Norbert Buchner

Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall


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sodass von ihr kein kühlender Rückschlag mehr ausging. Was aber trieb die Temperatur nun schlagartig nach oben? Es war die Sonnenaktivität! Sie stieg ganz plötzlich auf Werte an, wie sie in den letzten zehntausend Jahren nie wieder erreicht wurden (Abb. 6)! Sogar die ungewöhnlich hohe Sonnenaktivität des 20.Jahrhunderts n.Chr. wurde noch um 50 % übertroffen! Wer Zweifel an der hohen klimatischen Wirksamkeit der Sonnenaktivität hat, der sehe sich den Zusammenhang zwischen dem plötzlichen starken Anstieg der Sonnenaktivität und der schlagartigen Beendigung des Eiszeitrückfalls der Jüngeren Dryas an!

Abb 6

       Abb. 6 Sonnenaktivität in den letzten 11 300 Jahren (nach Solanki u.a., Max Planck-Inst. Katlenburg-Lindau)

      Die plötzliche Hitze löste eine gewaltige Eisschmelze aus und ihre Folge war eine plötzliche weltweite Flut. Wir kennen Berichte zu einer solchen Flut im Persischen Golf aus einem mesopotamischen Bericht auf Tontäfelchen, der Flut des Athrahasis. In ihm sind – ebenso wie im besser bekannten Gilgamesch-Epos – Schilderungen des jüngeren biblischen Flutberichts schon vorweggenommen.

      Der Indische Ozean brach mit Vehemenz in den flachen Persischen Golf durch den Golf von Hormuz ein und der Meeresspiegel hob sich in einem einzigen Jahrhundert um 40 Meter an, sodass er am Ende nur noch knapp 30 Meter unter dem heutigen Niveau stand (s. Abb. 7). Das musste zur Überflutung riesiger Landflächen führen: der Boden des Persischen Golfs weist entlang des Ur-Schatts ja nur ein Gefälle von 11 Metern auf hundert Kilometer auf, weswegen das Meer nun fast 400 Kilometer weit eindringen konnte. Vielen Menschen in der fruchtbaren Golfebene wurden das Leben oder zumindest die Heimat und Lebensgrundlage geraubt!

Abb 7

       Abb. 7

      Vier Fluten im Persischen Golf bei Beendigung der letzten Eiszeit

      Das Athrahasis-Epos setzt schon die Kenntnis von Ackerbau voraus: die niedrigen Götter mussten über lange Zeit an Deichen und Gräben schuften, um alle Götter mit Nahrung zu versorgen. Sie wurden aber der Plackerei überdrüssig, erhoben sich gegen die herrschenden Götter, verbrannten ihr Werkzeug und griffen zu den Waffen. Das löste eine große Bestürzung im Reiche der Götter aus! In dieser Zwangssituation beschlossen die herrschenden Götter eine Entlastung der niedrigen Götter durch die Schaffung von Ersatzleuten, von Menschen, welche fortan diese Arbeiten zu verrichten und für die Versorgung der Götter mit Nahrung Sorge zu tragen hatten. Aus einer kleinen Anfangsgruppe – sieben Männer und sieben Frauen, welche die Götter aus Lehm formten – wuchs aber dann im Laufe der Zeit eine große Bevölkerung heran – und das brachte nun wieder neue Probleme! Der oberste Gott Ellil beklagte, dass die Menschen zu laut geworden seien, sodass er seine Ruhe verlor! Daher sandten die Götter eine Seuche, um die Menschen zu dezimieren. Diese wohnten ja nun dicht zusammen in bäuerlichen Siedlungen und dies begünstigte die Ausbreitung von Seuchen. Sie ging aber vorüber und die Menschen vermehrten sich erneut, sodass sich die göttlichen Klagen wiederholten. Diesmal schickten die Götter ganz bedrohliche Dürre- und Hungerperioden. In einem uralten persischen Mythos werden sie wie folgt beschrieben: „Das dunkle Weideland war gebleicht, die Weiten des Landes mit Alkali gefüllt … Ihre Gesichter waren mit Schorf bedeckt … Die Gebärmutter war zu eng, um gebären zu können … Sie aßen die Tochter als Mahl, sie nahmen den Sohn als Speise …“. Das sind Hinweise auf extreme Hungersnöte, die zu Unfruchtbarkeit der Frauen und sogar zu Kannibalismus in der eigenen Familie geführt haben!

      Als es dann nach 11 500 v.h. plötzlich heiß wurde, waren die Menschen nach all dem Leid zu schwach – wie der Mythos berichtet -, um die Arbeiten zur Ernährung der Götter noch verrichten zu können. Daher beschloss Gott Ellil, die unnütz gewordenen Geschöpfe durch eine große Flut zu vertilgen.

