Norbert Buchner

Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall


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      Nach der erwähnten Trockenphase um 10 000 v.h. trat bald wieder eine Klimaerholung ein – wohl eine Folge von Phasen einer hohen Sonnenaktivität (s.Abb. 6) – und in Nord- und Zentralafrika stiegen die Spiegel der Seen wieder steil an. Das Klima in Nordafrika wurde wieder feuchter. Auch viel weiter südlich, in Südwestafrika, wurde die Kalahari zwischen 9000 und 8000 v.h. zu einer grünen Savanne und die Wüste Namib schrumpfte deutlich zurück.

Abb 13

       Abb. 13 Temperatur der Erde (8000 – 6000 v.h. = 6000 – 4000 v.Chr.) (nach Eiskern GISP2-Grönland)

      Landwirtschaft in der südlichen Sahara

      Im Süden der heutigen Sahara hat sich unter diesen günstigen Umständen eine frühe neolithische Kultur entwickelt, welche Ackerbau betrieb und Keramik verwendete. Sie ist gekennzeichnet durch sehr große kürbisförmige Töpfe bis zu 60 cm Durchmesser, die ganz offensichtlich zum Kochen von Hirsebrei dienten, denn man konnte auch Becken und Reibsteine zum Zermahlen der Hirse sowie Pollen von gepflanzter Hirse finden. Keramik – und vor allem diese großen Formen – kann man als sicheren Hinweis auf Sesshaftigkeit betrachten, da sie kaum über größere Strecken zu transportieren ist. Im Süden der Sahara hatte sich also – ähnlich wie im Vorderen Orient – vor mehr als 8000 Jahren schon eine sesshafte und Ackerbau betreibende Kultur mit eigener Nahrungsbasis und Keramik gebildet. Es fanden sich auch zahlreiche Werkzeuge aus Knochen: Stichel, Ahlen, Glätt- und Schneidwerkzeuge, wie auch viele Schmuckgegenstände, wie Haarnadeln, Ohrgehänge und röhrenförmige Perlen aus unterschiedlichen Materialien. Diese Sahara-sudanesische Kultur hat später wohl auch eigenständig das Rind domestiziert, denn im Tassili-Gebirge fand man auf späteren Felszeichnungen herdenweise Rinder.

      Im Zeitraum zwischen 9000 und 8500 v.h. begann das Niveau der Seen in Äthiopien und im Nordost-Tschad wieder zu sinken. Abb. 11 zeigt, dass die Zeit nach 2 Klimaoptima – entsprechend 2 Spitzen der Sonnenaktivität – ab 8700 v.h. nur noch von mittleren Temperaturen gekennzeichnet ist. Um 8300 v.h., in einem scharfen Einbruch der Temperatur, verschärfte sich die Austrocknung und die Wüste Sahara ergriff wieder Besitz von bisher grünem Land. Zu diesem Einbruch hat ein ganz besonderes Ereignis beigetragen, welches noch geschildert wird. Lit. 9.3

      Riesiger Kälterückfall vor mehr als 8 000 Jahren und vielfacher kultureller Exodus

      Um die Mitte des 9. Jahrtausends v.h. begann eine schicksalhafte Zeit, welche von katastrophalen Veränderungen gezeichnet war. Hierzu haben ganz offensichtlich mehrere Einflüsse beigetragen.

      Die Sonnenaktivität begann rasch zu sinken (Abb. 6) und die Temperatur folgte dieser Vorgabe mit Schwankungen. Die folgende Zeit ist dann von sprunghaften Veränderungen der Sonnenaktivität gezeichnet: auf große Maxima vor 8500 Jahren und vor mehr als 8200 bzw. 8050 Jahren folgten jeweils tiefe Minima. Das löste große Temperatursprünge aus und die Kältephasen mussten auch zu Trockenheit führen!

      Doch damit nicht genug: gleichzeitig häuften sich auch vulkanische Ausbrüche, welche die Welt für einige Jahre in Kälte und Trockenheit stießen: von 8400 bis 8300 v.h. sind 3 große Vulkanausbrüche im Eis von Grönland verzeichnet!

      Eine Schwäche der Sonnenaktivität und wiederholte starke Vulkanausbrüche können den starken Klimaverfall dieser Zeit im Prinzip schon erklären. Es kam aber noch eine weitere Entwicklung hinzu: im nordöstlichen Amerika war die riesige Laurentische Eismasse nach Jahrtausende-langer Erwärmung allmählich instabil geworden und Phasen einer starken Erwärmung setzten ihr weiter zu. Es erstreckte sich ja quer durch halb Kanada über eine Gesamtlänge von fast 5000 Kilometern eine riesige Gletschermasse. Über lange Zeit hinweg hatte sich der Ausfluss von Schmelzwasser unter den Eismassen nach Norden in die Hudsonbay schon mehr und mehr verstärkt und mehrere kleinere Ausschwemmphasen hintereinander waren auch Vorzeichen für eine nahende Katastrophe! C.Ellison u.a. fanden aus Sedimentbohrungen im Atlantik um 8 490 und nochmals um 8330 v.h. Indizien sowohl für eine Abkühlung des Atlantiks wie auch für eine Verminderung seines Salzgehalts. Um diese Zeit sind also schon beträchtliche Mengen von Schmelzwasser und Eis vom Atlantik aufgenommen worden. T.J.Daley u.a. stellten an Hand eines Biomarkers eine deutliche Anomalie im Meer um 8350 v.h. fest, welche 150 Jahre andauerte. Schließlich aber sollte noch die große Katastrophe kommen: plötzlich kollabierte ein riesiger Teil dieser Eismassen und wurde mitgerissen: zwischen 75 000 und 150 000 Kubikkilometer Schmelzwasser und Eis sollen in die Hudsonbay eingespült worden sein! Obgleich dies ziemlich weit im Norden geschah, die Hudson-Bay durch die Hudsonstraße von der Labradorsee getrennt ist und der Golfstrom diese nur tangiert muss dieses Ereignis doch den Golfstrom für einige Jahrhunderte geschwächt und damit weltweit ein kühleres und trockeneres Klima ausgelöst haben. Das große Temperaturtief um 8 200 v.h. (s.Abb. 11) wird auf diesen Zusammenbruch zurückgeführt.

