Claus Beese

Bin ich Segler, oder was?


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Keine halbe Stunde später lieferte ein Kleinlaster zwei Bautrockner an den Steg. Wolfgang wählte den kleineren und wir schleppten das Ding an Bord. Er passte man so gerade durch das Schott, aber er passte. Strippe zum Stromkasten und der Apparat fing an, die Feuchtigkeit aus dem Schiff zu saugen.

      »Phänomenal!«, staunte ich. »Den Trick muss ich mir merken!«

      »In ein paar Tagen ist die BEERS trocken und ich werde mir den Motor vornehmen. Du wirst sehen, bis zur Herrentour ist alles klar!«

       »Meine Güte, du wirst doch wohl noch irgendwo irgendwas zum Anziehen finden!«, tönte es erbost aus dem Untergeschoss des Hauses nach oben, wo ich ziemlich ratlos vor dem geöffneten Kleiderschrank stand.

      »Schatz, ich sage dir, ich habe reinweg nichts anzuziehen, was der Ausstattung eines Seglers auch nur entfernt nahe kommt«, meinte ich deprimiert und schloss die Schwebetüren unserer Kledagerie.

      »Das gibt es doch gar nicht! Wieso hast du nichts anzuziehen? Außerdem ist dies Argument doch immer mein Part!?«, fragte sie unwirsch und schob mich beiseite. Dann öffnete sie die Schranktür erneut und war beinahe verschwunden.

      »Na bitte«, hörte ich sie undeutlich aus den Tiefen der hölzernen Kleiderkammer brummen. »Pullover, Sweatshirts, Jeans, alles da und frisch gewaschen!«

      »Aber keine Thermo-Unterwäsche, kein wasserdichter Anorak, Thermo-Socken, Rolli, Handschuh, Mütze und was weiß ich, was der Segler von Welt eben so braucht!«

      »Segeln, hä? Wenn ich dich so höre, bist du drauf und dran eine Südpolexpedition zu starten. Mann, wach auf, es ist fast Sommer und du willst Schiff fahren, nicht Ski!«

      »Ja, mein Mäuslein! Ich weiß! Aber wir Segler fangen ja dann erst richtig an, wenn ihr Motorbootfahrer schon im Hafen liegt. Wenn ihr bei 4 Beaufort Schluss macht, holen wir erst die Segel aus der Kiste. Dann geht es da draußen aber anders zu, das sag ich dir.«

      »Ihr Segler, hä? Wir Motorbootfahrer, wie? Du solltest besser auf dein Schienbein aufpassen, Skipper«, gab sie amüsiert zurück.

      »Schienbein? Wieso Schienbein?«

      »Darum«, sagte sie und trat mir voll dagegen. Wie immer verzichtete sie darauf, mit einem Steinbock zu diskutieren. Sie hatte Ihre eigene Art, den Gatten auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

      »Aaaah!«, brüllte ich auf und hüpfte auf einem Bein durch das Schlafzimmer. »Bist du von Sinnen, Weib? Wolfgang erwartet ein völlig intaktes, kerngesundes und durchtrainiertes Besatzungsmitglied, und keinen hinkenden John Silver!«

      »Wenn du den gewaltigen Vogel unter deinem Pony hervorholst und ihn dir auf die Schulter setzt, könnte es bis auf eine Kleinigkeit sogar passen«, stellte sie fest.

      »Welche Kleinigkeit?«

      »John Silver, der Koch aus Stevenson’s Buch ›Die Schatzinsel‹, hatte nicht nur ein Bein, sondern auch nur ein Auge«, trumpfte sie auf und bohrte mir ihren Zeigefinger in die Pupille. Das hatte sie mal in einem uralten Laurel und Hardy Film gesehen und fand es urkomisch. Ich hingegen konnte darüber gar nicht lachen. Mit einer Hand hielt ich mein sicherlich gebrochenes Schienbein, mit der anderen rieb ich mein tränendes Auge.

      »So, du kerngesundes und durchtrainiertes Besatzungsmitglied«, meinte sie dann bestimmt und griff an mir vorbei in den Kleiderschrank. »Da hast du zwei lange Unterhosen, hier zwei Unterhemden mit langem Arm. Da deine Winterpudelmütze und die Hände steckst du einfach in die Hosentasche.«

      »Das ist nicht dein ernst!«, stellte ich kreidebleich und tonlos fest. »Segeln ist ein elitärer Sport, da kannst du mich nicht hinschicken in diesen …, äh …, oh nein, das geht nicht!«

      Mir fehlten für diese Unaussprechlichen die Worte, und ich ließ sie fallen, als wären sie mit der Pest infiziert.

