Jack Timber

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spiegelten sich golden und ein leichter Dunst lag über der Stadt. Normalerweise lag hier alles im Nebel. Es gab nur wenige Tage die solch ein Panorama zuließen. Der Zug beschleunigte und rauschte in den Tunnel, der unter dem Meer Richtung Downtown führte. Ali blickte nun auf seine Zeitung. Mit großen Buchstaben stand auf der Titelseite „Why are we still there?“. Das Bild darunter zeigte etliche Särge, die mit dem Star-Spangled Banner, der amerikanischen Flagge, abgedeckt waren. Gemeint war der Afghanistankrieg. Im Bericht stand, dass täglich sehr viel Geld verloren ginge und es dem US Bürger keinen sichtbaren Nutzen brächte. Im Gegenteil, in den Staaten stiege die Arbeitslosigkeit und an allen Ecken und Enden würden die Gelder fehlen. Krankenversicherung wurde als ein Beispiel genannt. Im Bericht wurden noch weitere Parallelen zum Vietnamkrieg gezogen. Ein Zitat eines Vietnamveteranen kurz vor Beginn des Krieges im Nahen Osten spielte sarkastisch auf die momentane Lage an: Wenigstens kann sich der Feind nicht im Laub verstecken. Wir können alle ausräuchern, die haben ja keine Chance sich zu verstecken.

      Dieser Kommentar ärgerte Ali sehr. Wie dieser Veteran so herablassend über sein Volk redete gefiel ihm gar nicht. Als ob wir keine Menschen wären. Aber immerhin sahen es nun auch einige Journalisten in den USA, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen war. Eine weitere Schlappe für die größte Militärmacht der Welt. Dieser Gedanke befriedigte Ali wieder etwas.

      Er konnte nicht tatenlos zusehen, wenn er von diesen ganzen Wahnsinn und diese Ungerechtigkeit hörte. Er war heilfroh Said kennengelernt zu haben. Mit ihm hatte er die Chance seines Lebens. Egal wie es für ihn auch ausgehen würde, er würde seinen Platz in der Geschichte bekommen. In seiner Heimat würde man die Kinder ehrenvoll nach ihm benennen. Er durfte nur keine Fehler machen, musste Geduld zeigen. Said würde ihn sicherlich nicht enttäuschen. Es konnte losgehen, er war bereit.

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      Für den normalen Mitarbeiter des Anti-Terror-Departments von Homeland Security begann der Arbeitstag um 8 Uhr. Die Kaffeemaschinen auf den Fluren hatten um diese Zeit Hochkonjunktur. Es wurden kleine Späßchen gemacht, die Schiedsrichterentscheidungen des gestrigen Footballspiels diskutiert und Donuts in rauen Mengen verdrückt. Die erste Stunde wurde traditionell von diesen Ereignissen geprägt, so dass die ersten Meetings frühestens um 9 Uhr begannen. Wie jeden Tag lud Peter Haynes zu einem Einsatzbericht ein. Der Meetingraum „Ohio“ war mit der am besten ausgestattete. Riesige LCD-Wände konnten Karten, Fotos und Videokonferenzen aus aller Welt zeigen. Amanda Jackson war bereits anwesend. Sie koordinierte die Einsätze der Feldagenten und war das Verbindungsglied zwischen Abteilung und Agenten. In der Regel ging jede Kommunikation über sie. Mit ihren blauen Augen und dem hüftlangen blonden Haar sah sie aber eher aus wie ein Topmodel. Die notwendigen Körpermaße für diesen Job erfüllte sie leicht. Sie liebte enge knielange Röcke und trug dazu gerne gleichfarbige Blusen, meist kombinierte sie eine champagnerfarbige Strumpfhose dazu. Kein Spaß bei den Temperaturen in Los Angeles, aber es sah verdammt scharf aus. Kein Tag verging, an dem sich nicht mindestens drei Männer nach ihr den Kopf ausrenkten. Doch ihre wahre Liebe galt nicht einem Mann oder dem Vergnügen. Sie koordinierte und organisierte für ihr Leben gerne. Es war daher nicht schwer für sie, diesen Job zu bekommen. Welche bildhübsche und talentierte Frau kam nicht dahin wo sie wollte? Amanda wusste nämlich ihre Reize einzusetzen. Es konnte schon sein, dass ihr bei einer Besprechung der Busen ganz leicht aus dem Dekolleté rutschte. Den darauffolgenden Moment der Bewunderung durch die Männerwelt konnte und wusste sie zu nutzen. Ihr Lieblingsmotto lautete: Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen überallhin. Für den heutigen Tag stand eine Routinebesprechung mit Mike Stevens an. Er sollte von seinem letzten Einsatz berichten.

      Um kurz vor neun betrat Peter Haynes, der leitende Direktor der geheimen Abteilung, den Meetingraum. Mit Entzücken stellte er fest, dass Amanda eine seiner Lieblingsblusen anhatte, mit einem sehr gewagten Ausschnitt, durch den man leicht die Spitzen des schwarzen BHs sehen konnte. Eine Besprechung konnte doch gar nicht besser beginnen. Peter hatte eine Familie zu Hause und so lebte er nach dem Motto, Appetit holen ist in Ordnung, aber gegessen wird zu Hause. Im Grunde war er eine gute Seele, aber halt eben auch ein Mann.