      Die starke Rückkühlung musste auch eine große Trockenheit auslösen. Stalagmiten aus dem Oman signalisieren schon ab etwa 8 500 v.h. eine beginnende Austrocknung. Auch am Van-See in Ostanatolien (Abb. 12) und in Südnorwegen setzte um diese Zeit Trockenheit ein. Sedimente aus dem Holzmaar-See in der Eifel wie auch der Klimafaktor 13C in süddeutschen Eichen bestätigen übereinstimmend auch ein starkes Nachlassen der Fruchtbarkeit der Natur ab 8400/8300 v.h. Der Methangehalt in Gletscherbohrkernen der Arktis und Antarktis (Abb. 8) deutet einen starken weltweiten Verfall der Fruchtbarkeit als Folge von Abkühlung und Trockenheit an.

      In den Jahren angenehmer Wärme hatte die Menschheit günstige Voraussetzungen für Vermehrung und Ausbreitung gefunden und der Ackerbau aus dem Orient war schon nach Westanatolien und auch nach Südosteuropa vorgedrungen. Die fortschreitende und recht tiefe Abkühlung um mehrere Grad Celsius und die damit einhergehende Austrocknung müssen nun die Menschen an vielen Stellen in große Nöte versetzt haben! Wie die folgenden Schilderungen zeigen sind unter diesen extrem widrigen Verhältnissen viele bedeutende Siedlungen wieder in Not geraten oder sogar ausgestorben. Lit. 10

      - Neolothischer Niedergang in Anatolien

      Im Kerngebiet der neolithischen Entwicklung in Ostanatolien begann nun ein regelrechter „neolithischer Niedergang“. Ehemals prächtige Siedlungen wurden aufgegeben oder ihre Größe schrumpfte. Eben in dieser Zeit des Niedergangs treten nun domestizierte Tiere – Schafe, Ziegen und schließlich Rinder – in den Siedlungen neu auf – ein Zeichen dafür, dass die austrocknende Natur den Menschen nicht mehr genügend Wild bieten konnte. So wie in Zeiten einer extremen Abkühlung und Austrocknung die Menschen am mittleren Euphrat gezwungen waren, Getreide selbst zu ziehen, weil die vertrocknende Natur nicht mehr genügend pflanzliche Nahrung bieten konnte, und in Hallan Cemi in einer Notsituation die Haltung von Schweinen begonnen hatte, so ging auch jetzt vom Schrumpfen der Wildbestände infolge Trockenheit und Unfruchtbarkeit ein Zwang zur Haltung geeigneter Herdentiere als Haustiere aus. Das Entstehen von Ackerbau und Viehzucht, als Merkmal einer erhabenen „Neolithischen Revolution“ gepriesen, entpuppt sich so wieder als Notmaßnahme der Menschen zum Überleben. Not macht ja erfinderisch! Wer hätte schon gerne die Erde mühsam mit dem Grabstock ungewühlt, solange man noch genügend wilde Samenkörner in der freien Flur sammeln konnte? Und wer wollte sich um Unterkunft, Pflege und Ernährung von Tieren kümmern, wenn die Natur sie zusammen mit dem Nervenkitzel der Jagd ausreichend anbietet?

      Im Kälteeinbruch um 8 300/8 200 v.h. erloschen einige bedeutende Siedlungen. In Ostanatolien waren dies z.B. Akarcay und Mezra-Teleilat und im südlichen Zentralanatolien kurz darauf die bedeutende neolithische Siedlung Catal Höyük. Ihr Schicksal wird wegen ihrer großen Bedeutung gesondert dargestellt. Aber auch im Westen Anatoliens ging mit Bademagci schon eine frühe Siedlung ein.

       - Catal Höyük in Zentral-Anatolien: Exodus im Klimatief

      Auf der Konya-Ebene in Anatolien war nach 9 400 v.h. eine neue Siedlung gegründet worden, die später sogar die Größe einer Stadt erreichen sollte, Catal Höyük. Es war die Zeit der klimatischen Erholung nach dem Klimaeinbruch, der in Cayönü zur Revolte und zur Ausbildung einer egalitären Gesellschaft geführt haben dürfte.