Jo Caminos

Tempus Z


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Stimme klang etwas beunruhigt. Er wusste zwar, dass der Jet senkrecht landen und starten konnte, doch der Acker dort unten verursachte bei ihm ein ungutes Gefühl.

      »Brauchen wir nicht. Die Kiste kann senkrecht starten und landen. Das war kein Scherz, als der General im Briefing ausdrücklich darauf hingewiesen hat. Der Boden darf nur nicht zu uneben sein, damit der Jet nicht in Schräglage gerät, aber die hydraulischen Dämpfer können auch in einem solchen Falle einiges wegstecken.«

      Otis winkte ab. Er wusste, wie fasziniert Jessica von all diesen technischen Dingen war, die ihn nur am Rande interessierten, wenn überhaupt. Es beruhigte ihn halbwegs, dass er Jessicas Hand am Steuerknüppel sah. Sollte der Knilch von Autopilot Mist bauen oder der Satellit ausfallen, über den der zusätzliche Leitstrahl von Cleveland kam, konnte sie immer noch rechtzeitig manuell eingreifen. Zumindest hoffte er das.

      »Sind die Sojuskapseln schon unten?«, fragte Otis.

      »Nein. Sie dürften frühestens in einer halben Stunde niedergehen. Aus Sicherheitsgründen werden sie einige Kilometer voneinander entfernt landen. Wir packen die ersten Wissenschaftler in den Jet, versorgen sie medizinisch und starten dann zum nächsten Landepunkt.«

      »Wenn alles glattgeht«, bemerkte Otis.

      Jessica sah ihn ironisch an. »Eh, Alter, was ist denn Los? Muffensausen? So pessimistisch kenne ich dich ja gar nicht.«

      »Nur so ein blödes Gefühl. Das ging einfach alles zu glatt. Der Flug über den Atlantik, das Eindringen in den Bereich der Russischen Föderation. Ich weiß nicht ...«

      Mehrere LEDs erwachten zum Leben. Irgendwo in den Instrumenten klickte es.

      »Remote Control leitet den Landevorgang ein«, kommentierte Jessica, deren Augen konzentriert die Kontrollen überflogen. Ihr Gesicht wirkte angespannt. Sie strich sich eine Strähne hinter das rechte Ohr und leckte sich über die Lippen. Mittlerweile trug sie das blonde Haar sehr viel kürzer. Es ließ sie jünger aussehen.

      Otis inspizierte seine Montur. Ein routinemäßiger Vorgang, der ihm gar nicht bewusst war. Er trug eine Schnellfeuerwaffe und ein schweres Kampfmesser sowie einen kurzen Stichel mit gummiertem Griff, der hervorragend dazu geeignet war, etwaigen Untoten das Licht auszublasen.

      Die Geräusche im Jet veränderten sich. Es klang, als liefen Turbinen an. Die Zelle vibrierte, und der Jet verzögerte, blieb schließlich fast auf der Stelle stehen und senkte sich dem kargen Boden entgegen. Kurz darauf lief ein schwacher Ruck durch die Maschine. Das Rauschen der Turbinen ebbte ab. Die entstandene Stille im Cockpit wirkte plötzlich unwirklich laut.

      »Unten, sogar lebend«, sagte Jessica mit einem verschmitzten Lächeln.

      Otis nickte nur. Das Lachen war ihm vergangen. Er wollte es nur ungern zugeben, doch das Fliegen setzte ihm mehr zu, als er es sich selbst eingestehen wollte. Vielleicht lag es auch an der Enge im vorderen Bereich des Cockpits. Im hinteren Teil hatte man sechs Liegen installiert, auf denen die Astronauten die Reise nach Hause antreten sollten. Es waren modernste hydropneumatische Liegen, die für das Wohlbefinden der Passagiere sorgen würden. Die lange Verweildauer in der Schwerelosigkeit dürfte den Männern und Frauen arg zugesetzt haben.

      »Käpten?«, fragte Jessica.

      »Was?«

      »Du bist der Chef. Willst du nicht den Befehl geben, die Luke zu öffnen und die Treppe runterzulassen?« Jessica grinste ironisch.

      Otis winkte ab. »Ich - und Käpten? Schatz, mach, was du für richtig hältst!«

      »Aye, Sir!« Jessica lächelte breit und ließ die Finger über einige Knöpfe und Schalter huschen. Ein Zischen erklang. Die Druckschleuse schob sich seitlich in den Rumpf, und die automatische Leiter wurde ausgefahren. Kühle Luft drang ins Cockpit. Otis stellte den Kragen seiner Montur. Er löste die Gurte und reckte sich. Dann hielt er auf den Ausgang zu, blieb dort aber stehen, als er bemerkte, dass Jessica keine Anstalten machte, den Jet zu verlassen.

      »Kommst du nicht?«, fragte er.