      „Na Amanda, hast du gestern auch das Spiel der 49ers gesehen? War ja ziemlich spannend am Ende.“

      Amanda interessierte sich nicht für Sport, aber ihr Desinteresse wollte sie auch nicht so offen zeigen. Small Talk gehörte auch bei der geheimen Abteilung zum täglichen Brot.

      „Leider nicht. Ich hatte gestern noch etwas zu tun. Ich hätte mir bestimmt in die Lippe gebissen, so spannend muss es gewesen sein. Wobei wir nicht zu sehr die fremden Städte bejubeln sollten, schließlich sind wir in Los Angeles.“

      „Da kann ich Amanda nur Recht geben.“ Mike Stevens betrat den Meetingraum in seinem typischen Innendienstoutfit: Blue Jeans, gehalten von einem schwarzen Gürtel mit einer dicken Schnalle. Das silberne Funkeln der Schnalle hob den Schriftzug „Kansas“ gut hervor. Unterhalb der Schrift war eine Postkutsche mit sechs Pferden im Gespann abgebildet. Oberhalb ein einzelnes Rodeopferd, das einen Reiter abzuwerfen versuchte. Der Cowboy hielt sich mit einer Hand im Sattel, mit der anderen schwang er seinen Hut. Eine perfekte Cowboy-Szene. Mike war zwar kein Vollblutcowboyfan. Nie würde er in voller Montur in Downtown Los Angeles rumlaufen. Aber ab und zu besuchte er gerne ein Rodeo oder ein Country-Music-Konzert in seinem Geburtsstaat.

      „Guten Morgen Mike. Schön, dass du wieder in einem Stück zurückgekommen bist.“ Amandas letzter Satz, verbunden mit einem Grinsen in den Mundwinkeln, ließ Peter insgeheim vor Neid platzen. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was die beiden wohl machen würden, wenn er nicht im Raum wäre.

      „Schön, dass du es pünktlich geschafft hast, Mike.“ Peter setzte sich und legte einen Stapel Papiere vor sich hin.

      „Ich habe deinen Bericht natürlich bereits gelesen. Trotzdem würde ich gerne nochmal eine Zusammenfassung von dir hören.“

      Das ist ja mal wieder typisch, durchfuhr es Mike. Wozu schreibe ich eigentlich diese Mistberichte? Formalitäten gab es in jeder Abteilung, das war auch Mike klar. Daher verbiss er sich seinen Kommentar.

      „Selbstverständlich. Wie Ihr bereits wisst, habe ich die Staaten vor über drei Monaten verlassen. Meine Reise verlief zunächst über einige Drittländer, um meinen Reiseweg so gut wie möglich zu verschleiern. Nach einer Woche bin ich im Grenzgebiet am Hindukusch angekommen. Durch unsere Ermittlungen konnte ich die drei großen unabhängigen Mohnplantagen leicht ausmachen.

      Fangen wir bei der ersten an. Ich bin im Norden über Usbekistan ins Land eingereist. Ein kleiner unbedeutender Grenzposten. Mit ein bisschen Bakschisch kommt man leicht ohne großes Aufsehen nach Afghanistan. In der Stadt Taloqan, etwas östlich von Kunduz, habe ich dann meine Fühler in der Bevölkerung ausgestreckt.“ Mike deutete auf einen kleinen Punkt auf der Landkarte im äußeren Westen von Afghanistan.

      „Besonders hilfreich war der Besitzer meiner Absteige, anders konnte man diesen Platz nicht bezeichnen. Ihn konnte ich überreden mir eine Fahrgelegenheit zur ersten Mohnplantage zu organisieren. Der Bauer war einer seiner Bekannten. Am folgenden Tag wurde ich von einem Pick Up abgeholt. Sie brachten mich direkt zum Bauern, was zirka eine Stunde Fahrtzeit beanspruchte. Wie unsere Aufklärungen im Vorfeld ergeben hatten, handelte es sich um ein mittelgroßes Feld. Von den ca. 4.000 Tonnen reinen Opiums, die jährlich in Afghanistan produziert werden, fallen an dieser Plantage ca. 300 Tonnen an. Das Feld wurde vom Stamm des Bauern bewacht. Der empfing mich recht freundlich. Ich denke, der Kontakt zum Hotelbesitzer war hilfreich. Man muss wissen, dass in dieser Gegend ein ziemlich fieser Dialekt des Paschtu gesprochen wird. Mit meinem Hochpersisch kam ich aber trotzdem ganz gut zurecht, obwohl das so ähnlich ist, als wenn man in Bayern in eine Dorfgemeinde aufgenommen werden will, aber eigentlich nur hochdeutsch spricht. Im Unterschied zu unseren Freunden aus dem alten Europa können aber bei unseren Drogenbauern ein paar Scheine die Wogen glätten.“ Mike zog gerne Vergleiche aus anderen Kulturkreisen, insbesondere aus Deutschland. Seine Vorfahren waren im späten 19. Jahrhundert aus dem Land immigriert, in dem einige Jahrzehnte später zwei Weltkriege entstehen sollten. Trotzdem verspürte er einen leichten Stolz wenn er an die Krauts und seine Wurzeln dachte. Er fand, dass die Deutschen ein fleißiges Volk waren. Arbeiteten tadellos und waren sehr innovativ. Allerdings meckerten und jammerten sie ziemlich viel. Aber das musste wohl so sein.