Conny Schwarz

BEZIEHUNGSWEISE TÖDLICH


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      Conny Schwarz

      BEZIEHUNGSWEISE TÖDLICH

      Storys über Leben und Tod

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Sex on the Beach

       Ferien auf dem Lande

       Familienbande

       Künstlerpech

       Nur das Beste

       Der Bub

       Die Blaue Lagune

       Eine schöne Zeit

       Alle Tage Sonntag

       Frühlingsträume

       Impressum neobooks

      Sex on the Beach

      „Kann ich vorbeikommen?“

      Ines erstarrte mit dem Hörer am Ohr und verdrehte gründlich ihre grauen Augen. Sie dachte an das Picknick, für das sie einkaufen müsste, an das Bad, das fertig geputzt werden wollte, und natürlich an Sina und Max, denen sie einen Besuch auf dem Spielplatz versprochen hatte. Verzweifelt überlegte Ines, auf welchen Tag sie ihre Freundin vertrösten könnte, da schnurrte Tanja verheißungsvoll ins Telefon: „Ich muss dir unbedingt was erzählen!“

      „Klar kannste vorbeikommen“, seufzte Ines und war sauer. Auf Tanja zunächst mal, weil die wieder ihren sorgfältig geplanten Tag durcheinanderwirbelte. Mehr noch aber auf ihre eigene Spießigkeit, die sie voller Sorge registrierte. Tanja war immerhin ihre beste Freundin, und zwar eine, die sie noch nie gelangweilt hatte. Während Ines’ Leben ungefähr so abwechslungsreich war wie eine Fahrt auf der Autobahn, hauste Tanja in einem aufregenden Dschungel aus angesagten Clubs, Vernissagen und Premierenfeiern. Am spannendsten aber war ihr Liebesleben. Bis vor einem halben Jahr jedenfalls, als Tanja noch nicht mit Richie, diesem charmanten Chaoten, liiert war.

      Fünf Minuten später klingelte es an der Wohnungstür. Ines kippte rasch das Putzwasser ins Klo und warf noch einen flüchtigen Blick in den Spiegel, der sie allerdings bloß frustrierte. Dann hüpfte sie erwartungsvoll der Tür entgegen.

      Tanja trug ein ärmelloses Sommerkleid, hielt triumphierend eine Flasche Sekt empor und strahlte, als hätte sie irgendeinen Grand Prix gewonnen. Überschwänglich umarmte sie Ines, die froh war, noch schnell zum Deo gegriffen zu haben, damit sie wenigstens nicht so nach Arbeit roch, wenn sie schon aussah wie eine Putzfrau. Erwartungsvoll stand Ines vor Tanja wie ein kleines Kind vor dem Weihnachtsmann mit einem dicken Sack voller Überraschungen. Hatte ihre Freundin endlich eine Produktionsfirma für ihr Drehbuch gefunden? War sie wieder über irgendeinen roten Teppich stolziert? Oder hatte sie etwa eine Affäre? So sehr Ines auch grübelte, weitere Gründe zum Feiern fielen ihr nicht ein. Ihr Horizont war eben beschränkt. Sicher war es wieder etwas, das sie niemals vermutet hätte. Eilig brachte Ines zwei Sektgläser auf den Balkon, wo Tanja bereits fröhlich den Korken knallen ließ.

      „Und?“, fragte Ines neugierig und hielt Tanja die Gläser entgegen.

      „Kommst du nie drauf!“, sagte Tanja und lächelte geheimnisvoll, während sie den Sekt in die Gläser schäumen ließ.

      „Sag schon“, forderte Ines ungeduldig, fast ein wenig verärgert darüber, dass Tanja ihre knappe Zeit mit dämlichen Ratespielchen verplemperte. Doch erst musste sie noch, wie üblich, das neue Kleid ihrer Freundin bewundern.

      „Desigual“, verriet Tanja mit einem gönnerhaften Lächeln, mit dem man normalerweise Hunden ein Leckerli vor die Füße wirft, und drehte sich kokett hin und her, damit Ines die aufregenden Muster in kräftigen Farbtönen angemessen bestaunen konnte. Dann aber platzte die Neuigkeit so plötzlich aus Tanja heraus wie eine Kugel aus dem Revolver.