      »Und was die Jacken betrifft, so hast du in der Garage einen ganzen Schrank voll mit Angelparkas. Einer davon wird auch zum Segeln reichen.«

      Na gut, wenigstens guten Willen wollte ich zeigen. Also ging ich in die Garage und öffnete meinen Angelschrank. Oh, fein! Mein Weib hatte aufgeräumt. Alles, was nach Angeln aussah, hatte sie in den Schrank gestopft und einfach die Türen verschlossen. Und als ich jetzt den Schlüssel drehte, öffneten sie sich wie von Geisterhand …!

      Ich schob den ganzen Berg Anglerkrempel, der sich über mich ergoss, mit einigen energischen Armbewegungen beiseite und erhob mich stöhnend. Da hingen tatsächlich acht Jacken im Schrank! Meine Güte! Richtig gute Allwetterparkas, na ja, in feinstem Jäger- bzw. Anglergrün, aber es könnte vielleicht gehen. Hauptsache warm. Ich probierte eine nach der anderen an, und fand schnell heraus, warum sie im Schrank hingen. Fünf von Ihnen waren wohl irgendwie aus meiner Jugendzeit. Hatte ich etwas falsch gemacht? Hatte ich vergessen, mit dem Wachstum aufzuhören? Oder hatte ich die Richtung verwechselt, in die ich weitergewachsen war? Statt in die Länge war es wohl mehr in die Breite gegangen. Zwei der Jacken gaben krachend in ihren Nähten nach, die anderen drei verweigerten mir bereits in den Ärmeln den Zutritt. Die sechste war einer Stacheldrahtattacke zum Opfer gefallen, als meine beiden Jugendfreunde und ich mal versucht hatten, alte Zeiten wieder heraufzubeschwören und bei Nacht und Nebel an die uns eigentlich verbotenen Angelgewässer geschlichen waren. Ich schüttelte traurig den Kopf. Die Jacke war eigentlich nicht mehr zu retten. Ein klarer Fall für die Lumpensammlung. Nummer Sieben passte wie angegossen, war aber so schwer, dass ich Mühe hatte, damit zehn Schritte zu gehen. Nummer Acht roch ein wenig merkwürdig, und bei näherer Untersuchung fand ich in der einen Tasche eine kleine offene Plastikdose mit einer Hand voll vertrockneter Würmer, in der anderen ein grünliches Etwas, das einmal ein Leberwurstbrot gewesen sein mochte. Notdürftig stopfte ich alles zurück in den Spind und drehte den Schlüssel zweimal um. Wenn ich demnächst mal Zeit hatte, würde ich mich darum kümmern. Ich ging zurück ins Haus, um meiner Angebeteten missglückten Vollzug zu melden. Meine beiden Seejungfrauen saßen vor dem Fernseher. Sie schnupperten angewidert in der Luft herum, als ich ins Wohnzimmer kam.

      »Mama! Papa stinkt!«

      »Ah! Ich rieche es, du hast tatsächlich nachgesehen! Und so wie du duftest, hast du zwar das tote Stinktier in deinem Schrank gefunden, aber sicher nichts Brauchbares zum Anziehen.«

      »Stimmt!«, strahlte ich. Ich hatte eine kluge Frau. Woher sie solche Sachen bloß immer wusste?

      »Geh duschen«, näselte sie und hielt sich ihr süßes Näschen mit zwei Fingern zu. »Wir reden nachher weiter!«

       Pladdernass kam ich aus dem Bad gestürzt und rannte in den Keller, wo ich meine ganzen Angel- und Bootszeitschriften hortete. Da mussten doch auch irgendwo ein paar Kataloge von Bootsausrüstern sein. Damit wollte ich ihr mal zeigen, was ein gestandener Segler so brauchte, wollte er Wind und Wellen widerstehen.

      Mein Töchterlein bekam einen Lachkrampf, als ich versuchte, das Badetuch über meinen nicht mehr vorhandenen Hüften zu verknoten.

      »Verdammt!«, knurrte ich gereizt. »Wie machen die Maori das nur, dass die Dinger halten?«

      »Die nehmen größere Tücher, Papa!«

      »Was willst du damit sagen, Tochter? So ein Badetuch wird ja wohl reichen, um den sportgestählten Körper deines Erzeugers zu verhüllen!«

      »Gib Papa mal einen Gürtel, dann kann er sich das Tuch wie Tarzan um die Lenden wickeln«, schlug meine Bestfrau vor. Ich schaute sie an wie das siebte Weltwunder, befolgte dann aber den guten Rat meiner Angetrauten, was jedoch mein eigen Fleisch und Blut zu einem erneuten Lachanfall trieb.

      »Papa in Pampers! Ich halt’s nicht aus«, prustete sie lachend und rannte aus dem Zimmer, weil meine dunkelrote Gesichtsfarbe ihr sagte, dass mein Verständnis für weiblichen Humor nun ausgeschöpft war.

      »Da!«, sagte ich und drückte meiner Bordfrau den Katalog eines Yachtausrüsters in die Hand. Sie blätterte darin herum und nickte einige Male anerkennend.

      »Ich gebe