      Aber nicht alle Menschen sind in dieser Flut umgekommen: Gott Enki, der Weise, der befürchtete, dass die Götter ohne die Menschen wieder zu eigener schwerer Arbeit an Deichen und Gräben gezwungen seien, hatte einen Menschen, Atrahasis, vor der künftigen Flut gewarnt: er solle ein großes Schiff bauen, um ihr zu entgehen! Lit. 71

      Bau von Steinzeittempeln auf dem Göbekli Tepe

      Nach dem Temperatursprung aus der Jüngeren Dryas wurde es entsprechend Abb. 4 mit Schwankungen weiterhin rasch wärmer. Die Sonneneinstrahlung auf die Erde näherte sich aus astronomischen Gründen allmählich ihrem Maximum, welches um 9000 v.h. lag (Abb. 5). Die Fruchtbarkeit der Natur nahm immer mehr zu: Gasbläschen in Eisbohrkernen auf Grönland und in der Antarktis zeigen eine sprunghafte Zunahme des Vegetationsproduktes Methan (s.Abb. 8) auf Werte, wie sie erst wieder in unserer Neuzeit erreicht wurden. In einem Eifelmaar stiegen die organischen Einträge gleichzeitig stark an. Der Tisch für Mensch und Tier war reich gedeckt! Die Folge war eine starke Vermehrung der Menschen und eine Expansion in neue Lebensräume.

Abb 8

       Abb. 8 Verlauf der Konzentration des Fruchtbarkeits- Indikators Methan (CH4) in Eisbohrkernen aus Grönland (GRIP: oben) und der Antarktis (DOME C: unten)

      Auch in den höher gelegenen nördlicheren Regionen des Vorderen Orients verbesserten sich die klimatischen Verhältnisse und die Natur in dieser vorher kühleren Gegend begann sich explosionsartig zu entwickeln. Zu den neuen Gunstregionen zählten die südlichen Vorberge des Taurus-Gebirges in Ostanatolien.

      Auf dem Göbekli Tepe im hügeligen Grenzbereich der heutigen Staaten Türkei und Syrien, dem „Nabelberg“, einer beherrschenden Anhöhe bei Sanli-Urfa, dem früheren Edessa, in der Nähe des Oberlaufs des Euphrat in Obermesopotamien, graben das Deutsche Archäologische Institut in Berlin und das Museum von Sanli-Urfa seit 1996 megalithische Bauwerke aus, deren Bau unmittelbar nach der sprunghaften Erwärmung begonnen hat. Sie sind dreimal so alt wie Stonehenge und ihre Funde revolutionieren die frühe Archäologie: nicht nur ihr hohes Alter setzt in Erstaunen, sondern auch, dass die Bauten nicht von sesshaften Bauern errichtet worden sind, sondern schon von Jägern und Sammlern! Ganz offensichtlich handelt es sich um sakrale Bauten, derzeit die älteste Tempelanlage der Welt. In die Mauern des zunächst ausgegrabenen runden bis ovalen Bauwerks sind monolithische T-förmige Pfeiler aus Kalkstein eingefügt und im Zentralbereich befinden sich 2 weitere Pfeiler, 5 Meter hoch und bis zu 50 Tonnen schwer. Bei der Ausgrabung weiterer Rundbauten wurden bisher mehr als 40 Pfeiler gefunden, wobei ein monumentaler Mittelpfeiler fast bis zu 6 Meter hochragt. Es bedurfte wohl einer riesigen Gemeinschaftsleistung vieler Menschen, um sie vom Steinbruch einige Hundert Meter weit zu transportieren und sie aufzurichten. Aus vielen Pfeilern treten im Relief Tiere der Gegend hervor, Füchse, Leoparden, Keiler, Esel, Gazellen, Wildrinder und -schafe, Kraniche und Skorpione. Der Star des Tierensembles ist ein Geier mit gespreizten Flügeln. Eine menschliche Figur fand man zunächst nur ein einziges Mal, kopflos, aber mit Phallus. In einer Säule glaubt man einen menschenähnlichen „Gott“ zu sehen mit Stola, Gürtel, Lendenschurz und Armen an der Schmalseite. Alle Darstellungen wurden mit Steinwerkzeugen aus dem Kalkstein heraus erhaben modelliert, dessen Oberfläche fein geglättet ist. Weiterhin fand man Schrift-ähnliche abstrakte Hieroglyphen. Bemerkenswerterweise wiederholen sich diese Zeichen auf Münz-artigen runden Steinen, welche man in der weiteren Umgebung gefunden hat, sodass anzunehmen ist, dass es sich um ein schon gebräuchliches Informationssystem oder um heilige Symbole gehandelt hat. In abstrahierter Form hat man diese Zeichen noch 3 Jahrtausende später benutzt.

      Baukunst und Glyptik auf dem Göbekli Tepe sind schon so hoch entwickelt, dass anzunehmen ist, dass eine solche Kunst nicht ohne Vorläufer geschaffen werden konnte. Aber woher ist sie gekommen? Bisher hat man keinen Hinweis hierfür gefunden. Vielleicht hätte man rechtzeitig auf den kleinen Inseln Groß- und Klein-Tumb im Persischen Golf nördlich der Straße von Hormuz nachsehen sollen, denn diese Anhöhen dürften vor den großen Fluten Zentren eines fruchtbaren Kulturgebietes in der interessantesten Region der wasserreichen Ebene im heutigen Persischen Golf gewesen sein. Allerdings dürfte die Chance, dort noch prähistorische