      „Mit Richie ist es endlich vorbei. Prost.“

      Tanja stieß ihr Glas etwas heftig gegen das von Ines und nahm einen kräftigen Schluck.

      „Was?!“

      Wie erschlagen von dieser Nachricht ließ sich Ines auf den Holzstuhl fallen. Es war weniger das Ende dieser chaotischen Liaison, das Ines überraschte, sondern vielmehr die ausgelassene Stimmung ihrer Freundin. Zwar konnte man es schon ein Naturgesetz nennen, dass Tanjas Beziehungen kaum stabiler waren als Seifenblasen. Doch die Seifenblase namens Richie hatte schon so unverhältnismäßig lange geschillert, dass bei ihrem Platzen mindestens ein mittlerer Nervenzusammenbruch fällig gewesen wäre.

      „Wir passen einfach nicht zusammen“, sagte Tanja hingegen sachlich wie eine Verwaltungsangestellte, die gegen Feierabend eine Akte zuklappt, und zündete sich eine Zigarette an.

      Natürlich harmonierten Tanja und Richie ungefähr so prima wie Sina und Max, wenn sie müde und außerdem hungrig waren. Doch das wusste Ines längst. Das eigentliche Wunder war, dass Tanja das endlich selbst kapiert hatte. Und zwar ohne dass Tränen flossen! Dabei ragte dieses halbe Jahr mit Richie aus Tanjas Liebeslandschaft heraus wie der Mount Everest. Eine längere und innigere Beziehung als diese hatte es für sie nie gegeben.

      Forschend betrachtete Ines also ihre Freundin, suchte Stirn und Mundwinkel nach Spuren von Leid ab und die Augen nach einem verdächtigen Glanz. Da sie nichts entdecken konnte, rechnete sie jede Sekunde damit, dass die gute Laune wie eine Schlangenhaut von Tanja abfallen, sie als schluchzendes Elend vor ihr sitzen und sich ihre bordeauxrot lackierten Fingernägel zerbeißen würde. Tanja aber sah aus wie Tanja im Glück und fühlte sich angeblich auch so. „Total happy!“ und „absolut relaxt!“ Kein Klischee war ihr zu platt, kein Ausrufezeichen zu viel.

      Ob Richie ähnlich glücklich war? Wahrscheinlich reagierte er auf die Trennung mit dem ihm eigenen Humor. Da er grundsätzlich nie etwas ernst nahm, lachte er vermutlich darüber. Richie war ein Clown, der ständig verrückte Sachen machte. Das hatte durchaus Charme und zog jeden durchschnittlich frustrierten Menschen in seinen Bann, so auch Ines, die sich immer gern über ihn amüsiert und sein Talent bewundert hatte, den graukarierten Alltag mit grellen Farbtupfern aufzupeppen. Dennoch hatte sie vermutet, dass diese liebenswerte Unbeschwertheit ihrer zwar lebenslustigen, aber zuweilen auch tiefsinnigen Freundin in absehbarer Zeit furchtbar auf die Nerven gehen musste, so als würde ständig eine Horde Kleinkinder möglichst dicht um sie herumtanzen. Und genauso war es gekommen. Tanja ertrug Richies Albernheiten nicht mehr. Der aber nahm seine Kaspereien so ernst, dass er sie nicht mal aus Liebe zu Tanja einschränken wollte.

      „Er ging mir ja so auf die Nerven! Als er neulich im Supermarkt die Joghurtbecher umsortierte, hab ich sofort Muttergefühle bekommen und ihm eine Ohrfeige gegeben. Das muss man sich mal vorstellen!“, gestand Tanja lachend.

      „Du hast ihn geschlagen?! Vor allen Leuten? Und er?“

      „Hat gesagt, ich soll das lassen. Sonst haut er zurück. Angeblich war er mal Boxer. Erzählt er! Ob’s stimmt, weiß man ja bei ihm nie.“

      „Bist du wahnsinnig?“

      „Nö“,