher willst du denn das wissen? Nur weil es anders ist, wird es nicht schlechter sein als unser Weihnachtsfest.‹

      ›Und wie ist es? Hast du es schon mal erlebt?‹

      Ich hob den Zwerg hoch und stellte ihn auf das Deck unseres kleinen Kajütbootes. Wir krabbelten unter die Persenning und schauten hinaus. Wenn man die Augen schloss, konnte man noch die sanften Bewegungen des auf den Wellen schaukelnden Bootes spüren, obwohl das Boot schon lange auf dem Trockenen lag. Claudia kuschelte sich an mich.

      ›Kommt hier etwa auch der Weihnachtsmann?‹, wollte sie wissen. ›Und was bringt der den Booten?‹

      ›Vielleicht bringt er den Segelschiffen neue Segel, weil die alten im letzten Sturm zerrissen sind? Und die Motorboote kriegen eine neue Schraube oder einen neuen Luftfilter für den Motor? Ich weiß nicht, was Schiffe bekommen, Maus! Aber ich weiß, dass sie ein schönes Weihnachtsfest haben!‹

      ›Und woher weißt du das so genau?‹

      Ihre wachen Augen blitzten mich auffordernd an. Ich wäre doch ein schlechter Vater gewesen, wenn ich ihr jetzt gesagt hätte: ›Kind, wir müssen nach Hause, die Mama wartet!‹

      ›Na gut!‹, seufzte ich. ›Also pass auf! Es war vor langer Zeit, noch lange bevor du geboren wurdest. Da fuhr ich einmal an einem Heiligen Abend nachmittags hierher und setzte mich, genau wie wir beide das jetzt tun, auf unser Boot. Ich ließ meine Gedanken zurückgehen in das vergangene Jahr und dachte noch einmal daran, wo ich überall gewesen war. Es war genau so kalt wie heute und ich hatte mich in eine warme Decke eingewickelt. Sie war ganz weich und warm und weil ich in den letzten Tagen noch viel gearbeitet hatte, wurde ich schrecklich müde. Bevor ich mich versah, war ich eingeschlafen und träumte, wie unsere DODI mich bei herrlichem