      Jessicas Finger huschten über eine Tastatur. »Gleich. Ich ändere nur den Zugriffscode für den Autopiloten. Du weißt doch: Die lieben Standardprozeduren zur Sicherheit …«

      »Aha.« Otis rutschte die Leiter nach unten und stand kurz darauf auf kasachischem Boden. Er bewegte sich einige Meter von dem Jet weg und sah sich um. Trostlos!, durchfuhr es ihn. Zudem war es saukalt. Er stellte den Kragen noch höher, legte den Kopf in den Nacken und hoffte wohl, die an ihren Fallschirmen herabschwebenden Sojuskapseln zu erspähen, doch noch war nichts zu sehen. Nur ein grauer Himmel, der irgendwo mit dem Horizont zu einem grauen Etwas verschwamm.

      Es gab ein dumpfes Geräusch, als Jessica auf den Boden sprang. Sie trat neben Otis und legte sich die Arme um den Oberkörper. »Ekelhaft kalt. Kein Wunder, dass meine Eltern auswandern wollten. Und wie hübsch das hier aussieht. Alles so lustig grau, das hebt doch gleich die Stimmung. Brrr …«

      »Wo wurdest du geboren?«, fragte Otis.

      Jessica blickte in östlicher Richtung, wo Scheskasgan liegen musste. »In Scheskasgan, in einem Mehrfamilienhaus. Eng, öde, hoffnungslos. Sagten zumindest meine Eltern. Ich habe nur ganz wenige Erinnerungen an meine Kindheit. Vielleicht ist es besser so.«

      Die Luke des Jets schloss sich von selbst. Otis fuhr herum, doch Jessica winkte beruhigend ab. »Automatik. Nur unsere Stimmen können die Luke jetzt noch öffnen. Oder ein Widerruf per Satellit von Cleveland.«

      »Technische Gimmicks«, brummelte sich Otis in den Bart. Er war der Mann fürs Grobe, der in Spelunken oder Bars abhing und so seine Einsätze in die Wege leitete. Das ganze Technikgedöns war ihm von jeher verdächtig, auch wenn es zum Job gehörte.

      Jessica wies zum Himmel. Ein kleiner schwarzer Punkt erschien dort in dem trostlosen Grau, dann noch einer. »Zwei der Sojuseinheiten, die dritte müsste noch weiter westlich niedergehen. Sicherheitsabstand, vielleicht auch eine Abdrift durch Höhenwinde.«

      Otis sagte nichts. Er drehte sich einmal um die eigene Achse und sog die frische Luft tief in seine Lungen. Nur das Säuseln des Windes war zu hören. »Es fehlt was.«

      »Und was?«

      »Dieses ständige Raunen der Untoten.« Selbst in Cleveland Nova konnte man die seltsamen Geräusche der Untoten trotz der weiten Entfernung zum Zaun fast immer wahrnehmen. In den letzten Wochen hatten sich wieder unzählige von ihnen an den Außenzäunen versammelt, bis ein Cleaner-Trupp sie abfackeln würde. Und bis die Nächsten kämen, immer und immer wieder.

      »Sei doch froh, dass keine Untoten hier unterwegs sind«, sagte Jessica. Sie drehte sich erneut um die eigene Achse, um die Steppe zu beobachten, und trippelte dann mit zusammengepressten Lippen auf der Stelle. Der Wind war eisig und schnitt unangenehm ins Gesicht.

      »Hoffen wir es.« Otis sah zum Himmel. Die erste der Sojuskapseln war größer geworden, die zweite würde doch einige Kilometer entfernt niedergehen. Der erste Eindruck von Nähe hatte hier getäuscht.

      »Ein paar Minuten noch«, sagte Jessica. Sie blies sich in die Hände und fluchte unterdrückt, weil sie keine Handschuhe angezogen hatte. »Die Thermomontur ist scheiße«, murrte sie. »Da kann man sich ja den Arsch abfrieren.«

      »Da hast du ...«, setzte Otis an. »Scheiße, zurück in den Jet.«

      Jessica wirbelte herum. Im ersten Moment glaubte sie, Otis´ Reaktion würde sich auf Untote beziehen, doch es war etwas anderes. Eine Staubwolke zeigte sich etwas östlich von ihnen: Wagen, Panzer, ein regelrechter Treck ...

      »Die haben uns erwartet«, knurrte Otis. Er stand vor der Luke des Jets und befahl dem Akustiksensor: Öffnen.« Doch es regte sich nichts. Jessica trat neben ihn und versuchte es ebenfalls, doch auch auf ihren akustischen Befehl hin blieb die Luke verschlossen. Plötzlich liefen die Schubdüsen an.

      »Die Kiste haut ab!«, schrie Otis gegen den anschwellenden Lärm. Jessica und er rannten vom Jet weg, dessen Turbinen plötzlich auf Volllast liefen. Die Maschine hob ab, hielt für Momente drei Meter über dem Boden an, neigte